2023 war ein turbulentes Jahr für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Zahlen bescheinigen eine höchst durchwachsene Bilanz. Auch bei clamorosen Fällen.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) steht seit Jahren im Fokus. Ein schmerzender und wichtiger Stachel im Fleisch der Mächtigen, sagen die einen. Andere wiederum sehen die Korruptionsermittler durchaus kritisch. Und sie verweisen auf Bilanzen. Die schauten tatsächlich nicht so toll aus. Die Zahlen für 2023: In 257 Fällen gab es keine Einleitung von Ermittlungen; bei 459 Beschuldigten gab es Einstellungen von Verfahren; Anklagen gegen 152 Beschuldigte gab es; in 54 Fällen gab es Schuldsprüche. In 60 Fällen kam es zu (Teil-)Freisprüchen.
Interessant ist vor allem die Ausbeute bei sogenannten clamorosen Fällen. Also Fälle von großer öffentlicher Aufmerksamkeit, wie Buwog (bei der Causa um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Co gibt es seit 2009 keine rechtskräftige Erledigung), Casag (ein Ende ist nicht abzusehen) oder daraus resultierende Verfahren um Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Co.
Freisprüche bei Chorherr und Strache
Linda Poppenwimmer war einst WKStA-Ermittlerin, sie wechselte in die Anwaltskanzlei Ainedter. Sie listet in einem Justiz-Jahrbuch Bewerkenswertes in einer Bilanz auf. Die WKStA sei zweifellos ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Korruption, führt sie an, doch zeigte sich 2023 eine merkliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Poppenwimmer nennt Beispiele: Causa Prikraf gegen den ehemaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und einen befreundeten Spender. Es gab in zweiter Instanz einen Freispruch vom Bestechungsverdacht. Entlastende Chatnachrichten seien von den Anklägern nicht gewürdigt worden.
Oder das Verfahren um den Ex-Grünen Christoph Chorherr. Auch hier ging es um Bestechung durch Wichtige und Reiche im Gegenzug für Bauprojekte in Wien. Alle zehn Beschuldigten und Verbände wurden wegen Mangels jeglicher Beweise freigesprochen. Überdies leistete sich die WKStA – kein Einzelfall – peinliche Fehler in der Anklageschrift. Oder die Causa um die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin: Sie hatte nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministeramt einen Antrag auf Bezugsfortzahlungen gestellt und dabei bereits lukrative Aufträge verschwiegen. Der Betrugsverdacht bestand, doch hatte Karmasin nach Ansicht des Gerichts rechtzeitig die Rückzahlung veranlasst. Verurteilt wurde sie wegen wettbewerbseinschränkender Absprachen in Vergabeverfahren des Sportministeriums.
Vorwürfe von ungenauen und unvollständigen Vorgehensweisen seitens der WKStA gab es auch in anderen Fällen.
„Chats don‘t lie“ zog vor Gericht nicht
Im Juli 2023 endete das „BVT-Verfahren“ um den Nachrichtendienst mit Freisprüchen für vier Angeklagte wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch. Ebenfalls im Juli bestätigte das Oberlandesgericht Wien die Freisprüche für Strache und einen Unternehmer in der Causa „ASFINAG“. Auch hier ging es um Bestechung bzw. Bestechlichkeit. Dem FPÖ-Chef war vorgeworfen worden, er hätte einem befreundeten Unternehmer einen Aufsichtsratsposten bei der Autobahngesellschaft verschafft. „Chats don‘t lie“, argumentierte der Staatsanwalt damals in seinem Schlussplädoyer.
Die Richter sahen das offenbar anders. Dann gab es noch die Prozesse wegen mutmaßlicher Falschaussagen vor dem U-Ausschuss gegen Kurz, seinen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli und die ehemalige Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner. Letztgenannte erreichte eine Diversion, Kurz wurde in zwei von drei Anklagepunkten freigesprochen, kassierte in einem Punkt eine bedingte Haftstrafe, die er in weiterer Instanz vorging.
Zuletzt sorgte das Verfahren um Investor Siegfried Wolf im Eurofighter-Kontext für Aufregung. Auch eine unendliche Geschichte. Das Oberlandesgericht in Graz hat eine Anklageschrift der WKStA wegen wesentlicher Formfehler und mangelnder Verurteilungswahrscheinlichkeit zurückgewiesen. Wolfs Anwälte Christian Hausmaninger und Markus Passer zeigen sich erfreut. „Siegfried Wolf begrüßt diese Entscheidung, die sein uneingeschränktes Vertrauen in die Gerichte stärkt. Dieses Vertrauen gilt freilich nicht für die WKStA, die Herrn Wolf seit Jahren offenkundig in befangener und rechtsstaatlich unerträglicher Weise verfolgt.“
Übrigens. Gegen Wolf wird noch in einer anderen Angelegenheit verfolgt. Es geht um mutmaßliche Steuererleichterungen für den Multimillionär und Bestechung. Es gilt die Unschuldsvermutung.
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