Sie ist Asthmatikerin, ihn plagen Knieprobleme: Trotzdem haben Bobby und Abena Stanic aus Wien den Marathon geschafft! Nach 6 Stunden, 33 Minuten und 37 Sekunden lief das Paar gemeinsam ins Ziel und landete auf den hintersten zwei Plätzen. Der „Krone“ haben sie ihre Geschichte erzählt.
Es ist der Morgen nach dem großen Lauf. Die zwei Schlusslichter des Vienna City Marathons kommen in die Twin-Towers der Wienerberg-City, er hinkend, sie mit Rückenweh. „Wie man sich halt so fühlt nach einem Marathon“, lachen sie. Aus Abena sprudeln die Sätze nur so heraus, Bobby (Kurzform für Slobodan) spricht seltener und leiser. Der heute 41-Jährige wurde beim Bundesheer, vom berühmten Vizeleutnant Eismayer, zum Laufen praktisch gezwungen, wofür er ihm heute noch dankbar ist. Sie läuft, seit sie ein Kind ist. „In Afrika bin ich jeden Tag eineinhalb Stunden zur Schule zu Fuß gegangen“, erzählt die 39-jährige Ghanesin. Der 41. Vienna City Marathon war für beide ihr erster Marathon. Und ein großes, gemeinsames Abenteuer.
„Krone“: Wer von Ihnen kam auf die Idee, sich für den Marathon anzumelden?
Bobby: Das war ich. Ich dachte, meine Frau wird sich darüber freuen. Das war auch so. Ich habe ihr viel zu verdanken. Sie hat bei mir wieder die Leidenschaft fürs Laufen geweckt.
Abena: Ich war mir aber nicht sicher, ob er es schaffen wird mit seinen Knieproblemen. Deshalb dachte ich mir, ein Halbmarathon würde reichen. Aber er war mental so stark, dass für ihn nur der ganze infrage kam.
Wie muss man sich eine Ehe vorstellen, in der für einen Marathon trainiert wird?
Abena: Es ist schon anstrengend. Früh schlafen gehen ist die Regel Nummer 1. Und kein Alkohol. Aber den vermissen wir beide nicht. Nur manchmal, wenn der Tag zu Lang geworden ist, genehmige ich mir ein Glas Hugo. Aber wenn ich genervt bin, geh ich lieber laufen, um mich wieder zu finden.
Bobby: Meine Knie haben beim Training bald Probleme gemacht. Wir haben jeden Abend Zwiebelwürfel geschnitten, in ein weißes Tuch gehüllt und auf das Knie draufgebunden beim Schlafen. Das hat so gestunken!
Abena: Aber es hat geholfen. Die Schmerzen waren weg. Wir konnten weitertrainieren und antreten.
Letzte zu werden, ist das eine Schmach oder ein Triumph?
Abena: Für mich war es unerwartet, es überhaupt zu schaffen. Ich bekam bei Kilometer 18 extreme Fersenschmerzen, die immer schlimmer wurden. Plötzlich spürte ich auch meine Hüfte und die Bandscheiben. Ich hatte Krämpfe. Ich habe geweint und war furchtbar enttäuscht. Ich wusste, mein Körper hat entschieden. Ich muss langsamer werden.
Bobby: Bei mir waren die Knieschmerzen aber nur erträglich, wenn ich ein gewisses Tempo gehalten habe. Deshalb bin ich vorgelaufen, habe meiner Frau aber versprochen, dass wir gemeinsam durchs Ziel laufen. Als ich dort angekommen bin, wurde mir bewusst, dass man da nicht warten kann, und ich bin noch einmal zurückgelaufen.
Wie haben Sie es trotzdem noch geschafft?
Abena: Mich haben die Schlussläufer motiviert, die waren so lieb. Sie meinten, es gibt noch welche hinter uns. Sie sahen meine Krämpfe und fragten, ob sie die Rettung rufen sollen. Ich hab gesagt: Nein, ich ziehe das durch! Bei Kilometer 40 hat ein Läufer mit Gitarre angefangen, für mich zu singen. Bei Kilometer 41 haben uns die Menschen angefeuert. Und dann sah ich meinen Mann schon.
Bobby: Die Schlussläufer riefen: Ihr seid die Letzten, die ins Ziel kommen!
Abena: Ich dachte, oh mein Gott, wir haben es wirklich geschafft. Und dann flossen die Tränen.
Ich bin Asthmatikerin und Läuferin. Man soll einer Krankheit nicht die Macht geben, über sein Leben zu bestimmen.
Abena hat nicht auf den Rat des Lungenarztes gehört
Weil Sie den Gitarristen erwähnt haben. Bekommt man so was überhaupt mit, wenn man sich so quält?
Abena: Oh ja. Ich hab auch den Mann gesehen, der mit einer Ananas auf dem Kopf gelaufen ist.
Bobby: Und einige waren barfuß unterwegs.
Abena: Ich finde es auch so schön, dass für uns Läufer getanzt und musiziert und getrommelt wurde. Von Salsa bis Walzer. Da bin ich stehengeblieben und hab kurz mitgetanzt. Man muss zwar auf die Zeit schauen, aber noch wichtiger ist es, auch Spaß zu haben.
Bobby: Deshalb hab ich unterwegs jede Menge Bananen gegessen, auch Müsliriegel und Brezel, und dazu habe ich Cola getrunken.
Abena: Ich trinke nur Wasser. Literweise. Bobby sagt immer, ich trinke so viel wie eine Kuh!
Gesund ist so ein Marathon ja nicht gerade.
