Es ist noch nicht so lange her, da hat sein Name sogar in England und Schottland medial die Runde gemacht, auch ins ÖFB-Team ist er dank seiner starken Leistungen beim LASK einberufen worden. Doch nach einigen Blessuren, einem Trainerwechsel und ob einer Generalüberholung beim LASK hat er einen Neuanfang gewagt und in Polen beim zweifachen Meister ŁKS Łódź angeheuert. krone.at hat Husein Balić in Polen besucht und ist mit einem launigen zweiteiligen Interview mit dem 28-Jährigen zurückgekehrt – hier finden Sie Teil 1, Teil 2 folgt morgen …
krone.at: Białystok statt Wien, Chorzów statt Klagenfurt oder Łódź statt Linz – Polen ist wohl kein typisches Ziel für einen Austro-Fußballer. Was sind Deine Beweggründe gewesen, Österreich hinter sich zu lassen und in Polen anzuheuern?
Husein Balić: Jeder Fußballer muss irgendwann einmal in seiner Karriere schwierige Entscheidungen treffen. Und nachdem beim LASK einige Dinge passiert sind, habe ich mich im Winter entschieden, den Verein zu verlassen, einen Neuanfang zu wagen. Hauptbeweggrund für Polen war, dass ich unbedingt in Europa bleiben, nichts überaus Exotisches machen wollte ...
krone.at: Hätte es konkrete Möglichkeiten gegeben für etwas Exotisches?
Balić: Ja, es waren schon die typischen Länder dabei (lacht) … Aber ich wollte meine Karriere nicht mit 28 Jahren mit so einem Schritt beenden. Man weiß ja leider nie, was dann dort passiert, ob es danach noch einmal weitergeht oder ob das die letzte Station ist. Deswegen wollte ich noch einmal eine europäische Liga wagen, die schon auch einen guten Stellenwert hat – aber wo ich weg bin von allem, was passiert ist, und weg bin vom ganzen „Theater“ der Vergangenheit.
krone.at: Ich vermute, dass nicht viele österreichischen Fußball-Fans wissen, wo Łódź liegt – und dass noch weniger wissen, dass es den ŁKS Łódź überhaupt gibt. Hand aufs Herz: Hast Du den Klub vorab gekannt?
Balić: Ehrlich gesagt, nein. Die riesengroßen Vereine wie Legia Warschau oder Pogoń Szczecin, die kennt man natürlich … (überlegt) Łódź ist eine sehr sympathische Stadt, im Herzen von Polen, ich fühle mich sehr wohl hier, auch meine Familie fühlt sich sehr wohl. Es hat von den ersten Gesprächen an, abgesehen von der Tabellensituation damals wie heute, super gepasst. Ich hatte einfach ein gutes Gefühl.
krone.at: Wie ist es zu dem Wechsel gekommen? Was hat Dich dazu gebracht, das Abenteuer Polen zu wagen?
Balić: Konkret ist es so abgelaufen, dass erst der Kontakt mit dem Verein hergestellt wurde und mich dann der Sportdirektor von ŁKS Łódź sowie der Berater, der das Ganze eingefädelt hat, angerufen haben. Ein weiterer Ansprechpartner war dann Adi Mehremić, mit dem ich einmal in St. Pölten gespielt habe, und der auch in Polen bei Wisła Krakau gespielt hat. Und natürlich Efthymios Koulouris, mit dem ich schon beim LASK sehr guten Kontakt gepflegt habe. Beide haben sofort geschwärmt von Polen, auch von der Liga und der Qualität der Liga. Als Österreicher hat man ja immer, wie soll ich sagen, ein bisschen ein vorurteilsbehaftetes Denken gegenüber den Oststaaten – aber es ist hier sehr ähnlich zu Österreich. Das kann ich ganz ehrlich sagen.
krone.at: Du bist nicht der einzige Österreicher, der in Polen spielt, allein in der Ekstraklasa sind drei weitere unserer Landsleute aktiv. Hast Du Dich bei einem von ihnen vorab über die Liga oder den Klub erkundigt? Etwa bei Deinem früheren St.-Pölten-Kollegen David Stec, der aktuell in der 2. Liga engagiert ist?
