Filzmaier analysiert

Willi versus Anzengruber: Ein Stechen ohne Hauen

Tirol
28.04.2024 09:00

Der Wahlkampf um das Innsbrucker Bürgermeisteramt ging in die erwartete Verlängerung, heute kommt es zur Stichwahl. Von ursprünglich 13 Bewerbern waren der grüne Amtsinhaber Georg Willi und Johannes Anzengruber, welcher in heftigem Streit die ÖVP verlassen hat, die beiden Bestplatzierten. Mit knapp 23 und 19 Prozent aller Stimmen.

1. Was nun? Die Mehrheit derjenigen, welche vor zwei Wochen wählen gingen, wollten weder Willi noch Anzengruber als Bürgermeister haben. Ganz abgesehen von den 40 Prozent, die am letzten Wahlsonntag sowieso zu Hause geblieben sind. Zählt man als Rechenspiel Nicht-Willi-Anzengruber-Wähler und totale Nichtwähler zusammen, hat jeder der nunmehrigen Stichwahlgegner nicht viel mehr als bloß jeden zehnten Innsbrucker wirklich hinter sich.

2. Wer wird da gewinnen? In der Tiroler Landeshauptstadt laufen jede Menge selbst ernannte Hellseher herum, welche behaupten, den Wahlsieger bereits heute zu kennen. Weil nur noch zwei Kandidaten übrig sind, rät die Hälfte davon richtig. Und wird trompeten: „Ich hab’s ja immer schon gewusst!“ Mit seriöser Wahlforschung hat das freilich genau gar nichts zu tun.

3. Wer entscheidet die Wahl? Das sind jene, für die Willi oder Anzengruber die Zweitpräferenz oder gar das kleinere Übel ist. Man kann mutmaßen, dass Anhängern der FPÖ sowie dem kleinen Rest von Wählern der ÖVP der bürgerliche Anzengruber lieber wäre. Willi würde im Umkehrschluss Zuspruch von bisherigen Wählern der SPÖ und KPÖ erhalten. Nur ist Georg Willi kein „Fundi“, sondern zum zwischenzeitlichen Leidwesen seiner Grünen seit Jahren durchaus bürgerlich angepasst und oft sogar autoritär statt basisdemokratisch.

4. Ist da überhaupt eine Prognose möglich? Das bürgerliche Lager ist in Innsbruck unverändert größer als „die Linken“. Womit Anzengruber Favorit wäre. Doch hinkt diese Schlussfolgerung gewaltig. Willi wäre auch vor sechs Jahren nicht Bürgermeister geworden, hätte man ihn allein links der Mitte gewählt. Das Rennen ist komplett offen.

Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität für Weiterbildung Krems und der Karl Franzens-Universität Graz. (Bild: Imre Antal)
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität für Weiterbildung Krems und der Karl Franzens-Universität Graz.

5. Macht es einen grundlegenden Unterschied, wer Bürgermeister wird? Nur auf einer Gefühlsklaviatur der Personenebene. Von den Inhalten der Politik her ist es so, dass die Parteilisten von Willi und Anzengruber in der Stadtregierung – diese wird im Proporz nach den Stimmanteilen der Parteien beschickt – eine Mehrheit haben. Ihre Zusammenarbeit ist somit wahrscheinlich. Das wissen die beiden Kandidaten, und daher behandelten sie sich im Wahlkampf mit freundlichem Respekt. Die künftige Politik in Innsbruck ist wohl so oder so ein Kompromiss des Programms von Willi und Anzengruber. Nicht entweder – oder.

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