Nach vier Jahren Tagfalter-Monitoring in Vorarlberg schlagen Fachleute Alarm: „Wir verlieren auch häufigere Arten,“ warnen sie. Die Tiere geraten immer stärker unter Druck.
Bei der Dokumentation der schwindenden Artenvielfalt ist die Forschung auf Hilfe der Bevölkerung angewiesen, denn die Datenlage ist unzureichend. Eines dieser Projekte ist das“Viel-Falter Tagfalter-Monitoring Vorarlberg“, über das seit 2020 in gemeinsamer Arbeit von Laien und Fachleuten 11.000 Schmetterlingsindividuen gezählt und bestimmt wurden. Eines der Ergebnisse aus dem am Freitag vorgestellten Vier-Jahres-Bericht: Es hat sich zunehmend „ausgeflattert“.
In Vorarlberg gibt es 160 Tagfalter- sowie rund 2.360 Nachtfalterarten, viele sind stark unter Druck. Landschaftliche und klimabedingte Veränderungen verschieben Verbreitungsgrenzen, Warenverkehr und Tourismus bringen bisher nicht heimische Arten in neue Regionen – mit ungewissen Folgen. Darüber, wie es um die Biodiversität bei Insekten in Österreich bestellt sei, wisse man eigentlich zu wenig, so Johannes Rüdisser vom Institut für Ökologie an der Universität Innsbruck, der das von „Blühendes Österreich“ mitfinanzierte Tagfaltermonitoring leitet. Bisher habe man etwa für Rote Listen Arten gezählt. Für deren ökologische Leistung, etwa in der Bestäubung oder als Futter für Vögel und Kleinsäuger, wäre aber auch die Bestandsentwicklung wichtig, gerade bei häufigeren und weit verbreiteten Arten.
Kleiner Fuchs am häufigsten
Diese Lücke schließen soll das Tagfaltermonitoring, das 2023 auf ganz Österreich ausgeweitet wurde und seit 2018 in Tirol läuft. Die Sympathien genießenden Tagfalter, von der Bevölkerung relativ leicht zu sichten und zu bestimmen, lassen als Bio-Indikatoren Rückschlüsse auf den generellen ökologischen Zustand zu. In Vorarlberg zählten Experten in den vier Jahren 8000 Falter aus 108 Arten an hundert zufällig ausgewählten Wiesenstandorten, rund 3400 Beobachtungen steuerten Freiwillige bei. 68 Prozent der in Vorarlberg vorkommenden Arten wurden dabei dokumentiert. Am häufigsten gezählt wurde der Kleine Fuchs, gefolgt vom Kleinen Kohlweißling und dem Großen Ochsenauge.
Dabei wurde deutlich: „Selbst der als Gartenschädling bekannte Kohlweißling tritt nicht mehr in Massen auf“, so Rüdisser. In häufig gemähten und gedüngten Tallagen wurden bei den vier jährlichen Beprobungen durchschnittlich nur sieben Falter gezählt, in Hanglagen waren es 13, auf Almflächen 17. Laut den Experten dürften es früher deutlich mehr gewesen sein, schon in Tallagen 20 bis 25. Daher sei die Langzeitbeobachtung zentral, nur diese lasse Trends erkennen.
Laut Peter Huemer, Leiter der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen und führender Schmetterlingsexperte, betonte: „Wir verlieren auch häufigere Arten.“ Neben den Tagfaltern gebe es Tausende wenig bekannte Falter, die wichtige Funktionen für das Ökosystem erfüllten. Für Populationen seltener Arten, die sich teilweise nur mehr an isolierten Standorten halten, könne schon eine zu frühe Mahd, Düngung oder im Klimawandel häufiger werdende Extremwetterereignisse, das Aus bedeuten. Der Klimawandel werde hier als Faktor noch unterschätzt, so Huemer. Naturschutzgebieten komme darum eine umso wichtigere Trittsteinfunktion zu.
Seitens der inatura betonte Direktorin Ruth Swoboda, dass Beobachtungsdaten aus der Bevölkerung für die Dokumentation des Ist-Zustands der Natur immer mehr Gewicht zukomme. Das Dornbirner Museum lud daher an „Es kreucht, fleucht, fliegt und sprießt Tagen“ vom 26. bis 28. April zum Kennenlernen von Tagfaltern und zur Dokumentationsmithilfe über die Plattform observation.org ein. Die inatura verwies auf den internationalen Artenvielfalt-Wettbewerb „City Nature Challenge 2024“, an dem sich heuer bis 28. April 700 Regionen weltweit beteiligen, zwölf davon in Österreich.
Blockade gegen EU-Renaturierungsgesetz aufgeben
Gemeinsam forderten die Fachleute die österreichischen Bundesländer eindringlich auf, ihre Blockade des EU-Renaturierungsgesetzes aufzugeben. Landesrat Daniel Zadra (Grüne) betonte, Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) habe sich leider der Stellungnahme der Länder angeschlossen, und versicherte, man versuche weiter Überzeugungsarbeit für das Gesetz zu leisten. Projekte wie das Tagfaltermonitoring lieferten als „Alarmsysteme“ wichtige Daten als Entscheidungsgrundlage für die Politik und schafften Bildungsarbeit und Bewusstsein in der Bevölkerung. Denn es gehe dabei „nicht nur um ein paar schöne Schmetterlinge“, sondern auch um die Zukunft der Lebensmittelproduktion.
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