Białystok statt Wien, Chorzów statt Klagenfurt oder Łódź statt Linz – Husein Balić hat mit 28 Jahren Österreich verlassen und in Polen einen fußballerischen Neuanfang gewagt. Und wie es der Zufall so will, treffen bei der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Sommer ausgerechnet Österreich und Polen aufeinander. Wie er die Chancen-Verteilung bei diesem Duell einschätzt, wie die Polen ihre Chancen gegen Ralf Rangnicks Team einschätzen und wie er die Generalüberholung beim LASK einschätzt, das können Sie HIER nachlesen!
krone.at: Wo könnte Husein Balić in Sachen Karriere stehen, wenn er nicht immer wieder von Verletzungen und Blessuren heimgesucht worden wäre?
Husein Balić: Schwer zu sagen. Natürlich war es damals in Linz richtig bitter, dass ich, als Didi Kühbauer zum Verein gestoßen ist, erst mal ohne Vorbereitung in die Saison gestartet bin, weil ich da schon verletzt war. Und man sagt ja immer, dass es ohne Vorbereitung richtig schwer für einen Fußballer wird, weil man nicht richtig in diesen Rhythmus kommt. Dann probierst du, in den Rhythmus zu kommen und prompt kommt die nächste Blessur, wieder eine Muskelverletzung. Es sind zwar immer nur „kleinere“ Muskelverletzungen, aber trotzdem ist man dann jedes Mal drei bis vier Wochen out. Da reichen zwei, drei Verletzungen aus – und schon ist die Saison vorüber, weil man nie in Form kommt. Und jeder, der mich kennt, weiß, dass, wenn ich Fußball spiele, ich immer Vollgas-Fußball spiele. Und für Vollgas-Fußball muss man auch voll fit sein.
krone.at: Lass uns noch auf Deinen Ex-Klub eingehen: Was bei einem Blick auf Deine LASK-Bilanz auffällt, ist, dass Du bei den Trainern Valérien Ismaël, Dominik Thalhammer und Andreas Wieland stets zu ordentlichen Einsatzzeiten gekommen bist, Didi Kühbauer ab Sommer 2022 aber kaum mehr auf Dich gesetzt hat. Woran hat das gelegen?
Balić: Es wird natürlich ein riesengroßer Grund gewesen sein, dass diese Wehwehchen und Verletzungen immer wieder aufgetaucht sind. Es ist halt schwierig, in einen gesunden Konkurrenzkampf mit deinen Mitspielern zu kommen, wenn du nie richtig performen kannst. Man kommt nie richtig in Tritt, man kommt nicht in diesen Flow, um sich am Ende für eine Stammposition durchsetzen zu können.
krone.at: Grundsätzlich steht ja Didi Kühbauer als Trainer auch ein bisschen für einen anderen Fußball, als er zuvor unter einem Valérien Ismaël oder unter einem Dominik Thalhammer gespielt wurde.
Balić: Ja, Didi Kühbauer hat ganz andere Ideen hineingebracht, eben diesen Ballbesitzfußball, wo man ehrlicherweise sagen kann, dass der LASK damit richtig erfolgreich gewesen ist. Natürlich könnte man auch sagen: ‚Okay, Keito Nakamura hat auf meiner Position gespielt und der Junge war unglaublich in diesem Jahr!‘ Aber es hätte zwei Flügelpositionen gegeben. Und ja, deshalb habe ich auch den gesunden Konkurrenzkampf angesprochen, ich komme immer wieder darauf zurück. Es ist einfach schwierig, wenn man ohne Vorbereitung hineinstartet: Die Mannschaft kommt in einen Flow, selber trainiert man vier Wochen und dann ist man wieder drei Wochen out, das ist ein Teufelskreis, aus dem du einfach nicht mehr rauskommst.
krone.at: Zeitweise ist es ordentlich gewesen, was der LASK im Herbst geboten hat, inzwischen steck man aber vor allem offensiv in einer Krise. Hat man Dich vielleicht doch zu früh weggeschickt? Ich will jetzt keine Abrechnung von Dir, aber …
Balić: (lacht) Nein, nein. Die wird es auch nicht geben ...
krone.at: Die Rückkehr zum alten Spielstil hätte Dir ja durchaus entgegenkommen können …
Balić: Die ist mir natürlich entgegengekommen, das war auch der Grund dafür, warum mein LASK-Abenteuer nicht schon im Sommer geendet hat. Weil ich einfach eine richtig starke Vorbereitung hingelegt habe und der Trainer extrem zufrieden mit mir war. Mit diesem „alten“ LASK-Stil hat es wieder gepasst. Im Endeffekt sind es aber erst wieder nur Kurzeinsätze geworden – und im Dezember ist es für mich klar gewesen, dass jetzt endlich Schluss sein muss. Und auch wenn es nur Kurzeinsätze gegeben hat, immerhin ist da auch ein Tor gegen Rapid dabei gewesen. Das war für mich persönlich in dieser Phase extrem wichtig, weil es das Signal an mich war, dass ich es kann und nicht wegen eines schlechten Jahrs das Fußballspielen verlernt habe.
krone.at: Grundsätzlich höre ich da schon heraus, dass Du über den LASK nicht viel kommen lässt. Seid ihr im Reinen?
