Vor Start in Almsaison

Es geht um viel mehr als um den Tod eines Schafes!

Tirol
28.04.2024 12:00

Beim „Krone“-Besuch in Umhausen wurde klar: Der Wolf tötet nicht nur Tiere, er kann fundamental die Lebensart einer ganzen Familie gefährden. Das Land gibt den weiteren Fahrplan für Risikowölfe vor.

Ich bin auf dem Weg nach Umhausen mit Freude erfüllt, weil ich weiß, welch wichtiger Tag es für Pflanzenfresser ist: der erste Gang auf die grüne Weide nach dem Winter. Schafbauer Thomas Grießer hat mich eingeladen. „Der ist da drüben beim Zäunen“, zeigt ein Mittdreißiger.

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Der erste Weidetag im Grünen läutet indirekt die neue Almsaison ein.

Schafbauer Thomas Grießer

Auf dem Hof werkeln mehrere Personen mehrerer Generationen herum, ich schätze sechs bis acht. Ein kleiner Fußmarsch bringt mich zu Thomas. Beim Zäunen helfen zwei Mädchen im Teenie-Alter, auch zwei kleinere Buben packen mit an. „So viele Leute auf dem Hof?“, frage ich. Thomas: „Ja eigentlich immer, und heute geht es für die Schafe zum ersten Mal auf die Weide. Am Hof sind meine Geschwister, deren Kinder und meine Eltern. Die helfen gerne. Dabei sind Frau und Kinder von mir heute gar nicht da.“

Thomas Grießer, auch neuer Obmann der Tiroler Schaf- und Ziegenzüchter, hält auf seinem Hof 90 Tiroler Bergschafe und 30 Stück Grauvieh. „Der erste Weidetag im Grünen läutet indirekt die neue Almsaison ein“, freut er sich, doch die Mimik wird gleich wieder ernst: „Wieder haben wir wegen dem Wolf ein mulmiges Gefühl.“ Plötzlich wird mir eines klar: Es geht um viel mehr als um tote Tiere. Auf dem Spiel steht eine Art zu leben!

Valentin & David öffnen für die „Krone“ den „Nachtpferch“ (Bild: Daum Hubert)
Valentin & David öffnen für die „Krone“ den „Nachtpferch“

Schafe jede Nacht in den schützenden Container
2023 war speziell in Umhausen ein heftiges „Wolfsjahr“. Mehrere Risse im Frühjahr und im Sommer, dann die Krönung: Wolfsbesuch unweit des Hofes auf der Talweide im Oktober. „Auf die Erstweide da drüben bringen wir gleich die Schafe“, zeigt Grießer zum Feld auf der anderen Straßenseite. Dort ist auch ein Container am Rand der Weide auszumachen. Den habe er nach dem Riss im Oktober aufgestellt. „Zum Schutz verbringen die teils sehr wertvollen Tiere die Nacht im Container, so weit sei man schon“, meint der fanatische Schafbauer.

Nun mischt sich Vater Günther ein: „Wir haben es letztes Jahr erlebt, dass hundert Meter oberhalb der Weide ein Wolf Wild gerissen hat. Die Schafe haben das mitbekommen und waren tagelang verwildert.“

Außenstehende, wie etwa auch die so genannten Tierschützer, würden keine Ahnung haben, wieviele Facetten die Problematik mit den Beutegreifern habe. Drei Generationen seien mit Leidenschaft bei der Schafzucht. „Die Kinder bekommen die Sorgen um die Zukunft der Landwirtschaft ja mit“, weiß Thomas.

„Sobald sich ein Rudel bildet, ist alles erledigt“
Eine Entschädigung für ein gerissenes Schaf sei zwar nett, aber völlig uninteressant. Man kenne jedes Tier beim Namen, Thomas kennt sogar die einzelnen Schellen von 60 Tieren. Tirols Schafbauern wünschen sich die ganzjährige Bejagung des Wolfes, im Wissen, dass dies kaum realisierbar ist. Denn eines sei klar: Wenn sich ein Rudel bildet, sei die Landwirtschaft in dieser Form erledigt. Der Obmann: „Ich möchte aber auch einmal der Politik danke sagen, die tut, was gesetzlich möglich ist.“ Nicht möglich sei Herdenschutz im hochalpinen Raum, das wisse man von der gepachteten Alm in Vent. Also wieder ein Almsommer mit entbehrlicher Spannung.

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Wir werden Schad- und Risikowölfe auch heuer umgehend zum Abschuss freigeben.

LHStv. Josef Geisler

„Werden Risikowölfe auch heuer wieder zum Abschuss frei geben“
Diplomaten nennen es „Entnahme“, etwas Mutigere sprechen von Abschuss. Für viele das einzig probate Mittel im Kampf gegen die Verbreitung des Wolfes. Die Tiroler Landesregierung hat im vergangenen Jahr die Möglichkeit geschaffen, „Schad- und Risikowölfe“ rasch zum Abschuss freizugeben. Vier der 19 letztjährigen Abschussverordnungen konnten durch die Jägerschaft erfüllt werden. Dass trotz gestiegener Zahl der Individuen die Anzahl der Risse in Tirol 2023 deutlich gesunken ist, ist für LHStv. Josef Geisler eine Folge des Jagddruckes: „Wir werden Schad- und Risikowölfe auch heuer umgehend zum Abschuss freigeben.“ Hinweise auf eine Rudelbildung gebe es im Moment nach wie vor keine. Aber: Eine Wildkamera im Bezirk Innsbruck Land fotografierte heuer bereits einen Luchs.

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Der Wolf ist keine gefährdete Tierart und soll ganz normal bejagt werden können.

LHStv. Josef Geisler

Die Herdenschutz-Pilotprojekte mit gelenkter Weideführung und ständiger Behirtung auf drei Almen im Tiroler Oberland erleben auch heuer eine Fortsetzung. Übrigens: Die Kosten für diese sehr arbeits- und kostenintensive Form des Herdenschutzes beliefen sich im vergangenen Jahr auf 133 Euro pro Schaf und Almsaison. Gerad in diesen Tagen beginnt die Weidezeit in den Tälern. „Ich appelliere dringend an die Tierhalter, die Heimweiden mit wolfsabweisenden Elektrozäunen zu schützen“, so die Frühlingsbotschaft Geislers, „die Anschaffung des Zaunmaterials wird seitens des Landes Tirol unterstützt.“ So wie die überwiegende Anzahl der Landwirte, denkt auch der zuständige Landesrat: „Der Wolf ist keine gefährdete Tierart und soll ganz normal bejagt werden können.“ Viele Entscheidungsträger denken allerdings anders!

„Bad News“ aus Brüssel – eh klar!
Da ist LK-Präsident Hechenberger wohl etwas zu optimistisch und der „Krone“-Arm nach Brüssel wohl etwas länger: Dass bei der Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ in Brüssel etwas weitergeht, dürfte leider eine Fehlinformation sein. Und dass dieses „Upgrade“ für Österreich ohnehin keine Relevanz hätte, weil der Erhaltungszustand des Wolfes „nicht günstig“ ist, sollte auch einmal kommuniziert werden. Aber selbst wenn er „günstig“ wäre: Der Vorschlag der Kommission wurde im Februar von einer Arbeitsgruppe des Rates diskutiert, Entscheidung wurde mangels einer qualifizierten Mehrheit keine getroffen, die Mitgliedsstaaten sind geteilter Meinung. Künftige Entscheidungen in dieser Thematik werden vom Umweltrat getroffen.

Allerneueste, allerdings noch unbestätigte, EU-Info: Es kommt zu keiner Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes, da nur zwei Länder dafür sind.

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