Prokrastination

„Aufschieberitis“: Das mach ich lieber morgen …

Gesünder leben
07.05.2024 06:00

Die „Aufschieberitis“ – Prokrastination im sperrigen Fachjargon – ist weit verbreitet, verursacht aber mehr Folgeprobleme, als wenn man unliebsame Tätigkeiten gleich erledigen würde. Wie Sie Aufgaben leichter bewältigen können und auch noch Spaß dabeihaben.

Darum kümmere ich mich morgen. Ich habe dafür erst am Wochenende Zeit. Heute bin ich zu müde. Das ist jetzt gerade eh nicht so wichtig.

Es geht wahrscheinlich vielen Menschen so, wenn sie etwas erledigen müssen, das sie so gar nicht freut, aber zum Problem wird das Aufschieben dann, wenn eine Frist naht, die Abgabe einer Arbeit in Kürze bevorsteht oder sogar schon Mahnungen ins Haus geflattert sind. „Prokrastinieren“ heißt der psychologische Fachbegriff für die „Aufschieberitis“, die immer mehr um sich greift, je höher, schneller und unüberschaubarer die täglichen Anforderungen werden.

Keine moderne Erscheinung
Aber ein neues Phänomen ist das nicht. Die klinische und Gesundheitspsychologin Mag. Christina M. Beran aus Wien hat für ihr Buch „Machbar. Gut gegen Aufschieben“ (siehe Kasten) recherchiert, dass schon der römische Kaiser Marc Aurel (121-180 n.Chr.) sich beklagte, beim Studium philosophischer Werke leicht ablenkbar zu sein. Er dankte seinen Mentoren daher dafür, dass sie ihn von „unnützen Beschäftigungen“ fernhielten, um sich besser auf das für ihn Wesentliche konzentrieren zu können.

Unterhaltsame Lebenshilfe

Die Psychologin Mag. Christina Beran aus Wien zeigt unterhaltsam und hilfreich auf, wie man den Weg aus der Prokrastination schaffen kann. Sie erklärt, was es wirklich braucht - abseits von To-Do-Listen -, um zielgerichtet arbeiten zu können. Dabei berichtet sie zwischendurch auch aus ihrem persönlichen Aufschiebe Alltag und räumt humorvoll mit Mythen auf.

„Machbar. Gut gegen Aufschieben.“ ist als Taschenbuch im Verlag Facultas/maudrich erschienen. ISBN 978-3-99002-153-8

So eine Hilfe könnten wohl viele von uns gebrauchen. Aber im Alltag der Erledigungen sind wir auf uns allein gestellt. Gut organisierte Mitbürger machen sich einen Plan, was alles in den kommenden Tagen und Wochen geschafft werden muss – das hält aber geübte Prokrastinierer auch nicht davon ab, den einen oder anderen Punkt auf die nächste Liste weiterzureichen.

Jede Ablenkung kommt gerade recht, wenn uns eine Tätigkeit nicht freut. Das schafft aber keine Erleichterung, sondern baut Stress auf. (Bild: Seventyfour/stock.adobe.com)
Jede Ablenkung kommt gerade recht, wenn uns eine Tätigkeit nicht freut. Das schafft aber keine Erleichterung, sondern baut Stress auf.

„Aus den Augen, aus dem Sinn“ funktioniert natürlich nicht, wie Mag. Beran im Kapitel „Aufschieben – leider keine Lösung“ berichtet: „Wenn wir etwas aufschieben, könnte es uns ja eigentlich gut gehen. Das Unerfreuliche ist aber, dass sich Wohlbefinden nicht oder nur sehr kurz einstellt und das Aufschieben daher keine dauerhafte oder erbauliche Lösung ist.“ Das können sicher auch viele Leserinnen und Leser bestätigen.

DIE BESTEN TIPPS GEGEN AUFSCHIEBEN

Erscheint einem eine Aufgabe zu groß – etwa den Keller aufzuräumen oder die Fotos der vergangenen 20 Jahre zu ordnen – sollte man sie filetieren. „Viele sind zunächst überrascht, wenn ich ihnen vorschlage, eine Aufgabe in die kleinstmöglichen Teile oder Etappen zu zerlegen. Das erscheint ihnen zu leicht. Aber genau darum geht es“, so Mag. Beran im facultas-Blog.

