Kiana Felder:

„Die ältere Generation sollte auf uns zugehen“

Vorarlberg
21.04.2024 13:55

Was treibt junge Menschen an, wie sehen sie die Welt? In seiner Reihe „Wir sind nicht so!“ sucht Robert Schneider das Gespräch mit Jugendlichen. Jüngst traf er Kiana Felder.

Ich treffe Kiana Felder im „Vorkoster“ in Lustenau. Dort wartet die 17-jährige Schülerin, die das BG-Lustenau besucht, bereits auf mich. „Sie wollen sicher zu der jungen Dame dort drüben“, spricht mich die Bedienung im breitesten Lustenauer Dialekt an. In dem Restaurant ist gerade nicht viel los, aber an der Aufmerksamkeit und Herzlichkeit spüre ich sofort, dass hier die Welt noch etwas Persönliches ausstrahlt. Die Dame, die uns bedient, hat etwas Direktes. Im Handumdrehen räumt sie den Tisch auf und sagt: „So, ihr Schätz! Damit du in Ruhe schreiben kannst.“ Man duzt sich hier wie selbstverständlich, aber das Duzen hat nichts Anbiederndes oder etwa Unverschämtes.

Robert Schneider: Kiana ist ein ungewöhnlicher Vorname. Wo kommt der her? 
Kiana Felder: Der Papa wollte eigentlich einen ganz normalen Namen für mich haben. Lisa oder so ähnlich. Das gefiel der Mama nicht, weil sie etwas ganz Besonderes wollte. Sie hat ewig lang im Internet nach Namen gesucht. Zwei oder drei Tage vor meiner Geburt stieß sie dann auf den hawaiianischen Mädchennamen Kiana.

Und das bedeutet? 
Kiana bedeutet: die Strahlende, Göttliche. Im Hawaiianischen bezeichnet der Name die vier Elemente: Feuer, Erde, Wasser, Luft.

Was arbeiten Ihre Eltern? 
Mein Papa ist Bankdirektor und meine Mama arbeitet in einem Kosmetikstudio in Lustenau.

Sind Sie ein Einzelkind? 
Nein, ich habe noch einen Bruder, aber der ist zehn Jahre älter als ich und arbeitet in der Schweiz.

Mögt ihr einander? 
Sogar sehr. Wir haben nie miteinander gestritten.

Wurden Sie streng erzogen oder eher locker? 
Es war immer eine Frage des Vertrauens. Wenn die Mama sagte, dass ich um zehn zuhause sein muss und ich mich daran gehalten habe, wuchs auch der Spielraum. Sie vertraut mir, weil ich das Vertrauen nicht enttäusche.

Ich sehe gerade, dass Sie am linken Arm ein kleines, unscheinbares Tattoo tragen. Was hat es damit auf sich? 
Das haben Papa, Mama und ich auf Hawaii stechen lassen. Jeder hat das gleiche Tattoo. Es symbolisiert die Wellen des Meeres. Das verbindet uns alle. Es ist eine ganz wunderbare Erinnerung.

Die Familie ist Ihnen sehr wichtig, wie ich sehe. Auch der Gegenstand, den Sie zum Interview mitgebracht haben, hat mit Ihrer Familie zu tun. 
Ja, das ist dieser Ring. Den habe ich zu meinem zehnten Geburtstag bekommen. Eigentlich wollte ich mir ein zweites Ohrloch stechen lassen, aber meine Mutter überredete mich zu diesem Ring. Seitdem bedeutet er sehr viel für mich. Kürzlich ging er kaputt. Ich musste ihn zur Reparatur bringen. Klingt jetzt komisch, aber ich habe mich richtig nackt ohne diesen Ring gefühlt.

Darf ich fragen, ob Sie schon einen Freund haben? 
Ich hatte schon mit zwölf meinen ersten Freund. Wir waren vier Jahre lang zusammen. Erst unlängst habe ich eine Freundschaft beendet. Wir beide haben sie eigentlich beendet.

