„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.
Als ich mich unlängst mit einem Bekannten am Wiener Gürtel traf, ging das Gespräch sofort in Richtung Wiener Linien. „Eine absolute Katastrophe. Jetzt fahren im Frühling und Sommer schon wieder die halben Straßenbahnen nicht und ich kann mir wieder auswürfeln, wie ich möglichst ohne große Umstände und Umwege in die Innenstadt komme.“ Der Grund für seinen Frust sind die aktuellen Baustellenbereiche für Umbauarbeiten und Neuverlegungen von Straßenbahngleisen. Dieses Mal trifft es eine nicht unwesentliche Bevölkerungsdichte im Westen Wiens. Laut der letzten Volkszählung haben die Bezirke Ottakring und Hernals zusammengerechnet knapp 160.000 Einwohner, was den 16. und den 17. „Hieb“ schlagartig zur viertgrößten Stadt des Landes machen würde.
Die strategisch hinterfragenswerte Planung der Stadtregierung stoppt mit der Linie 43 und der Linie 44 gleich beide Straßenbahnen, die Ottakring und Hernals mit der Wiener Innenstadt verbinden – und das bis zumindest Anfang September. Die Linie 44 wird komplett eingestellt und nur partiell von der Linie 33 ersetzt, die Linie 43 wird kurz geführt und fährt nur mehr zwischen Neuwaldegg und der Alser Straße. Erste Online-Grafiken seitens der Wiener Linien überraschten vor wenigen Wochen mit einer etwas eigenwilligen Auslegung von Ausweichmöglichkeiten. So wurde unter anderem empfohlen, dass man von der Alser Straße aus mitunter auf die U3 ausweichen könnte. Nur weiß jeder, der länger als einen sommerlichen Touristenbesuch in Wien verbrachte, dass die U3 von der Alser Straße gefühlt so weit entfernt ist wie Schönbrunn vom Lainzer Tiergarten.
Natürlich – Gleisbauarbeiten und Modernisierungsmaßnahmen sind unumgänglich. Es bleibt dennoch der schale Beigeschmack, dass man die Planung etwas geschickter hätte aufteilen und nicht zwei elementare Bezirke gleichzeitig von der Wiener Innenstadt abschneiden müssen. Eine betagte Dame aus meiner Hernalser Nachbarschaft zeigt sich wenig erbaut. „Sie sagen uns dauernd, wir sollen uns nicht ins Auto setzen und dann fahren die Öffentlichen wieder den ganzen Sommer nicht. Das ist ja nicht nur heuer ein Problem. Es ist mir seit Jahren ein Dorn im Auge.“ Während jüngere Semester sich zumindest aufs Rad schwingen oder zu Fuß gehen können, wird das für ältere Mitbürger komplizierter. „Wenn der Sommer wieder so heiß wird, dann quäle ich mich nicht zu Fuß von der Alser Straße zum Schottentor“, so die Dame. Schienenersatzbusse gibt es übrigens keine.
Dass die Wiener Linien auf ihren Kanälen und in Medien gebetsmühlenartig auf das Ausweichen auf anderen Linien verweisen, hilft meist nur den gesünderen Mitbürgern oder jenen, die es im Alltag nicht so stressig haben. Während die Wiener Linien beim Schmähführen und den Memes im Internet durchaus bissig-gelungenen Humor beweisen, hapert es in der Praxis noch immer an allen Ecken und Enden. Meinen Kumpel regt diese Vorgehensweise auf. „Bei jeder Kleinigkeit hauen sie auf Instagram einen Witz raus, aber wenn ich in der Rush Hour zehn Minuten im strömenden Regen auf eine Bim warten muss, wird das immer mit fadenscheinigen Ausreden abgetan.“ Fakt ist - im internationalen Vergleich funktionieren die Wiener Öffis in puncto Taktung und Zuverlässigkeit noch immer erstaunlich gut. Das sollte aber nicht dazu animieren, sich zusehends mit den Schlechteren zu messen …
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