Jede fünfte Familie in Österreich besteht nur aus einem Elternteil und dem Nachwuchs. Vor allem Frauen sind von dieser Situation betroffen und stehen damit vor großen Herausforderungen. Einige Mütter müssen ihre Erwerbstätigkeit sogar aufgeben, weil es keine ausreichende Kinderbetreuung gibt.
„Ich bin wirklich meistens alleine mit meiner Kleinen und jongliere zwischen Arbeit, Haushalt und dem alltäglichen Leben und Dinge, die man zu erledigen hat. Ich habe keine Zeit, um mit Ihnen über meine Situation zu reden.“ Die erste Presseanfrage an eine Alleinerziehende bringt die Situation der Mütter schon auf den Punkt: Sie haben keine Kapazitäten, um auf sich und ihre Probleme aufmerksam zu machen. Dabei zählte die Österreichische Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) im Vorjahr 167.900 Ein-Eltern-Familien. Davon sind auch 22.100 alleinerziehende Väter sind davon betroffen.
Vor allem die Kinderbetreuung im ländlichen Raum macht es für Mütter schwer, neben der Erziehung auch erwerbstätig zu sein. „Hier in Oberösterreich gibt es zwar Angebote. Aber die kosten viel Geld und sind nicht immer gut“, erklärt Maria S. Ihren wahren Namen will sie nicht in der „Krone“ lesen. „Seit ich mich vom Vater meiner Tochter getrennt habe, reden die Leute viel. Mir ist aber dennoch wichtig, dass ich über die Situation von Alleinerziehenden spreche.“ Auf ihre Eltern kann die 35-Jährige nicht zurückgreifen. Sie arbeiten selbst und können nicht spontan einspringen. „Was bleibt mir anderes übrig, als zu Hause zu bleiben, wenn mein Kind krank ist oder einfach nicht in den Kindergarten gehen will?!“
Wohngemeinschaft als Lösung für Alleinerziehende
Ein großer Wunsch der Mutter: „Mehr Zusammenhalt unter Frauen. Ich würde gerne in einer Wohngemeinschaft leben. Denn ich brauche auch außerhalb der Kindergarten-Zeiten Unterstützung.“ Ab Juni muss die Oberösterreicherin dem Arbeitsmarkt Service mit 20 Stunden zur Verfügung stehen. Wenn sie das nicht bewerkstelligen kann, fällt sie in die Notstand-Regelung. „Solange mein Kind nicht in der Schule ist, kann ich das leider nicht garantieren. Und bis dahin dauert es noch zwei Jahre“, so die Alleinerziehende. Der Kindsvater kümmert sich jedes zweite Wochenende um die Fünfjährige, aber den Rest der Zeit ist Maria S. auf sich alleine gestellt.
Ähnliche Situation, anderes Bundesland: Tamara Anna Zuchna lebt mit ihrem 2,5-jährigen Sohn in Salzburg. Bereits während der Schwangerschaft entschied sich der Vater gegen die Familie. „Ich habe mich bewusst entschieden, es alleine durchzuziehen, auch wenn mir die Konsequenzen nicht im vollen Umfang bewusst waren“, resümiert die 30-Jährige.
Die größte Herausforderung für die Alleinerziehende sind die Sorgen und Ängste, die sie alleine tragen muss und nicht mit einem Partner teilen kann. „Auch wenn ich ein perfektes soziales Netz und emotionalen Support habe – im Endeffekt habe ich die alleinige Obsorge und treffe alle Erziehungsentscheidungen alleine.“
Keine Förderung wegen hoher Mieter
Auch bei den Finanzen ist die Salzburgerin auf sich gestellt. „Ich habe mich umfangreich bei Sozialarbeiterinnen im Vorfeld erkundigt: Für Wohnbeihilfe haben wir uns nicht qualifiziert, weil unsere Wohnung zu teuer war.“ Ein Problem, das viele in Salzburg kennen.
