Die heimische Mineralölindustrie steht vor einem Erdbeben: Die 162 Jet-Tankstellen in Österreich stehen ab sofort zum Verkauf. Das zeigt der jetzt veröffentlichte Quartalsbericht des US-Mutterkonzerns Phillips 66. Auch die 815 Tankstellen in Deutschland kommen auf den Markt.
„Wir haben kürzlich den Prozess zum Verkauf unseres Einzelhandelsgeschäfts in Deutschland und Österreich eingeleitet. Das steht im Einklang mit unserem Plan, nicht zum Kerngeschäft gehörende Vermögenswerte zu veräußern“, sagt Mark Lashier, Präsident und CEO des Energie-Riesen mit einem Börsenwert von 64,78 Milliarden Dollar. Das heimische Jet-Tankstellennetz ist Teil eben dieses Einzelhandelsvertriebs.
Details zum konkreten Zeitpunkt des Verkaufs sowie dem Kaufpreis gab das Unternehmen mit Hauptsitz in Houston bisher nicht bekannt.
Trendwechsel in der Branche
Der Verkauf der Jet-Gruppe ist Beweis für einen Trendwechsel in der Branche. Die klassischen Tankstellen haben ausgedient, die Zukunft gehört eindeutig den erneuerbaren Kraftstoffen. So funktionierten die Jet-Tankstellen „ausgezeichnet“ heißt es in dem Bericht, jedoch passten sie nicht länger zur „strategischen Ausrichtung des Unternehmens“.
So hat Phillips 66 seine Raffinerie in San Francisco komplett umgebaut und als „Rodeo Renewable Energy Complex“ neu positioniert. Wo früher Benzin und Diesel hergestellt wurden, werden in Zukunft ausschließlich erneuerbare Kraftstoffe verarbeitet. 800 Millionen Gallonen pro Jahr sind das Ziel. Philipps 66 wolle sich als weltweit führender Anbieter im Bereich erneuerbarer Kraftstoffe etablieren, heißt in dem Quartalsbericht.
Der Jet-Verkauf hängt auch eng mit dem Einstieg des Hedgefonds „Elliott Investment Management“ im vergangenen Jahr zusammen. Dieser erwarb Anteile an Phillips 66 im Wert von einer Milliarde Dollar. Die Aufforderung der Hedgefonds-Chefs war klar: massive Senkung der Betriebskosten und Konzentration auf das Raffineriegeschäft.
Kopf aus der Schlinge gezogen
Werden diese Forderungen nicht erfüllt, dränge man auf einen Wechsel an der Konzertspitze, lautete die unverhohlene Drohung. Mit dem Verkauf des Jet-Netzes hat „Phillips 66“-Chef Lashier seinen Kopf aus der Schlinge gezogen.
Komplett aus Österreich zieht sich Phillips 66 nicht zurück. Bis 2026 will man in Österreich, Deutschland und Dänemark ein Netz von Wasserstoff-Tankstellen aufziehen. Nur mit den „klassischen Tankstellen“ will man offenkundig nichts mehr zu tun haben.
„Die Branche befindet sich in einer Transformationsphase. Es sind spannende Zeiten. Viele Konzerne nehmen Strategiewechsel vor, auch um ihre Klimaziele zu erreichen“, sagt Hedwig Doloszeski, Geschäftsführerin des Fachverbands der Mineralölindustrie „Krone“-Anfrage. In den vergangenen Jahren hätten „viele Tankstellennetze ihre Besitzer gewechselt“, so die Expertin.
In der Tat: So verkaufte die Doppler-Gruppe das Turmöl-Netz an den Mineralölkonzern Orlen aus Polen. Der französische Konzern TotalEnergies wiederum veräußerte seine Tankstellen in Deutschland und den Niederlanden an die kanadische Firma Alimentation Couche-Tard.
Findet Phillips 66 einen Käufer, so erwartet Doloszeski „keine großen Auswirkungen“ auf das heimische Tankstellen-Netz und die dazugehörigen Shops. Natürlich wisse man aber nie, was der US-Mutterkonzern vorhabe.
Dieser hat unterdessen mit einem Statement auf die „Krone“-Geschichte reagiert: „Diese Einzelhandelsmarketing-Assets könnten für andere von strategisch wichtigerer Bedeutung sein als für Phillips 66. Wir freuen uns darauf, den Wert zu ermitteln, den andere Marktteilnehmer diesen Unternehmen beimessen.“
Oder anders formuliert: In unserer Strategie passt Jet nicht mehr rein, vielleicht möchte aber ein anderer Konzern viel Geld dafür bezahlen.
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