Balić: Nein, mit David habe ich erst nach meinem Wechsel Kontakt gehabt. Er hat mir die schönsten Städte Polens aufgezählt und die schönsten Orte, wo ich unbedingt einmal mit der Familie hinschauen muss. Ich bin sehr dankbar für diese Infos. Es ist natürlich immer schön, wenn du jemanden hast, mit dem du darüber sprechen kannst, der solche Situationen schon einmal erlebt oder der in den Ländern schon einmal gespielt hat.
krone.at: Als Du im Jänner zum LKS Łódź gestoßen bist, hat Dein neuer Klub nur den letzten Platz eingenommen, neun Punkte haben auf einen Nichtabstiegsplatz gefehlt. Stand jetzt schaut die Situation für euch zahlenmäßig kaum besser aus. Hast Du Dich hier auf eine „Mission Impossible“ eingelassen?
Balić: Im Fußball ist alles möglich. Sicher hat man sich am Anfang große Hoffnungen gemacht, dass man vielleicht den Turnaround sofort schaffen könnte. Aber „Mission Impossible“? Natürlich wird es schwer, aber wie sagt man immer: „So lange es rechnerisch möglich ist, ist es auch fußballerisch möglich.“ Vor allem, wenn man sich die letzten Spiele von uns anschaut, die alle richtig stark waren – bis auf das gegen Jagiellonia Białystok, wo wir weggefegt worden sind …
krone.at: Ich glaube, da hat’s ein halbes Dutzend Tore gesetzt ...
Balić: Ja, genau. Mit einer Roten Karte in der 20. Minute und dann noch gegen den Tabellenführer – da merkst du halt schon den Qualitätsunterschied, so ehrlich muss man sein. Aber wir haben auch gegen andere Gegner gespielt, die in der oberen Tabellenhälfte sind – wo wir ein starkes Gesicht gezeigt haben, aber vielleicht in manchen Situationen nicht das Glück hatten.
krone.at: Abgesehen vom Kluberfolg oder -misserfolg: Wie geht es Dir hier in Łódź persönlich?
Balić: Sportlich gesehen bin ich natürlich sehr zufrieden. Ich komme zu meinen Einsätzen und spiele meine Spiele, was für mich nach den letzten eineinhalb Jahren beim LASK sehr wichtig war, auch für mein Selbstvertrauen. Aber auch meiner Familie geht es super, meinen Kindern und meiner Frau, die mit mir hergezogen sind. Das war ja auch ein Beweggrund, warum es dann doch ein europäisches Land geworden ist, weil mir extrem wichtig ist, dass sich meine Familie wohlfühlt, ihre gewohnten Abläufe hat. Wir fühlen uns alle richtig wohl hier, es ist eine sehr sympathische Stadt, die riesig viel Potenzial hat. Bis auf die Tabellensituation hätte ich gar keinen Grund zu meckern …
krone.at: Auch wenn Du erst wenige Monate hier in Polen bist: Wie schätzt Du das Niveau in der polnischen Liga ein?
Balić: Ich schätze das Niveau als sehr gut ein. Es ist so, wie „Koulo“ oder „Adi“ zu mir gesagt haben, dass jede Mannschaft jeden schlagen kann. Das macht die Liga extrem interessant. Aber natürlich: Wenn man Österreichs Topteams hernimmt, wie Red Bull Salzburg, LASK, Rapid oder Sturm, da geht es von der allgemeinen Intensität her im Spiel nochmal ganz anders zur Sache. Da zeigt sich auch, dass die österreichische Liga in Topspielen auf internationalem Niveau ist. Allgemein nehmen sich die Vereine aber fast nichts, da ist es egal, ob da jetzt der 16. oder 5. spielt. Es ist immer spannend und immer alles möglich.
krone.at: Was sind die größten Unterschiede zwischen dem Fußball in der Ekstraklasa und jenem in der Bundesliga?
