Gustav Klimts unvollendet gebliebenes Spätwerk „Bildnis Fräulein Lieser“, das jahrzehntelang verborgen in österreichischem Privatbesitz war, ist am Mittwochnachmittag im Wiener Auktionshaus im Kinsky als Abschluss und Höhepunkt eines „Gustav Klimt Sale“ um 30 Mio Euro, dem untersten Schätzwert, zugeschlagen worden. Der Kaufpreis inklusive Aufgeld beträgt laut im Kinsky 37,406 Mio. Euro. Das Bild geht in eine Privatsammlung nach Hongkong, in Rosaline Wongs HomeArt.
Der Schätzpreis hatte 30 bis 50 Millionen Euro betragen, ein Erlös von bis zu 70 Mio. Euro war im Vorfeld für denkbar gehalten worden. Auktionator Michael Kovacek hatte bei 28 Millionen Euro begonnen, bekam aber insgesamt nur drei Gebote. Den Zuschlag erhielt ein Bieter im Saal. Das reichte für einen neuen Rekord für das Auktionshaus im Kinsky und einen Auktionsrekord für Österreich. Bisher war das Gemälde „Der Mensch, der sich zwischen Tugenden und Lastern entscheiden muss“ von Frans Francken II. das teuerste je in Österreich versteigerte Bild. Es wurde 2010 im Dorotheum um 7,022.300 Euro verkauft.
Klimts Rekordwerke
Bilder des weltberühmten Künstlers (1862-1918) sorgten in den vergangenen Jahren immer wieder für Rekorde. Klimts Gemälde „Dame mit Fächer“ erzielte im Juni 2023 bei einer Auktion von Sotheby‘s in London mit 74 Millionen Pfund Hammerpreis respektive 85,305 Millionen Pfund (rund 99,33 Mio. Euro) inklusive Aufschlägen den bis dato höchsten Preis für ein in Europa versteigertes Kunstwerk.
Den Versteigerungsrekord für Klimt hält das aus der umfangreichen Kollektion des 2018 gestorbenen Microsoft-Mitbegründers Paul Allen stammende Gemälde „Buchenwald“ (Birkenwald), das im November 2022 bei Christie‘s in New York für 105 Millionen Dollar (104,6 Mio. Euro) zugeschlagen wurde. Es ist eines der fünf Gemälde, um die die Republik Österreich einen langen Restitutionsstreit gegen die Erben der Familie Bloch-Bauer geführt hatte und das 2006 an die Erben um Maria Altmann restituiert wurde. Unter ihnen war auch das Porträt „Adele Bloch-Bauer I“, die „Goldene Adele“, die zu einem Preis von 135 Mio. Dollar als damals weltweit teuerstes Gemälde außerhalb einer Versteigerung an Ronald Lauder ging. Das Porträt „Adele Bloch-Bauer II“ wurde 2006 von US-Medienstar Oprah Winfrey bei Christie‘s in New York für 87,9 Mio. Dollar ersteigert und über zehn Jahre später um 150 Mio. Dollar an einen chinesischen Sammler weiterverkauft.
Nicht alle Posten verkauft
15.000 Interessierte hatte das Auktionshaus in den vergangenen neun Tagen begrüßen dürfen, hatte Geschäftsführer Michael Kovacek eingangs erklärt. Deshalb beabsichtige man – „wenn wir dürfen“ – das Klimt-Bild in der kommenden Woche noch einmal für vier Tage (Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag) auszustellen. Einige der 19 Lose, darunter eine Studie für „Fräulein Lieser“, blieben unverkauft.
Das 140 mal 80 cm große unsignierte Bild „Fräulein Lieser“, das aus 1917 und somit aus dem Spätwerk des weltberühmten Künstlers stammt, wurde einem internationalen Publikum etwa in London, Zürich und Hongkong präsentiert. Beauftragt wurde das Gemälde von einem Mitglied der jüdischen Industriellenfamilie Lieser. Nicht vollständig gesichert ist, ob es sich bei der in offenbar neun Sitzungen Porträtierten um Helene oder Annie Lieser, eine der beiden Töchter der Kunstmäzenin Henriette Lieser, oder um ihre Nichte Margarethe Constance Lieser, Tochter von Adolf Lieser, handelt.
Von Verwandten geerbt
Die jetzigen Besitzer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, davor war es wiederum über mehrere Generationen vererbt worden, hieß es seitens des Auktionshauses. Öffentlich gezeigt wurde das Porträt einer jungen Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund, wobei um ihre Schultern ein mit reichlich Blumendekor ausgestatteter Schal liegt, vermutlich 1925 bei einer Wiener Kunstausstellung. Zwischen 1925 und den 1960ern-Jahren ist sein genaues Schicksal ungeklärt – und damit auch der Verbleib während der Naziherrschaft. Infolge der Lücken in der Provenienz des Bildes soll der Erlös auf Basis einer Vereinbarung nach den sogenannten „Washington Principles“ unter mehreren möglichen Rechtsnachfolgern aufgeteilt werden. Eine Ausfuhrgenehmigung seitens des Bundesdenkmalamtes wurde bereits vorab erteilt.
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