Abena: Wer sagt, dass es nicht gesund ist? Laufen ist sehr wohl gesund. Beim Marathon kommt es darauf an, in welcher physischen Verfassung du bist. Ein Marathon ist eine sehr große Herausforderung für den Körper, aber noch mehr für den Geist. Ich sage immer: Man muss mental sehr stark sein, noch mehr als körperlich fit. Und man soll nicht auf das hören, was andere sagen.
Zum Beispiel?
Abena: Ich bin Asthmatikerin. Ich habe beim Laufen immer meinen Spray dabei. Ein Lungenarzt sagte mir, Asthma und Laufen, das ist nicht empfehlenswert. Aber einer der Schlussläufer hatte auch schon mal eine Herz-OP. Trotzdem sind wir alle durchs Ziel gekommen. Man soll einer Krankheit nicht die Macht geben, über sein Leben zu bestimmen.
Bobby: Und man soll nie glauben, dass man es nicht schafft. Selbst wenn es schlecht aussieht wie bei mir mit meinen Knien, es kann sich immer alles drehen.
Ist Laufen mehr Qual oder mehr Glückseligkeit?
Abena: Ich sage Glück.
Bobby: Es ist beides. Mich hat das Laufen gelehrt, mit dem Schmerz umzugehen. Und ich habe viel über Abena gelernt. Sie hat nicht aufgegeben. Mehr als sechseinhalb Stunden hat sie nicht aufgegeben. Ja, wir waren zwar die Letzten und wir wären enttäuscht gewesen, wenn wir es nicht mehr geschafft hätten. Doch es ist weder eine Schmach, Letzter zu sein noch eine Schmach, irgendwo auf der Strecke nicht mehr zu können. Für mich ist jeder ein Gewinner, der bis an seine Grenzen gegangen ist. Das habe ich von meinem Vizeleutnant für mein Leben mitgenommen.
Abena: Ich bin viel stolzer auf Bobby als auf mich. Ich bin überwältigt, dass er als Hobbyläufer einen Vollmarathon geschafft hat.
Für mich ist jeder ein Gewinner, der bis an seine Grenzen gegangen ist. Das habe ich von meinem Vizeleutnant für mein Leben mitgenommen.
Bobby ist Eismayer dankbar, dass er ihn damals geschunden hat
Dieses Jahr hat erstmals kein Kenyate gewonnen. Was würden Sie dem Sieger, Chala Regassa aus Äthiopien, gerne sagen?
Bobby: Mich würde seine Lebensgeschichte interessieren. Wie er da hingekommen ist, wo er heute ist.
Abena: Ich möchte die eritreeische Läuferin, Nazret Weldu, kennenlernen! Ich glaube, jede Marathonläuferin hat eine ganz besondere Geschichte.
Slobodans Eltern sind serbische Einwanderer, er kommt am 13. 7. 1982 in Wien auf die Welt. Abena, geboren am 25. 12. 1984 in Ghana, lernt er bei McDonalds kennen. Sie, ihre Eltern und die beiden Geschwister kamen 2011 nach Österreich. Verheiratet seit 18 Jahren, ein Sohn (17) und eine Tochter (7). Abena arbeitet am Flughafen Schwechat, Slobodan ist Baumschutz-Sachverständiger bei der Stadt Wien. Mit den Startnummern 8569 und 8572 und einer Zeit von 6:33:37 waren sie die Schlusslichter des 41. Vienna City Marathons.
Haben Sie in Österreich eigentlich Erfahrungen mit Rassismus gemacht?
Bobby sieht seine Frau von der Seite aus an. Sein Blick ist ernst.
Abena: Ja, leider. Ich spreche das Wort ungern aus. Ich dachte immer, dass es im Sport keinen Platz hätte. Aber das stimmt nicht.
Was ist passiert?
Die Leute glauben, weil du schwarz bist, hast du Vorteile, weil du schwarz bist, läufst du schneller. Aber nur weil ich eine andere Hautfarbe habe, heißt das nicht, dass ich ein Speedy Gonzales bin und nicht trainiere muss. Ich bin ein Mensch wie alle anderen und möchte auch so wahrgenommen werden.
Was würden Sie sich von der Gesellschaft wünschen?
Dass sie uns Schwarze respektieren. Ich wurde gemobbt und attackiert und bin deshalb noch immer in Therapie. Meinen Sportclub musste ich verlassen. Trotzdem bin ich froh, in Österreich zu leben, es ist ein wunderschönes Land. Die Rassisten – jetzt sage ich das Wort doch! – zählen für mich nicht.
Bobby: Ich habe auch ein Erlebnis zu diesem Thema, obwohl meine Hautfarbe weiß ist. In der Schule wusste ich einmal als einziger die richtige Antwort. Da hat mein Volksschullehrer gesagt: Schämt euch! Er, der hier ein Fremder ist, weiß das, und ihr wisst es nicht!" Ich war noch klein und konnte es nicht einordnen. Was hat mich von den anderen Kindern unterschieden? Ich bin genauso in Österreich aufgewachsen. Auch das war Rassismus.
Abena: Wir versuchen, die Kinder so zu erziehen, dass sie sich nicht auf emotionale Kämpfe einlassen. Sondern die positiven Dinge, die es hier gibt, zu schätzen.
Bobby: Und selbst das beste Beispiel zu sein.
Wollen Sie noch einen Marathon laufen?
Bobby: Ich hab erstmal genug. – Lacht.
Abena: Mit 42 den 42. Wien-Marathon zu laufen, wieder 42 Kilometer, das hätte aber schon was!
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