Im Fall des mittlerweile festgenommenen Ex-Verfassungsschützers Egisto Ott sind nun im Zuge einer Hausdurchsuchung an seinem Wohnsitz in Kärnten sowie in seiner Wohnung in Wien zwei SINA-Laptops, also speziell gesicherte, vom Geheimdienst verwendete Geräte, sichergestellt worden. Diese könnten sich als brisante Beweismittel entpuppen. Ott droht unterdessen im Polizeiverhör mit Hungerstreik.
SINA steht für Sichere Inter-Netzwerk Architektur, mit der die Übertragung und Verarbeitung von schützenswerten Informationen in unsicheren Netzen möglich ist. Die hoch entwickelte Verschlüsselungstechnologie wird dem Vernehmen nach unter anderem von staatlichen Ermittlungsstellen zum Länder übergreifenden Austausch von Informationen mit Partnerdiensten genutzt.
Die seit 2000 entwickelte SINA-Produktfamilie enthält die einzigen vom deutschen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bis zum höchsten nationalen Einstufungsgrad („Streng geheim“) zugelassenen IP-basierten Kryptosysteme. Schwerpunkt ist dabei der Schutz von elektronischen Informationen vor unberechtigten Zugriffen.
Unklar, was Ott mit den Laptops vorhatte
Bei den nun sichergestellten Laptops handelt es sich um brisantes Beweismaterial, es könnten sich hochsensible Daten darauf befinden. Was Ott mit diesen Geräten vorhatte und wie er in ihren Besitz gelangt war, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Er selbst behauptet, zumindest einige der Datenträger vernichtet zu haben.
An Otts Hauptwohnsitz in Paternion (Bezirk Villach-Land) fand sich ein SINA-Laptop in einem Regal im Arbeitsraum, in seiner Wohnung in Wien-Leopoldstadt war ein Gerät in einer Küchensockelleiste versteckt. Dieser Laptop war – wie aus einem Anlassbericht der „AG Fama“ hervorgeht – noch originalverpackt und mit der Secnet-Banderole versehen.
An Russen verkauft?
Bisher war bekannt, dass Egisto Ott verdächtigt wird, einen SINA-Laptop dem russischen Geheimdienst verkauft zu haben. Das Gerät soll am 19. November 2022 in Wien mit falschen Pässen ausgestatteten Männern, die vermutlich dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB zuzurechnen waren, übergeben und über Istanbul nach Moskau zum Sitz des FSB gebracht worden sein.
Den Deal eingefädelt haben soll Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der mittlerweile für den russischen Geheimdienst tätig sein soll. Für den Laptop sollen im Herbst 2022 20.000 Euro bezahlt worden sein, wobei Marsalek das Geld von „laundry guys“ (Geldwäscheleuten, Anm.) von Berlin nach Wien bringen ließ, wie sich aus Chats ergibt, die Marsalek mit einem inzwischen in London inhaftierten bulgarischen Geschäftsmann führte, der eine mehrköpfige, für Russland operierende Spionage-Zelle angeführt haben soll. Auf dem nach Russland transferierten Laptop dürften sich der Geheimhaltung unterliegende Daten eines EU-Staates befunden haben, ergibt sich aus dem Ermittlungsakt.
Suche nach weiteren Geräten
Was mit den nunmehr entdeckten SINA-Laptops, die kriminaltechnisch untersucht werden, geplant war, ist unklar. Ott soll mittlerweile gestanden haben, er wisse von insgesamt fünf SINA-Laptops, wobei sich einer „im Ausland, aber nicht in Russland“ befinde. Einen hätte „einer seiner Mitarbeiter“, einen weiteren „ein Journalist in Österreich“. Für Egisto Ott gilt die Unschuldsvermutung.
Ott droht mit Hungerstreik
Neben dem Laptop wurden an der Kärntner Adresse des ehemaligen Mitarbeiters des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auch nachrichtendienstliche Unterlagen und Datenträger dienstlicher Herkunft beschlagnahmt. Ott war nicht bereit, die Zugangsdaten zu sichergestellten elektronischen Geräten bekannt zu geben, er soll bei seiner Festnahme am 29. März wiederholt abfällig und in beleidigender Weise über die gegen ihn ermittelnden Beamten geäußert haben. Auch soll er laut einem Bericht des „Standard“ gedroht haben, in den Hungerstreik zu treten.
Systematisch „Zielpersonen“ ausspioniert
Ott steht im Verdacht, gemeinsam mit seinem ehemaligen Vorgesetzten beim BVT, dem einstigen Spionage-Abteilungsleiter Martin Weiss, für Russland systematisch nach „Zielpersonen“ gefahndet zu haben, über deren Verbleib der russische Geheimdienst gern Bescheid gewusst hätte. Einer von ihnen war ein abtrünniger FSB-Agent, dem Ott nachspitzelte, indem er etwa im Juli 2017 gegenüber einem BVT-Chefinspektor in wahrheitswidriger Weise vorgab, „verdeckte Ermittlungen im Zusammenhang mit geplanten extremistischen/terroristischen Störaktionen zu einer großen internationalen Konferenz“ zu führen und die ihm vom russischen Geheimdienst übermittelten Fingerabdrücke des Ex-Agenten abfragen ließ, um dessen Aufenthaltsort herauszubekommen. Ott soll auch Passagierlisten von Fluglinien und Gästelisten von Hotels durchforstet haben, um den untergetauchten Mann ausfindig zu machen.
Peilsender an Pkw eines Ex-Agenten
Im Zusammenhang damit mutet es besonders Besorgnis erregend, dass am Pkw des Ex-FSB-Agenten am 28. Dezember 2023 unter dem Schutzblech ein Peilsender gefunden wurde, als die Ehefrau des Mannes in einer Werkstätte einen Reifen- und Ölwechsel durchführen lassen wollte. Es handelte sich um einen professionellen, qualitativ hochwertigen GPS-Tracker, ein autonomes Satellitengerät zur Online-Überwachung von Land-, See- und Luftobjekten. Der Ex-FSB-Agent übergab das Gerät am 8. Jänner den österreichischen Behörden und stellte bei dieser Gelegenheit klar, dass er davon ausgehe, nach wie vor vom russischen Geheimdienst verfolgt und ausgespäht zu werden. Aufgrund der Bedrohungslage entschloss er sich, den Staat in Südosteuropa, in dem er sich zuletzt mit seiner Familie aufgehalten hatte, kurzfristig zu verlassen.
Ähnliches war zuvor bereits einem anderen, in Russland in Ungnade gefallenen Mann widerfahren, den Ott ebenfalls 2017 ausgekundschaftet haben soll. Dessen Fahrer hatte kurze Zeit danach ebenfalls einen an einem Fahrzeug angebrachten Peilsender entdeckt, worauf der offenbar von Russland gesuchte „um sein Leben und die Sicherheit seiner Familie fürchtete“, wie im Ermittlungsakt festgehalten wird.
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