38 Millionen erbeutet

Aktien-Abzocke: In Deutschland U-Haft, in Österreich frei

Österreich
19.09.2012 15:38
Börsen-Abzocker, die Kunden wissentlich zum Kauf letztlich wertloser Aktien verleiten, können mit einer harmlosen Geldstrafe davonkommen – zumindest, wenn sie im "richtigen" europäischen Land agieren. Dies macht eine Justizposse deutlich, die gerade vor dem Landgericht Stuttgart mit verhandelt wird. Der Hauptangeklagte, der seit 16 Monaten in Untersuchungshaft sitzt, verfolgt in Handschellen sein Verfahren - sein mutmaßlicher Mittäter hält sich als freier Mann in Österreich auf.

Konkret geht es um die bis 2007 verbreitete Praxis des "Skalpierens" ("Scalping") von Anlegern. Dabei wird von betrügerischen Finanzberatern und Börsengurus gezielt Stimmung für weitgehend wertlose, marktenge Aktien gemacht. Ist die Strategie erfolgreich, steigt der Kurs oft exponentiell – Zeit für die Urheber der Operation, zu hohen Kursen auszusteigen. Üblicherweise erfolgt dann der jähe Kursabsturz, geprellte Kleinanleger bleiben zurück.

38 Millionen Euro erbeutet
Der in Deutschland angeklagte Aly M. soll 2006 durch das Pushen der Aktie einer - nicht operativen - Goldmine binnen weniger Wochen 38 Millionen Euro Gewinn gemacht haben, berichtet die "Financial Times Deutschland" am Mittwoch. Seit 16 Monaten sitzt M. in Untersuchungshaft, "noch nie ging es in einem derartigen Prozess um eine solch hohe Summe", schreibt die "FTD". Sein österreichischer Partner befindet sich hingegen auf freiem Fuß, die zuständige Salzburger Staatsanwaltschaft hat seine Auslieferung verweigert und ist damit auch von der nächsthöheren Instanz bestätigt worden, weiß man bei der Österreichischen Finanzmarktaufsicht. 

"Der Knackpunkt ist, dass Marktmanipulation in Deutschland ein strafrechtlicher Tatbestand ist und in Österreich nicht", erklärt FMA-Sprecher Klaus Grubelnik. Sanktion sei nur eine Verwaltungsstrafe. 

Hauptangeklagter von Österreich ausgeliefert
Die Geschichte ist aber noch ein wenig komplizierter, denn am Ende könnte aufgrund der geltenden Gesetzeslage in der Alpenrepublik nicht nur der Österreicher, sondern auch der Hauptangeklagte davonkommen: Der mit drei Jahren Gefängnis bedrohte gebürtige Kanadier ist nämlich bei einer Zwischenlandung in Österreich verhaftet und dann an Deutschland ausgeliefert worden. Basis der Festnahme war ein europäischer Haftbefehl – der offenbar mit dem Verdacht auf ein Verbrechen begründet wurde. 

Sollte M. verurteilt werden, will er den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) anrufen, sagen die Anwälte des Angeklagten. Die Behörden hätten der Staatsanwaltschaft Wien "suggeriert, es gehe nicht nur um Aktienmanipulation, sondern um Betrug – und so die Auslieferung bewirkt", berichtet die "FTD".

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