„Krone“-Kommentar
Ritual der Vergeltungsvergeltung
Ping-Pong: Das ist die wahnwitzige nahöstliche Logik unterwegs zum ultimativen Flächenbrand: Der größte Angriff der Militärgeschichte mit 330 Drohnen, Marschflugkörpern, Raketen – aber so gut wie alle abgeschossen. (Die Ukraine hätte gern dieses Glück).
Beide Seiten melden Erfolg. Teheran kann einen „großen Sieg“ feiern lassen, weil im Orient der Anschein (von Mut) mehr gilt als die Realität und Israel sieht es nur als eine Etappe in der Vorwärtsverteidigung gegen seine Feinde.
Der Nahe Osten ist die große Arena der Hasardeure, die mit dem Feuer spielen, dem Ritual der Vergeltung der Vergeltung der Vergeltung, bis ihnen das Drehbuch aus der Hand gleitet. Israel hatte auf dem iranischen Botschaftsgelände in Damaskus zwei Generäle bombardiert, die von dort die libanesische Hisbollah gegen Israel dirigierten. Daraufhin wagte das iranische Regime erstmals seit der Machtergreifung vor 45 Jahren den direkten Angriff auf Israel (und seine arabischen Mitbewohner!).
Das bringt Israel in den selbst auferlegten Zugzwang, den Iran anzugreifen. Zwei Möglichkeiten: Vergeltung gegen die iranischen Abschussbasen oder gegen das Regime als solches. Kein Zweifel: Israels Führung muss es in den Fingern jucken, dem Erzfeind einen Todesstoß zu versetzen noch bevor er in den Besitz von Atomwaffen gelangt ist.
Doch US-Präsident Joe Biden hat dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu öffentlich signalisiert, dass es dafür keine Unterstützung durch die USA gibt. Zumal Teheran zuvor Washington wissen ließ, dass es sich um eine „begrenzte Aktion“ handelt und US-Militäreinrichtungen in diesem geopolitischen Raum unberührt blieben, wenn die USA nicht eingriffen. Irgendwie müssen die iranischen Revolutionsgeneräle auch geahnt haben, dass ihre Waffen nur unzureichend funktionieren.
Israel, so Biden, möge sich mit dem Abschuss des Drohnengeschwaders durch USA, Briten und arabischen Partner (außerhalb Israels!) zufrieden geben. Nie zuvor wurde die Schwäche der iranischen Waffensysteme deutlicher bewiesen.
Israel wird aber nicht den Iran entscheiden lassen, wann genug genug ist. Das Mullah-Regime hat die 45 Jahre überlebt, weil es das Spiel mit dem Feuer trieb, ohne sich selbst zu verbrennen. Teheran ist die Spinne im Netz, die den Nahen und Mittleren Osten über Jahrzehnte zu dem Weltkrisenherd gemacht hat.
Die Mullahs vermieden in ihrem Machtinstinkt virtuos, selbst Kriegsfolgen tragen zu müssen. Sie ließen Stellvertreter Krieg führen: Hamas, Hisbollah, Huthis.
Nun ist die direkte Konfrontation da. Ist dem Mullah-Regime bewusst, dass es sein Ende bedeuten kann, falls es sich verkalkuliert hat? Es hat das Volk – außer die üblichen Schreier – schon die längste Zeit nicht mehr hinter sich. Alles Geld floss an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen vorbei in die Rüstung.
Das Regime hat über 25 Jahre lang bewiesen, dass es reformunfähig ist. Es brachte den Israel-Hass in die iranische Gesellschaft, (den es vorher kaum gab), um in der großen arabisch-sunnitischen Welt Einfluss zu gewinnen, ja die Führung zu übernehmen.
Bei meinen Aufenthalten im Iran haben ich von den Menschen, (die nichts anderes kennen, als dieses Regime), immer wieder gehört, dass sie mit dem palästinensisch-israelischen Konflikt nichts zu tun haben wollen. Das sollte nicht überhört werden, wenn es um militärische Vergeltungsvergeltung gegen das Mullah-Regime geht.
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