Balić: Ich hatte ein ehrliches Gespräch mit allen Verantwortlichen – und nach diesem Gespräch war es für mich klar, dass ich den Verein verlassen kann, dass ich den Verein verlassen darf. Ob man mit der Vorgeschichte, die bei mir passiert ist, dann wirklich 100-prozentig im Reinen sein wird, kann man eh nicht sagen. Vielleicht habe ich jemanden etwas Böses getan, keine Ahnung, wie die Verantwortlichen über mich denken. Aber wie gesagt, für mich war dieses Gespräch im Winter wichtig und richtungsweisend. Da wussten wir alle, wohin die Reise geht und so war das für mich erledigt.
krone.at: Abgesehen von Dir: Altgediente Spieler haben beim LASK zuletzt rapid an Bedeutung verloren, mancher ist inzwischen gar nicht mehr dabei. Ich denke da an Spieler wie Peter Michorl, Thomas Goiginger oder Marvin Potzmann; Felix Luckeneder wird den Klub zudem im Sommer verlassen. Wie siehst Du diese Generalüberholung des LASK?
Balić: Ich finde, dass jeder Verein einmal durch diese Phase gehen muss, wo man auf neue Spieler setzt. Wichtig ist aber, dass die Identität bestehen bleibt – und natürlich ist es für Fans immer schwierig, wenn Identifikationsfiguren so behandelt werden. Peter Michorl ist ein ganz schwieriges Thema, wie ich finde, ein unglaublich guter Spieler. Ich finde, er würde dem LASK auch jetzt guttun. Es ist natürlich bitter, wenn es mit Petzi dann so eine Vereinsikone trifft, oder mit dem Goigi oder dem Lucki, die viel für den Verein geleistet haben. Das ist schon schade, weil wir den LASK in den vergangenen Jahren getragen haben, bei großen internationalen Erfolgen dabei gewesen sind. Aber das ist von der Vereinsführung so entschieden worden – dem ist nichts mehr hinzuzufügen, das ist der Fußball. Leider ...
krone.at: Ein Länderspiel für Österreich hast Du in Deiner Vitae stehen, am 11. November 2020 hat Dich der damalige Teamchef Franco Foda gegen Luxemburg eingetauscht. Wird man Husein Balić noch einmal im Nationalteam sehen können?
Balić: (lacht) Schwierige Frage … (überlegt) … Natürlich ist man immer selbst dafür verantwortlich, man muss gute Leistungen bringen. Und gute Leistungen werden dann vielleicht honoriert – oder auch nicht. Aber ich konzentriere mich da gar nicht so richtig auf dieses Thema. Natürlich war es damals ein Traum von mir, so wie es auch heute noch einer ist. Ich bin riesig stolz, dass ich dieses eine Länderspiel erreicht habe … (lacht) Wer weiß, was in Zukunft passiert – Fußball ist einfach unberechenbar, im Fußball ist alles möglich. Vielleicht ja, vielleicht nein ...
krone.at: Also würdest Du nicht „nein“ sagen, falls Dich Teamchef Ralf Rangnick einmal anrufen sollte?
Balić: Nein, auf keinen Fall … (lacht)
krone.at: Apropos Nationalteam: Wie es der Zufall so will, wird Österreich bei der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Sommer auf Polen treffen – also das Land, in dem Du sowohl lebst als auch arbeitest ...
Balić: Ich glaube, in der Gruppe wird jedes Duell spannend … (lacht) Die Frage habe ich jedenfalls auch schon polnischen Reportern beantworten müssen, weil sich die Polen gegen Österreich Chancen ausrechnen. Umgekehrt aber wahrscheinlich genauso, weil Österreich Polen als leichteren Gegner in der Gruppe sieht.
krone.at: Auf dem Papier definitiv …
Balić: Auf dem Papier, genau … Natürlich muss man sagen, Österreich spielt schon richtig starken Fußball zurzeit und sie sind auch richtig im Flow… (überlegt kurz) Schwierig zu sagen ... Aber auch Polen hat von den Namen her natürlich eine starke Mannschaft. Ich traue mich da gar nichts zu sagen.
krone.at: Ein bisschen im Umbruch sind sie schon im Moment ...
Balić: Ja, stimmt schon! Vielleicht ist das ja auch gut für Österreich … (lacht) Aber wie gesagt, es ist so, dass sich die Polen gegen Österreich Chancen ausrechnen. Wobei ich schon glaube, dass Österreich in der momentanen Verfassung darübersteht.
krone.at: Bei den jüngsten Duellen in der EM-Qualifikation für 2021 hat Österreich ja nicht unbedingt die Favoritenrolle gegen Polen eingenommen. Wie würdest Du jetzt die öffentliche Meinung hier in Polen einschätzen?
Balić: Die öffentliche Meinung in Polen? Also ich kann nur von den Reportern sprechen, und die glauben, dass sich die Polen gegen Österreich gute Chancen ausrechnen können … (überlegt) Bei der jetzigen Form von Österreich würde ich diesen Fehler aber nicht begehen, Österreich ist zurzeit richtig stark unterwegs.
krone.at: Und generell in der Gruppe, inklusive Holland und Frankreich? Wie schätzt Du die Chance für Österreich da ein?
Balić: Natürlich ist Frankreich in dieser Gruppe der absolute Favorit. Aber ich glaube schon, dass Österreich in dieser Gruppe Zweiter werden kann. Natürlich, wenn man Holland hört, denkt man an überragende Einzelspieler. Aber wie gesagt, wir in Österreich sind mit diesem Kollektiv momentan einfach in einem Flow, auch dank der positiven Ergebnisse gegen große Nationen in jüngster Zeit. Meiner Meinung nach ist auch in dieser Gruppe schon einiges möglich. Wer weiß, vielleicht überraschen wir sogar Frankreich, man kann man ja nie wissen.
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