Balić: Ich würde sagen, dass die Spiele anfangs oft sehr taktisch geprägt sind. Die Mannschaften sind vorsichtiger, tasten sich erst ins Match hinein – und meistens geht es dann erst in der 2. Halbzeit richtig zur Sache. Da geht es hin und her und da ist auch meistens der Spielstand egal: Auch wenn eine Mannschaft führt, die attackiert weiter. Was man noch erwähnen muss, sind die Fans, weil die wirklich hier 90 Minuten extrem Gas geben. Ich war zwar einiges gewohnt aus Linz, aber das gibt’s bei anderen Vereinen in Österreich nicht so. Und das mit einem Schnitt von 9000/10.000 Fans pro Spiel hier bei Łódź ...
krone.at: Rund 9500 – und das trotz der schlechten Tabellensituation …
Balić: Genau! Das ist aber egal, auch bei unseren Auswärtsspielen. Wenn man denkt: Okay, der Verein ist vielleicht jetzt nicht so bekannt – und trotzdem sind 10000 Zuschauer im Stadion, wo die ganze Zeit Stimmung gemacht wird. Das hat mich schon richtig positiv überrascht. Natürlich haben mir das „Koulo“ und „Adi“ vorab gesagt, aber es ist etwas ganz anderes, wenn du das dann selbst erlebst.
krone.at: Wenn wir von diesen 9500 Zuschauern im Schnitt hier im Stadion von LKS Łódź sprechen, ist die Stimmung trotz der Tabellensituation noch immer größtenteils positiv oder wird da auch Frust abgebaut?
Balić: Als wir das Derby zu Hause verloren haben, …
krone.at: Gegen Widzew Łódź …
Balić: … das war natürlich nicht positiv! Aber da waren die Fans natürlich zu Recht sauer, weil wir gute Phasen hatten im Spiel, uns einfach nicht belohnt haben. Natürlich geht das dann in die andere Richtung. Aber dann folgt ein neues Spiel und die Fans sind wieder positiv gestimmt – das ist schon positiv. Das hat mich schon überrascht …
krone.at: Lass uns eine kleine Zeitreise machen: Ende 2020 hat Dein Name in England und Schottland medial groß die Runde gemacht, wenn’s nach BBC und Co. gegangen wäre, hättest Du bei Southampton, Brentford oder Celtic Glasgow landen müssen. Wieso ist es nicht dazu gekommen?
Balić: Das ist schwierig zu sagen. Zunächst ist es ein riesengroßer Unterschied zwischen medialen Erwähnungen und einem konkreten Angebot, das dem Verein vorliegt ...
krone.at: Hat es welche gegeben?
Balić: Das musst Du die Verantwortlichen in dem Verein von damals fragen … (lacht) Ich hatte nichts am Tisch. Deshalb habe ich es auch damals nicht an die große Glocke gehängt, weil zwischen Telefonaten und einem schriftlichen Angebot sind immer Welten im Fußball.
krone.at: Die BBC ist halt nicht das unseriöseste Medium, könnte man sagen …
Balić: Deshalb sage ich ja: Telefonate hat es gegeben. Aber woher es die gewusst haben, das weiß ich nicht. Zu mir ist immer gesagt worden: „Das ist alles streng geheim!“ Aber das ist halt der Fußball.
krone.at: Denkst Du manchmal daran, was hätte sein können, wenn damals das eine oder andere anders verlaufen wäre?
Balić: Um ehrlich zu sein, mittlerweile gar nicht mehr. Vielleicht damals, in den Momenten danach schon, aber jetzt schon seit ein paar Jahren gar nicht mehr. Für mich zählt jetzt nur mehr, meiner Karriere neuen Schwung zu verpassen.
krone.at: Als großen Pluspunkt haben die Briten einst Dein Tempo hervorgehoben – wie schaut’s rund drei Jahre später mit Deinen Sprint-Qualitäten aus? Sind die 2,75 Sekunden für die 20 Meter und die 39 km/h Höchsttempo noch aktuell?
Balić: (lacht) Ich weiß gar nicht, ob das 100-prozentig gestimmt hat mit diesen 39 km/h ... Aber ich bin auch hier schon dafür bekannt, dass ich schnell bin … (lacht) Ob die Zeiten noch so sind, müssten wir vielleicht einmal messen.
Teil 2 des ausführlichen Interviews mit Husein Balić gibt‘s am Mittwoch!
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