ORF-Generaldirektor Roland Weißmann spricht im „Krone“-Interview über Neid, Mega-Verträge, den Staatsfunk als Transparenz-Vorreiter und „künftig deutlich weniger Nebenjobs“.
„Krone“: Herr Generaldirektor, macht Ihr Job noch Spaß, oder ist Ihr Gehalt derzeit Schmerzensgeld?
Roland Weißmann: (Lachend) Natürlich macht der Job noch Spaß. Ich komme nach wie vor jeden Tag gerne in den ORF. Es ist jetzt gerade die Halbzeit meiner Amtsperiode, und ich bin voller Tatendrang, die nächsten Schritte umzusetzen.
Anfang der Woche musste der ORF, bekanntlich gesetzlich verpflichtet, seine 62 Top-Gehälter ab 170.000-Euro-Jahresgehalt brutto veröffentlichen. Sie haben in einem Mail an Mitarbeiter vor einer neidgeschürten Debatte gewarnt. Aber verstehen Sie nicht auch irgendwie die Wut in der Öffentlichkeit über diese Summen, die de facto – unter Anführungszeichen – mit der Haushaltsabgabe mitfinanziert werden?
Der ORF hat rund 4000 Mitarbeiter. Ich verstehe die Emotion natürlich. Und habe auch persönlich durchaus kritische E-Mails bekommen. Aber man muss dazusagen, ich, aber auch andere Mitarbeiter, haben sehr wohl auch unterstützende E-Mails bekommen. Es war natürlich zu erwarten – Österreich ist ein Land, in dem man nicht gewohnt ist, über sein Gehalt zu sprechen. Ganz offen: Ich bekenne mich zu dieser Transparenz. Wir sind die Speerspitze. Aber es ist wie bei einem Fußballspiel: Da kommt die zweite Halbzeit – und nach der Emotion kommen wir jetzt in diese Phase der Erklärung und Einordnung.
Lassen Sie sich selber durch den Ö3-Wecker aufwecken?
Ja! Es kommt darauf an, ich höre Ö3-Wecker in Kombination mit den Ö1-Morgenjournalen.
Apropos Ö3. Radiostimme Robert Kratky und ORF-Dinosaurier Pius Strobl, der eigentlich schon im besten Pensionsalter von 67 Jahren ist, sind vor Ihnen auf der Liste. Packt Sie da nicht selber der Neid, und wann laufen die beiden befristeten Mega-Verträge ab?
(Wieder lachend) Also Neid kenne ich tatsächlich nicht. Ich bin da eher vom angelsächsischen Schlag und stehe zu meinem Gehalt. Ich sehe diese Transparenzbestimmungen so, dass wir Vorreiter sind in einer neuen Offenlegungswelle sozusagen. Und ich nehme an, dass auch weitere Unternehmen nachziehen oder von der Politik aufgefordert werden, nachzuziehen.
Sie haben es richtig angesprochen. Es sind befristete Verträge, die in der nahen Zukunft auch einmal auslaufen werden.
Zu den Gehältern von Kratky und Strobl
Jetzt sind Sie mir ein bisschen ausgewichen, wann die Verträge auslaufen?
Sie haben es richtig angesprochen, es sind befristete Verträge, die in der nahen Zukunft auch auslaufen werden. Übrigens wie so viele Verträge, die auf dieser Liste stehen. Es gibt bereits eine überwiegende Anzahl an Mitarbeitern, die einen völlig anderen Kollektivvertrag haben als Menschen, die schon sehr lange im Unternehmen sind. Mittlerweile haben wir eher die Schwierigkeit, junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Unternehmen zu holen.
Im „ZiB 2“-Interview mit Armin Wolf hat ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker von Wehleidigkeit wegen der Veröffentlichung gesprochen. Sind Sie wehleidige Gagenkaiser im ORF?
Überhaupt nicht! Wir stellen uns gerne dieser Diskussion. Der ORF ist ein erfolgreiches Medienunternehmen, und wenn wir uns die Verträge und Gagen im internationalen Vergleich anschauen, dann ist der ORF völlig konform und nicht abgehoben von der Branche. Und noch ein Beispiel dazu: Das war vor meiner Amtszeit, Robert Kratky hat vor drei oder vier Jahren von einem privaten Konkurrenten ein Angebot auf den Tisch bekommen. Ich kenne dieses Angebot (Anm. d. Redaktion: kolportierte 500.000 Euro Jahresgage), und es war höher als das, was er jetzt bekommt. Also die Frage nach der Gage ergibt sich immer auch aus dem Markt.
Ist nicht auch ein internes Rumoren zu spüren durch die große Einkommensschere zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern?
Man muss nicht glauben, dass nur eitel Wonne im ORF herrscht. Ganz im Gegenteil. Der ORF muss in allen Bereichen sparen und tut dies seit Jahren. Das heißt: Wir können nicht mehr Geld ausgeben als wir einnehmen.
Ist es gerecht, dass Ö3-Weckermann Robert Kratky für eine gefühlte 25-Stunden-Woche von Montag bis Freitag etwa das zwölffache Monatsgehalt eines heimischen Durchschnittsverdieners und sogar mehr als Sie kassiert?
Offenbar ist der Marktwert höher, wie das erwähnte Beispiel zeigt. Natürlich kann man über solche Dinge immer diskutieren. Man muss eben Markt-Vergleiche heranziehen. Der ORF ist eines von rund 450 Unternehmen, das vom Rechnungshof geprüft wird. Da ist auch nachzulesen, dass es 58 Manager gibt, die mehr bekommen als mein Vorgänger.
Wir sollten alle an einem Medienpakt 2030 arbeiten. Weil es so wichtig ist für die Demokratie in diesem Land.
Über Fake News und Medienstandort
Viele Menschen verstehen auch nicht, wenn man ohnehin schon Top-Gagen bezieht im öffentlichen Dienst, wann diese Kollegen noch die Zeit haben, in Nebenjobs kräftig dazuzuverdienen.
Ich kann nur für die Zukunft sprechen. Wir haben jetzt parallel mit dem Transparenzbericht auch den neuen Ethikkodex in Kraft gesetzt. Und man kann vereinfacht sagen: Nebenbeschäftigungen wird es in Zukunft auch noch geben, aber in deutlich geringerem Ausmaß und viel strenger reglementiert als bisher.
Könnten Sie auch mit einer Finanzierung aus dem Budget statt einer Haushaltsabgabe leben, wie es etwa die FPÖ will?
Ich habe mich mit Ratschlägen an den Gesetzgeber immer zurückgehalten. Aber eines ist klar: Nur wir investieren jedes Jahr rund 100 Millionen in die heimische Filmwirtschaft, 100 Millionen in Kunst und Kultur, 100 Millionen in den Breiten- und Spitzensport, in die beliebten Landesstudios, das Korrespondentennetz und vieles mehr. Wenn der ORF das nicht mehr tut, dann gibt es in diesem Land auch niemanden, der das übernimmt.
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