Ist die Aufgabe lächerlich klein, macht sie keine Angst und lähmt uns nicht. Dennoch führt es uns ans Ziel. „Die kleinen Schritte der Marke lächerlich“ werden im Laufe der Zeit größer, da sich die Erfahrungen mit dem Gefühl der Machbarkeit positiv auswirken. So schafft man es dann irgendwann einmal tatsächlich, das ganze Bücherregal zu sortieren. Jeder Marathon beginnt schließlich auch mit dem ersten Schritt.

Wer als Laufeinsteiger gleich die olympische Strecke vor sich sieht, wird enttäuscht sein, wenn ihm nach 10 Kilometern im Running-Modus die Unterschenkel brennen und die Knie weh tun. Wer sich aber genau diese 10-km-Distanz vorgenommen und dann tatsächlich geschafft hat, wird glücklich sein. Und kann weiter aufbauen. Besser eine Seite des Manuskripts, das Sie für die nächste Besprechung mit dem Chef benötigen, als gar keine. Das ist machbar. Und dann nochmal eine und noch eine. Voilà, fertig!

Benennen Sie Erledigungen, die Ihnen unangenehm sind oder die Sie langweilig finden und die Sie aus diesen Gründen immer wieder verschieben, – und dann verbinden Sie diese. Die langweilige Sache, zum Beispiel Nudelwasser kochen (Ping), beschert Ihnen Wartezeit, die sich durch Rechnungen sortieren (Pong) verkürzen lässt.

Wenn Sie sich dabei auch noch Ihren Lieblingssong laut anhören, schaffen Sie sogar noch einen Gute-Laune-Faktor. Damit haben Sie zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen und nach mehreren Portionen Spaghetti ist auch die Buchhaltung wieder in Ordnung.

Möglicherweise schieben Sie etwas deshalb auf, weil Sie sich damit allein gelassen oder verloren fühlen. Das kann auch bei trivialen Alltagsanforderungen der Fall sein. Suchen Sie sich einen „Buddy“, Kumpel, Freund, Kamerad. Mag. Beran gibt folgendes Beispiel: Jemandem ist Hausarbeit zuwider. Die Freundin findet joggen langweilig. Beide haben aber ihre definierten Ziele dafür.

Ihr Buddy-Deal sieht so aus, dass eine putzt, während die andere joggt und sie telefonieren dabei per Kopfhörer. Immer zur gleichen Zeit und für eine festgelegte Dauer. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Man kann sich via Videoschaltung vernetzen, eine Challenge daraus machen, Computerarbeiten gemeinsam beim persönlichen Treffen abhandeln oder in Internet-Foren Gleichgesinnte finden. Wichtig: Termine fix planen, Absagen nur in wirklich wichtigen Fällen, Verlässlichkeit.

Unterschätzen Sie nie die Kraft der Gedanken! Wer bei der Vorstellung, er sollte jetzt endlich wieder einmal das Postfach seines E-Mail-Accounts aufräumen und alte Dokumente löschen, schon in schlechte Laune verfällt, wird sich kaum dazu aufraffen können. Der erste Schritt zur Realisierung ist der Psychologin zufolge, die richtigen Fragen zu stellen. An die Stelle von „Was wünsche ich mir“, tritt „Wie bekomme ich es“. 

Eine Entscheidungshilfe kann auch sein, sich die Konsequenzen vor Augen zu halten, wenn wir etwas nicht tun. Im obigen Fall wird der Speicher des digitalen Postfachs bald einmal so voll sein, dass keine neuen Mails mehr durchkommen. Erst dann zu handeln, wir ordentlich Stress auslösen, vielleicht sogar zu Arbeitsverzögerung oder finanziellem Schaden führen. Keine Panik, aber bitte beizeiten handeln und positiv besetzen.

Sie müssen nicht gleich überhastet alles auf einmal angehen, was bis jetzt unerledigt geblieben ist, das führt erst recht zu Chaos. Prioritäten setzen. Das eine oder andere wird sich auch so lösen. Nur sollte das Abwarten in Zukunft nicht (mehr) zur Gewohnheit werden.

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(Bild: KMM)



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