Elf Athleten starben

Olympia-Attentat von München jährt sich zum 40. Mal

Ausland
05.09.2012 07:03
Im Jahr 1972 hat München die Olympischen Sommerspiele ausgerichtet, ein wichtiges Zeichen der Normalisierung im Verhältnis zwischen den Deutschen und der Welt. Heitere Spiele versprach die Bundesrepublik ihren Gästen - und erwachte in einem blutigen Albtraum mit elf ermordeten Israelis, einem toten deutschen Polizisten und fünf erschossenen palästinensischen Terroristen. Warum die Sicherheitsbehörden damals kläglich versagten, ist auch heute, 40 Jahre später, nicht restlos geklärt.

Das Vorhaben der Deutschen, sich weltoffen zu präsentieren, schien in den ersten Tagen der Spiele von München noch voll aufzugehen. Überall gab es Lob für den Gastgeber, der die Olympischen Spiele 1936 in Berlin noch zur Machtdemonstration der Nazis missbraucht hatte. Doch so groß auch das Engagement der Veranstalter in Sachen Gastfreundschaft war, so nachlässig wirken im Nachhinein ihre Sicherheitsvorkehrungen, die bei Olympia 1972 bewusst locker gehalten wurden. Die Polizisten im Olympia-Park trugen Trainingsanzüge bzw. Zivilkleidung. Uniformen passten nicht ins Bild, nichts sollte an die Nazi-Spiele erinnern.

Die Terroristen der Gruppe "Schwarzer September" kamen ungehindert in das olympische Dorf. Am frühen Morgen des 5. September kletterten die acht Männer über den Zaun. Sie wurden beobachtet, aber für heimkehrende Sportler gehalten. Die Türen zu den Wohnungen der Israelis waren nicht abgeschlossen. Mit Sturmgewehren bewaffnet, drangen die Terroristen ein, nahmen elf Geiseln. Zwei Sportler wurden zu Beginn der Geiselnahme getötet. "Gegen 4.30 Uhr hörte ich eine Explosion, wie ein Schuss", erinnerte sich der israelische Ex-Ringer Gad Tsabary bei Dreharbeiten zu einer Dokumentation vor wenigen Monaten. Er konnte fliehen. Doch die Zeit danach war für ihn der Horror: "Ich habe mich schrecklich gefühlt."

Stundenlange Verhandlungen ohne Ergebnis
Die Attentäter sollen sich teils dilettantisch angestellt haben. Sie seien erst einmal an den Appartements der Israelis vorbeigelaufen und in einer oberen Etagen auf Sportler aus Hongkong getroffen, schrieb das deutsche Nachrichtenmagazin "Spiegel" kürzlich. Sie verlangten schließlich die Freilassung von 234 Palästinensern aus israelischen Gefängnissen sowie der deutschen RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Israel lehnte dies ab.

Zum Schein wurde dennoch verhandelt, immer neue Ultimaten liefen ab. Der damalige deutsche Innenminister Hans-Dietrich Genscher und andere boten sich vergeblich als Ersatzgeiseln an. Die Terroristen wollten mit den Geiseln in den arabischen Raum ausgeflogen werden. Was außerhalb der Wohnungen ablief, bekamen sie unterdessen per Radio und TV mit, auch einen Befreiungsversuch - man hatte vergessen, den Strom abzustellen.

Befreiungsaktion wird zum blutigen Fiasko
Nach einer stundenlangen Belagerung ließen sich die Terroristen am Abend mit den Geiseln in Hubschraubern zum Flughafen Fürstenfeldbruck fliegen. Eigentlich sollten sie dort in einer zum Schein für sie bereitgestellten Boeing überwältigt werden. Scharfschützen hätten die Terroristen ausschalten sollen, doch trotz des langen Vorlaufs waren nur fünf Schützen postiert worden, obwohl es acht Geiselnehmer gab. Als wenige Minuten nach 22.30 Uhr der Befehl "Feuer frei" erging, war dies das Todesurteil für die Geiseln: Zwar starben im Verlauf des folgenden stundenlangen Feuergefechts fünf Terroristen, doch die Ermordung aller neun israelischer Sportler durch das Terror-Kommando konnte die Polizei nicht verhindern. Auch ein deutscher Polizist kam bei dem Einsatz ums Leben.

Bilder und weitere Infos zum Olympia-Attentat von München findest du in der Infobox.

Eine Aufarbeitung des Fiaskos fand in der Folgezeit nicht statt. Kein Verantwortlicher der Sicherheitsbehörden wurde zur Rechenschaft gezogen. Die überlebenden drei Terroristen wurden knapp zwei Monate nach dem Anschlag von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) durch eine Flugzeugentführung aus deutscher Haft freigepresst. Israel reagierte mit Racheakten: Zwei der drei Attentäter von München wurden vom Geheimdienst Mossad getötet, dazu mindestens zwölf weitere angeblich an der Planung beteiligte Palästinenser. Damit hatten in München nicht nur die Olympischen Spiele ihren Charakter als unbeschwerte Spiele der Jugend verloren - auch der Nahost-Konflikt erreichte eine neue Stufe der Eskalation.

"The Games must go on"
Die Spiele wurden nach einem Trauertag fortgesetzt, man wollte den Terroristen keinen Triumph gönnen. Mit "The Games must go on", sagte Avery Brundage, der damalige Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), einen legendären Satz. Doch das Sommermärchen von München war zerstört. Das Scheitern der Befreiungsaktion mangels entsprechend ausgebildeter Sicherheitskräfte führte zur Gründung der Antiterroreinheit GSG 9. In einem ihrer größten Einsätze beendete sie 1977 in Mogadischu erfolgreich die Entführung des Flugzeugs "Landshut" - ebenfalls durch palästinensische Terroristen.

Von einem "erschütternden Dokument deutscher Unfähigkeit" sprach der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt in den Tagen nach dem Attentat von München. Und er stand mit dieser Meinung nicht alleine. Schon Wochen vor den Spielen hatte es Hinweise auf einen Terrorakt gegeben. So meldete die deutsche Botschaft in Beirut am 14. August 1972, ein Vertrauensmann hätte gehört, dass "von palästinensischer Seite während der Olympischen Spiele in München ein Zwischenfall inszeniert wird". Doch niemand zog Konsequenzen.

Mossad-Chef warf Polizei Gleichgültigkeit vor
Nach dem Attentat warf der damalige Mossad-Chef den deutschen Sicherheitskräften Inkompetenz und Gleichgültigkeit vor, wie aus Dokumenten hervorgeht, die das israelische Staatsarchiv am vergangenen Mittwoch veröffentlicht hat. "Sie haben nicht die kleinste Anstrengung unternommen, die Lebenden zu retten, sie sind nicht das kleinste Risiko eingegangen, um zu versuchen, die Leute zu retten - weder ihre eigenen noch unsere", sagte Zvi Zamir, Leiter des Auslandsgeheimdienstes, nach seiner Rückkehr aus Deutschland. "Menschenleben haben bei ihnen keinen Wert."

Vieles ist bis heute ungeklärt. Erst diesen Sommer wurde bekannt, dass die Terroristen bei ihren Vorbereitungen von einem deutschen Neonazi unterstützt worden waren. Von den Anschlagsplänen selbst will dieser allerdings nichts gewusst haben. Er habe auch gar nichts wissen wollen, wie er dem Bayerischen Rundfunk sagte: "Wer fragt, der lebt nicht so lange."

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