Große Stützen im Leben von Tamara Anna Zuchna und dem kleinen Levi Taio sind die Großeltern und der Onkel. „Sie holen ihn von der Krabbelstube ab, wenn ich gerade mein Pflege-Studium mache.“
Die Alleinerziehend hat mittlerweile gelernt, Hilfe anzunehmen. „Es tut gut, wenn mir Freunde motivierende Nachrichten schicken und sich mit mir treffen, wenn es die Zeit erlaubt.“ Trotz all dieser Herausforderungen bleibt die Salzburgerin voller Hoffnung. „Mein Sohn und ich sind ein starkes Team, wir entdecken die Welt zusammen und werden eine schöne Zukunft gemeinsam haben.“
Mehr als 22.00 Solo-Papas aktiv
Trennung von der Kindesmutter, ein Schicksalsschlag oder andere Gründe: In der Alpenrepublik sind laut der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) auch 22.100 Väter für ihre Familie alleine verantwortlich. „Diese alleinerziehenden Papas haben dieselben Schwierigkeiten wie Mütter“, betont ÖPA-Geschäftsführerin Doris Pettighofer im Gespräch mit der „Krone“ – und weiter: „Die Existenzsicherung steht an oberster Stelle, damit die Kinder auch die gleichen Chancen im Leben haben, wie Kinder aus allen anderen Familien.“
Die ÖPA ist oft die erste Anlaufstelle für Väter oder Mütter, die vor der großen Hürde des „Alleine-alles Stemmen-müssen“ stehen. Pettighofer: „Wir leiten die Hilfesuchenden dann an unsere 25 Organisationen weiter, wo ihnen geholfen werden kann.“ Überdies ist die ÖPA auch in Reformgruppen für neue Familiengesetze dabei.
Die Geschichten von Maria S. und Tamara Anna Zuchna werfen ein Schlaglicht auf die vielfältigen Schwierigkeiten, mit denen aAlleinerziehende in Österreich konfrontiert sind. Sie stehen exemplarisch für Tausende Frauen und Männer, die tagtäglich zwischen Kindererziehung, Berufstätigkeit und persönlichen Bedürfnissen jonglieren müssen. Trotz der immensen Belastungen und der oft fehlenden Unterstützung aus der Gesellschaft, zeigen diese starken Frauen eine bewundernswerte Resilienz. Dennoch muss die Politik einschreiten und den Betroffenen helfen.
Oft sind die Herausforderungen, denen sich Alleinerziehende in Österreich stellen müsse unsichtbaren. Finanzielle Engpässe, das Fehlen ausreichender Kinderbetreuung und die ständige Balance zwischen Beruf und Privatleben. Katharina Hofer-Schillen unterstützt arbeitende Frauen und Mütter sowie für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Interview beleuchtet sie, wie wichtig die Unterstützung durch Familie, Freunde und Arbeitgeber ist und welche praktischen Tipps helfen können, den Alltag besser zu bewältigen.
Krone: Vor welchen Problemen stehen Alleinerziehende am häufigsten?
Katharina Hofer-Schillen: Diese Probleme können von Alleinerziehenden individuell und in unterschiedlichem Ausmaß erlebt werden, abhängig von ihrer persönlichen Situation und den vorhandenen Ressourcen. Wie viel Unterstützung seitens der Familie da ist, der Freunde und des Arbeitgebers.
Punktuell gesehen ist da die finanzielle Belastung, wenn die Unterhaltszahlungen ausbleiben oder nur begrenzte berufliche Möglichkeiten aufgrund von fehlender Kinderbetreuung. Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele ein Wunschdenken. Alleinerziehende jonglieren jeden Tag, um die Zeit für die Kinder zu finden, Zeit für sich selbst bleibt hier kaum. Dies wiederum führt zu Stressbelastung und Erschöpfung, wenn keine Kraft getankt werden kann. Die Priorisierung der Bedürfnisse ihrer Kinder lässt kaum Raum für die eigenen Bedürfnisse.
Fehlt die Unterstützung seitens der Familie und dem sozialen Umfeld, fühlt man sich einsam und allein- für alles verantwortlich, der selbstauferlegte Druck wie Perfektionismus, es allen gerecht machen zu wollen, fehlende Anerkennung. Isolation ist die Folge. Das Thema Schule ist eine sehr große Herausforderung. Kein Geld für Nachhilfe, keine Zeit für die Kontrolle von Schulaufgaben oder auch das Verständnis darum. Das ist nicht mehr zu schaffen oder nur dann, wenn beide Elternteile mitwirken.