Ohne diesen Ring, den Kiana zum zehnten Geburtstag bekommen hat, fühlt sich die Schülerin fast nackt. (Bild: Mathis Fotografie)
Ohne diesen Ring, den Kiana zum zehnten Geburtstag bekommen hat, fühlt sich die Schülerin fast nackt.

Sie sind also wieder Single. Was ist Ihnen bei einem Mann wichtig? 
Er muss gepflegt sein, freundlich, bei mir zuhause „Bitte“ und „Danke“ sagen, und ich möchte vor allem mit ihm reden und lachen können.

Sie strahlen ein großes Selbstvertrauen aus. Bestimmt wissen Sie schon, wo es nach der Matura hingehen soll. 
Ich möchte Chirurgin werden. Der Vater meiner besten Freundin ist Chirurg. Ich durfte da mal einen Ferialjob machen. War zwar nicht so interessant. OP-Saal putzen und so. Aber einmal durfte ich bei einer Operation zuschauen, und das fand ich total spannend.

Sie können also Blut sehen? 
Ja. Mir ist da nicht etwa schlecht geworden. Ich bin auch nicht umgefallen.

Stichwort digitale Medien. Sind Sie eine große TikTokerin? 
Nein. Ich bin lieber auf Snapchat oder Insta. TikTok mag ich deshalb nicht, weil es mich irgendwie runterzieht. Wenn ich z. B. nicht so gut drauf bin und zu viel TikTok schaue, dann kommen im Lauf der Zeit nur Videos, die mich noch trauriger machen.

Ein riesiger Trend ist schon seit längerer Zeit auf TikTok das so genannte „Manifestieren“. Man muss sich vom Universum nur etwas richtig wünschen, dann geht es auch in Erfüllung. Manifestieren Sie auch? 
Nein. Das halte ich für einen Blödsinn. Ich kenne den Trend. Das Einzige, woran ich glaube, ist das Schicksal. Ich bin selber nicht wirklich religiös, bin da in meiner Familie auch ganz frei aufgewachsen. Das, was mir wirklich Halt im Leben gibt, ist meine Familie.

Gibt es Influencer, die Sie gut finden, von denen Sie etwas lernen können? 
Ja, z. B. Crispy Rob. Der macht sehr viele YouTube-Videos übers Essen und Kochen. Der reist in irgendein Land und macht dann Kochvideos. Das sehe ich mir wirklich gerne an.

Zitat Icon

Ich bin selber nicht wirklich religiös, bin da in meiner Familie auch ganz frei aufgewachsen. Das, was mir wirklich Halt im Leben gibt, ist meine Familie.

Kiana Felder

Wird an Ihrer Schule gegendert? 
Ja, wir müssen gendern.

Wie finden Sie das? 
Ich finde es prinzipiell gut. Aber dass es mittlerweile angeblich schon 72 verschiedene Geschlechter gibt, geht mir einfach zu weit. Für mich gibt es Mädchen und Jungen. Mehr nicht. Die sexuelle Orientierung ist mir egal, ob jemand jetzt schwul oder lesbisch ist oder in einen Stuhl verliebt. Es bleiben einfach zwei Geschlechter. Mann und Frau eben.

Wenn Sie für einen Tag lang die „gute Macht“ in Händen hätten, was würden Sie heute noch sofort ändern? 
Zuerst einmal die Sperrstunde um zwei Uhr. Wir sind früher ja erst um ein Uhr in den „Sender“ gefahren. Nein, das geht gar nicht. Dann würde ich etwas gegen den Rassismus und die Tierquälerei auf dieser Welt unternehmen.

Was stört Sie an uns Alten? 
Die ältere Generation ist immer der Meinung, dass wir Jüngeren zu ihnen kommen müssen. Das finde ich nicht gut. Die ältere Generation sollte auch auf uns zugehen.

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