Galten als friedfertig
Studie: Bonobo-Männchen aggressiver als gedacht
Schimpansen gelten als konfliktbereit, ihre kleinere Schwesternart, die Bonobos, als friedfertig. Nun hat ein Forscherteam aber beobachtet, dass männliche Bonobos innerhalb ihrer Gruppe häufiger aggressiv werden als männliche Schimpansen. Und: bei beiden Arten führt Aggressivität zu einem größeren Paarungserfolg.
Schimpansen und die kleineren, auch Zwergschimpansen genannten Bonobos sind die nächsten lebenden Verwandten des Menschen. Wissenschaftler untersuchen beide Arten, um bestimmte Verhaltensweisen auch beim Menschen besser zu verstehen – etwa zur Evolution von Aggression.
Bisher wurde oft angenommen, dass Schimpansen und Bonobos grundlegend verschieden sind: konfliktbereite Schimpansen versus friedfertige Bonobos. Männliche Schimpansen sind dafür bekannt, dass sie Weibchen sexuell nötigen und mitunter Artgenossen töten, sogar Jungtiere. Bei Bonobo-Männchen wurde das bisher nicht beobachtet. Man vermutete bis dato, dass Aggressionen bei männlichen Bonobos zu einem geringeren Fortpflanzungserfolg führen würden.
26 Tiere in Nationalpark bzw. Reservat beobachtet
Ein Team um die Anthropologin Maud Mouginot von der Universität Boston verglich nun Aggressionen von Bonobos und Schimpansen. Man untersuchte das Verhalten von drei Bonobo-Gruppen im Kokolopori-Reservat in der Demokratischen Republik Kongo und zwei Schimpansen-Gruppen im Gombe-Nationalpark in Tansania.
Insgesamt beobachteten sie zwölf Bonobos und 14 Schimpansen, indem sie ihnen den ganzen Tag folgten und jede aggressive Interaktion notierten. Dabei untersuchten sie auch, wem gegenüber die Tiere aggressiv waren und ob sie dabei körperlich wurden oder nicht – etwa ob sie Artgenossen schubsten und bissen oder sie einfach nur verfolgten.
Männliche Bonobos dreimal aggressiver
Überraschenderweise stellte das Team um Mouginot fest, dass männliche Bonobos sich häufiger aggressiv verhielten als männliche Schimpansen. Zwar verliefen Auseinandersetzungen bei Bonobos meist harmloser. Doch insgesamt zählten die Forschenden etwa dreimal so viele aggressive Interaktionen und körperliche Angriffe bei Bonobos wie bei Schimpansen.
Während männliche Bonobos vor allem gegenüber anderen Männchen aggressiv waren, verhielten sich männliche Schimpansen eher aggressiv gegenüber Weibchen. Schimpansen-Männchen bildeten zudem häufiger Koalitionen, um andere Schimpansen anzugreifen. Die Forscher beobachteten solche Zusammenschlüsse in gut 13 Prozent aller aggressiven Interaktionen, bei Bonobo-Männchen in nur einem Prozent der Fälle – sie trugen ihre Konflikte also fast immer zu zweit aus.
Solche Koalitionen könnten vielleicht ein Grund dafür sein, dass aggressives Verhalten bei Schimpansen seltener vorkommt, spekuliert das Team. Wenn ganze Gruppen von Männchen aufeinander losgingen, sei die Gefahr von Verletzungen oder gar Todesfällen größer. Derartige Kämpfe könnten Gruppen mitunter so sehr schwächen, dass sie sich nicht mehr gegen Schimpansen anderer Gemeinschaften verteidigen könnten.
Aggression steigert Fortpflanzungserfolg
„Schimpansen und Bonobos setzen Aggression aus bestimmten Gründen auf unterschiedliche Weise ein“, wird Mouginot in einer Mitteilung des Verlags zitiert. Obwohl unterschiedlich eingesetzt, steigere Aggression bei beiden Primatenarten den Fortpflanzungserfolg. Bei einer Bonobo-Gruppe im Kokolopori-Reservat stammten 80 Prozent der Nachkommen von nur zwei Männchen - jene mit dem ausgeprägtesten Gewaltverhalten, so das überraschende Resultat.
„Wir haben nicht erwartet, dass aggressivere Bonobo-Männchen öfter mit Weibchen kopulieren“, so Mouginot. Denn während bei Schimpansen die Männchen die ranghöchsten Tiere sind und Weibchen zur Paarung zwingen, dominieren in Bonobo-Gemeinschaften die Weibchen. Mouginot schlussfolgert: „Das bedeutet, dass Bonobo-Weibchen nicht unbedingt die netteren Männchen bevorzugen.“
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