Wie kann man sie unterstützen?
Ganz wichtig ist natürlich ein unterstützendes Umfeld, Vertrauenspersonen, denen man sich öffnen kann. Darauf achten, wer und was sind meine Energieräuber. Was stresst mich jeden Tag? Diese noch so kleinen Dinge aufschreiben und überlegen, wie ich diese Stressparameter reduzieren, bestenfalls eliminieren kann. Von Menschen Abstand nehmen, die einem nicht guttun. Ein hilfreiches Netzwerk bewusst aufbauen. Wo finde ich Mütter, die gleich betroffen sind, welche Menschen geben mir Energie und Kraft – sind positiv. Wer könnte meinen Kindern in der Schule helfen. Auch bei der Kinderbetreuung ist es wichtig, die Familie und Freunde miteinzubeziehen. Nicht nur die Oma. Es gibt auch den Patenonkel, die Tante, die Geschwister, die Tochter der besten Freundin, die Nachbarin etc. Das Vertrauen muss da sein. Dann fühlt es sich auch gut an, wenn das Kind dort untergebracht ist.
Welche Phrasen empfehlen Sie, um Hilfe anzubieten. Man will ja niemandem zu nahe kommen.
Ich höre immer wieder den Satz: „Ich würde ja gerne Dinge tun, die mir Freude bereiten, aber die Zeit dazu habe ich nicht.“ Meine Antwort ist: „Es ist nicht die Zeit, die uns fehlt, sondern die Zeit, die wir haben, nutzen wir falsch.“ Genauer betrachtet verbringen wir Stunden in sozialen Netzwerken oder zappend vor dem Fernsehen. Von dieser oft sinnlosen Zeitverschwendung etwas abzwacken und Qualitätszeit daraus machen. Ein Spaziergang machen, eine Freundin treffen, eine Badewanne genießen. Den Perfektionismus über Bord werfen und sich den positiven Egoisten ins Haus holen. Beispielsweise die Sonne auf dem Balkon genießen, anstatt aufzuräumen. Es passiert nichts, wenn das erst am nächsten Tag passiert.
Es ist nicht die Zeit, die uns fehlt, sondern die Zeit, die wir haben, nutzen wir falsch.
Katharina Hofer-Schillen
Welche Unterstützung erwarten Sie vom Staat?
Die Betreuungsmöglichkeiten auf dem Land und in der Stadt sind unterschiedlich. Der Staat sollte im Rahmen der Möglichkeiten dazu beitragen, die Lebensbedingungen von Alleinerziehenden zu verbessern und ihre Chancen auf ein stabiles und erfülltes Leben für sich und ihre Kinder zu erhöhen. Bezahlbare Kinderbetreuung, ausreichend Kinderbetreuungsplätze, Ausbau von Kindertagesstätten oder Betreuungseinrichtungen fördern… Bezahlbarer Wohnraum und Unterstützung bei der Wohnungssuche, kostenlose oder kostengünstige Rechtsberatung anbieten. Aber da spreche ich nichts neues an. Seit Ewigkeiten wird darüber debattiert. Vieles ist vorhanden, nur die Informationen dazu finden auf ganz unterschiedlichen Kanälen statt. An wen kann ich mich rund um das Thema Alleinerziehende wenden.
Wie können Arbeitgeber reagieren?
Sind attraktive familienfreundliche Rahmenbedingen geschaffen, ist der Alltag wesentlich einfacher zu bewältigen. Gemeint ist die Flexibilität betreffend die Arbeitszeiten, Möglichkeiten von Home-Office, Serviceleistungen für Familien, sprich: Vergünstigungen, Zuschuss für Ferienbetreuung/Nachhilfe, gesundheitsfördernde Maßnahmen im Speziellen für Mütter. Als lizenzierte Auditorin berufundfamilie unterstütze ich Unternehmen dabei, eine familienfreundliche Gesamtstrategie zu erarbeiten, Maßnahmen zu entwickeln zur besseren Bewältigung des Alltags und somit in logischer Konsequenz auch ein großer Mehrwert für das Unternehmen. Als attraktiver und unterstützender Arbeitgeber sichtbar zu sein und so wahrgenommen zu werden, zeichnet sich eine sehr positive Entwicklung ab.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.