Beim Trio Toechter verwandelt sich der fragile Klang von klassischen Streichern zu einem Sound-Amalgam, das sich zwischen Pop, Experimentalkunst und Filmsoundtrack verortet. Heute Abend, am 3. Mai, spielen sie ihr erstes Österreich-Konzert im Wiener Volkstheater. Banddrittel Lisa Marie Vogel gab uns Einblicke in das Wesen und Tun der aufstrebenden Combo.
Streichinstrumente wie Geige, Cello und Bratsche zu dekonstruieren und sie mittels Gitarreneffektpedale und technischer Hilfsmittel in atmosphärische Elektropop-Songs zu verwandeln, das ist die Hauptagenda des experimentellen Trios Toechter. Lisa Marie Vogel, Marie-Claire Schlameus und Katrine Grarup Elbo kennen sich über die gemeinsame musikalische Ausbildung und gründeten vor fünf Jahren dieses Projekt, um grob umrissen Klassik mit Pop zu verbinden – aber auf eine Art und Weise, wie man sie so noch nicht gehört hat. „Die Grundstruktur unserer Herangehensweise kennt man von Filmsoundtracks, aber wir wollten wissen, ob man die Verschmelzung aus Streichern mit Popmusik auch im Kammermusikgewand erzeugen kann“, erzählt uns Lisa Marie Vogel im „Krone“-Talk. Sie ist schon seit mehreren Tagen auf Familienbesuch in Wien, die zwei Kolleginnen folgen heute, wenn im Wiener Volkstheater das erste Österreich-Konzert über die Bühne gehen wird.
Erfolg mit dem Debüt
„Wir wollen stärker ein Teil des kreativen Prozesses sein, selbst die Streicherarrangements schreiben und unsere Songs so kreieren, wie wir es für gut befinden.“ Erfahrungen in der Welt der Musik haben alle drei zuhauf gemacht. Neben der klassischen Ausbildung finden sich die einzelnen Mitglieder etwa in den Livebands von Rapper Casper oder Agnes Obel. Die Grenzenlosigkeit der Toechter-Songs zieht ihre Inspiration durchaus aus der Vielseitigkeit der eigenen Geschmäcker. Weitere Motivatoren sind in der Londoner Experimental-Musikszene, bei der Filmmusik und vor allem beim klassischen Hollywood-Sound zu verorten. Schon mit dem 2022 veröffentlichten Debütalbum „Zephyr“ wusste man Kritiker und Fans mit offenen zu begeistern. Da war auch der anfängliche Schock, dass man das ambitionierte Projekt ausgerechnet kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie gegründet hat, wieder vergessen.
Eine konstante Homebase haben Toechter nicht. Die Musikerinnen verstreuen sich zwischen Berlin, Kopenhagen, Finnland oder Stockholm und befinden sich stetig im beruflichen und geografischen Wandel. Diese Offenheit und nicht einzuordnende Weite hört man auch den Kompositionen an. Die Effektpedale werden neben den Streichern als eine Art viertes Instrument gesehen. Der Gesang steht beim Trio nicht wirklich im Zentrum des Geschehens, obwohl die teilweise fragilen, teilweise stabilen Kompositionen durchaus auch deshalb besonders hervorstechen. Vor gut zwei Monaten veröffentlichten Toechter ihr Zweitwerk „Epic Wonder“, das für Zusammenhalt und das Holistische in der Welt steht. In einer Zeit der permanenten Spaltung und des überbordenden Trennens von Dingen ist es den drei Künstlerinnen ein besonderes Anliegen, sich mit ihrer Musik gegen diesen negativen Strom zu stemmen.
Eine Ode an die Wunder
„Es geht um die kleinen und großen Wunder und die Dinge, die alle Wesen auf dieser Welt verbindet. Wir haben versucht, uns von der Idee leiten zu lassen, dass es eine ganzheitliche Verbindung zwischen allem auf dieser Welt geben kann und wollten das damit herausstellen. Es geht darum, eine universelle Energie zu fangen. Weniger um bestimmte Wunder, sondern mehr um ganz alltägliche Dinge wie etwa die Entstehung von Bergen, die Geburt eines Kindes oder eine sich aufbauende Freundschaft. Es geht aber auch um das Wunder, das bei uns drei zusammen im Raum passiert, wenn wir spielen und improvisieren. Es gibt auf beiden Alben Songs, die ohne Nachbearbeitung direkt von der Improvisation auf die CD gepresst wurde. Es ist uns wichtig, das herauszustellen, was im Augenblick passiert ist.“ Durch die angesprochene geografische Entfernung zueinander, müssen sich Toechter ihre gemeinsame Kreativzeit aber gut einplanen.
„Bei uns ist das immer ein bisschen wie in einem Boot Camp“, lacht Vogel, „wir treffen uns für eine Woche, sind von morgens bis abends im Studio, kochen gemeinsam und gehen dann auch abends ins Theater. Die menschliche Komponente ist für uns unheimlich wichtig und die Zusammenarbeit geht über die bloße Musik hinaus.“ Den deutschen Bandnamen hat die internationale Combo aus unterschiedlichen Gründen erwählt. Einerseits, weil sie alle Töchter sind und dieselbe Vision teilen, andererseits wird damit auf wortspielerische Art und Weise die Liebe zur Gemeinschaft befriedigt. „Wenn man das Wort schnell liest oder kurz hinsieht, sieht Toechter wie Together aus.“ Das Projekt verinnerlicht nicht nur die musikalischen Vorlieben der drei Freundinnen, es ist auch eine Spielwiese, auf der bewusst Experimente und Ausbrüche erlaubt und sogar gefordert sind. „Ob jetzt eine von uns mit einem Rapper unterwegs ist oder mit dem Symphonieorchester arbeitet – all das sind Inspirationen, die automatisch bei Toechter einfließen.“
Unermüdlich aktiv
Produktions-Unterstützung für das aktuelle Werk „Epic Wonder“ kam von niemand Geringerem als Godspeed You! Black Emperor-Gitarrist David Bryant. „Die Band war für uns immer schon eine große Inspirationsquelle. Sie experimentieren auch viel und ruhen sich nicht auf einem Sound aus, den sie schon mal gemacht haben.“ Geht es nach Vogel und ihren Partnerinnen, dann wird der musikalische Fokus trotz unterschiedlicher Wohnorte, Jobs und Lebensrealitäten noch viel stärker auf Toechter gelenkt. Schön wäre dafür etwa einmal eine richtige Tour. „Das wäre natürlich großartig. Wir sind ziemlich gut im Planen und könnten da sicher etwas Tolles zusammenstellen, wenn das Interesse da wäre.“ Vorerst gibt es exklusive Einzelgigs und die Konzentration auf das nächste Album. „Im Herbst werden wir sicher wieder was aufnehmen.“ Ein drittes Toechter-Album schon 2025 ist also nicht auszuschließen.
Live im Volkstheater
Heute Abend, am 3. Mai, spielen Toechter in der Roten Bar des Wiener Volkstheaters das erste Mal live in Österreich. Unter www.oeticket.com und wohl auch an der Abendkassa wird es noch Karten für das experimentelle Klangabenteuer zwischen Klassik, Pop und Elektronik geben. Hier wächst auf jeden Fall Interessantes und Großes heran.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.