Einen Monat nach der bei den Zeugen Jehovas in Kalsdorf deponierten Bombe intensiviert die Polizei ihre Ermittlungen. Ein Kriminalpsychologe heftet sich an die Fersen des Täters, der „technisch versiert“ und sehr gefährlich ist. Denn er könnte wieder zuschlagen.
Es war just der Karfreitag, als die Zeugen Jehovas wieder ins Visier eines Bombenlegers gerieten: Ein unbekannter Täter hatte einen Sprengsatz vor dem Königreichssaal der Glaubensgemeinschaft in Kalsdorf deponiert. Zum Glück schlugen die Mitglieder rechtzeitig Alarm, der Entschärfungsdienst rückte an und transportierte das hochgefährliche Paket ab. Sofort kamen furchtbare Erinnerungen an den Anschlag im letzten Sommer in Leibnitz auf – damals explodierten während und nach einer Gebetsstunde an zwei Autos befestigte Bomben.
Ermittlungsgruppe „Michael“ soll Täter auf die Spur kommen
Jetzt, einen Monat nach dem jüngsten dramatischen Vorfall, intensiviert die Polizei ihre Ermittlungen. Die beim Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung eingerichtete Ermittlungsgruppe „Michael“ (benannt nach dem Erzengel, der bei den Zeugen Jehovas eine wichtige Rolle spielt, Anm.) hat einen Profiler zurate gezogen, der den Täter jagen soll. Denn: Er ist gefährlich und könnte erneut zuschlagen!
Sprengkraft wäre enorm gewesen
So viel wissen die Ermittler, die Dutzende Befragungen durchgeführt haben: Der Täter muss einen abgrundtiefen Hass auf die Zeugen Jehovas mit „regionalem Kontext“ haben und ist ein absoluter Profi. Baupläne für derartige Sprengmittel, wie sie in Leibnitz und Kalsdorf sichergestellt wurden, lassen sich nicht einfach aus dem Internet herunterladen.
Die Sprengkraft letzterer „Höllenmaschine“ war enorm. Wäre sie in die Luft geflogen, hätte es große Schäden am Gebäude der seit 2009 anerkannten Glaubensgemeinschaft gegeben. Was sie an Menschen angerichtet hätte, mag man sich gar nicht erst ausdenken.
Wie laufen die Befragungen bei den Zeugen Jehovas? Am Anfang schleppend, erfährt man aus Polizeikreisen, jetzt könnte es aber mehr Schwung geben. Das Beichtgeheimnis, auf das sich anfangs einige der „Ältesten“ der Zeugen berufen hatten, gilt laut einer juristischen Prüfung der Staatsanwaltschaft jedenfalls nicht.
Hier erhoffen sich die Beamten des Landeskriminalamts noch weitere Erkenntnisse, zumal aktive und ehemalige Angehörige bereits Hinweise geliefert haben. Sie sind zudem im Besitz einer Liste von ausgetretenen Zeugen Jehovas, die genau überprüft wird.
Die Polizei nimmt die Situation jedenfalls sehr ernst. Ähnliche Anschläge liegen hierzulande Gott sei Dank lange zurück – man denke an den Briefbomber Franz Fuchs in den 1990er-Jahren und die Autobombe in Kindberg im Jahr 2000. Die Schutzmaßnahmen für die betroffenen Gläubigen (es gibt 30 Örtlichkeiten der Glaubensgemeinschaft in der Steiermark) sind aufrecht.
Die nicht detonierte Bombe des laut Profiler „technisch versierten“ Täters wird von den Experten weiter genau unter die Lupe genommen, die Spurenauswertung läuft auf Hochtouren. Und die Exekutive hofft weiterhin auf Hinweise aus der Bevölkerung – auch anonym und vertraulich.
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