Am Wochenende sorgte die Massenschlägerei mit Tschetschenen für Aufregung. Um die Volksgruppe ranken sich viele Mythen. Oft werden diese bedient.
Fällt das Wort „Tschetschene“ läuft bei vielen Österreichern sofort das Kopfkino an. Seit dem schrecklichen Vernichtungsfeldzug Russlands gegen dieses Land ranken sich viele Mythen und auch Vorurteile um diese Bevölkerungsgruppe – selten sind diese positiv besetzt. Wir haben uns daher auf die Spurensuche gemacht, schließlich ist Österreich ein wichtiges Zielland für tschetschenische Auswanderer.
Auf dem Papier alle Russen
Und hier wartet bereits das erste Problem: Tschetschenien ist eine Republik innerhalb der Russischen Föderation – Bürger werden in Statistiken als Russen geführt. Es ist aber laut Experten beispielsweise bei Asylanträgen aus der Russischen Föderation in Österreich davon auszugehen, dass es sich bei dem Großteil der Antragsteller um Tschetschenen handelt. Das geht aus einem Forschungsbericht des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) aus dem Jahr 2023 hervor.
Tschetschenen leben in Österreich. Wien hat die mit Abstand größte Community.Jeder zweite Tschetschene in Österreich lebt in Wien. Platz zwei geht mit 10 Prozent nach Niederösterreich.
Zweitgrößte Community nach Frankreich
Und dieser kommt zu folgender Einschätzung: Die Bevölkerung mit tschetschenischer Migrationsgeschichte in Österreich wird auf 30.000 bis 40.000 Personen geschätzt, wobei die Hälfte in Wien lebt. Die meisten Tschetschenen kamen während und nach dem zweiten Tschetschenienkrieg (1999 bis 2009) als Flüchtlinge nach Österreich, wo es heute nach Frankreich die zweitgrößte tschetschenische Community Europas gibt. In den vergangenen Jahren gingen die Asylanträge sowie die positiven Bescheide von russischen Staatsbürgern aber deutlich zurück.
Traditionelle islamische Werte und Rollen
Die Integration der hier lebenden Tschetschenen läuft jedoch nicht rund. Denn Tschetschenen bleiben gerne unter sich. Das geht aus dem ÖIF-Forschungsbericht hervor. Tschetschenen in Österreich heben die Familie als zentralen sozialen Bezugspunkt hervor. Traditionelle Werte und Geschlechterrollen prägen weiterhin viele Familien, obwohl junge Generationen beginnen, diese zunehmend zu hinterfragen.
Junge Männer identifizieren sich stark mit dem Bild des „harten Tschetschenen“, des furchtlosen Freiheitskämpfers.
Bericht zu Tschetschenen in Österreich
Fehlende Kontaktpunkte
Für viele ist die Religion (Islam) ein wichtiger Teil der Identität, der privat und individuell gelebt wird. Viele junge Tschetschenen fühlen sich im österreichischen Schulsystem verloren und ausgegrenzt. Hohe Bildungsziele scheitern oft an sprachlichen Barrieren. Fehlende Kontaktpunkte und Missverständnisse verschärfen die Lage.
Pathos vom „harten Freiheitskämpfer“
Pathos wird auch innerhalb der Minderheit großgeschrieben. Insbesondere junge Männer identifizieren sich mit dem Bild des „harten Tschetschenen“, nicht zuletzt, um Status und Anerkennung innerhalb jugendlich-migrantischer Subkulturen zu erlangen. Dabei greifen sie gewissermaßen auf das Bild des kampferprobten und furchtlosen tschetschenischen Freiheitskämpfers zurück – obwohl viele den Krieg gar nicht selbst miterlebt haben.
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