Live in Graz und Wien

Big | Brave: Klangtouristen mit zarter Aggression

Musik
06.05.2024 09:00

Zwischen wuchtigen Drone-Wänden und fragiler Folk-Ästhetik musiziert das Trio Big | Brave aus dem kanadischen Montreal seit mehr als einem Jahrzehnt und kann auf eine wachsende Schar an Fans verweisen. Mit ihrem neuen Album kommen sie nach Graz und Wien – und stellten sich unseren Fragen.

(Bild: kmm)

Schönheit liegt im Auge oder im Ohr des Betrachters. Eine besondere Form der sperrigen Schönheit vermittelt das kanadische Trio Big | Brave, das sich grob zwischen massiven Drone-Wänden, folkloristischer Sänfte und experimentellem Sludge Metal einzuordnen weiß. So brutal und dicht die Soundkaskaden der Band aus Montreal zuweilen auch wirken mögen, die dahinterstehenden Personen vermitteln ihre Botschaften zartfühlend und hochsympathisch. Das grobe Erfolgsrezept der jüngeren Vergangenheit: Sängerin Robin Wattie dringt mit ihrem engelsgleichen Timbre durch die verzerrten Gitarren von Mathieu Bernard Ball, während die 2019 ins Boot geholte Tasy Hudson mit intensiven, aber entrückten Stockschlägen das rhythmische Fundament liefert. Diese Vorgehensweise wurde auf dem im Februar 2023 erschienenen Werk „Nature Morte“ perfektioniert, das brandneue „Schwestern“-Album „A Chaos Of Flowers“ lässt der Fragilität des Gesangs etwas mehr Freiheit.

Auf der Suche nach weiblicher Dichtkunst
„Wir haben meine Stimme in den letzten Jahren als ein zusätzliches Instrument betrachtet“, lacht Wattie im „Krone“-Talk, „das hat den Gesamtsound auf jeden Fall nachhaltig verändert.“ „A Chaos Of Flowers“ ist inspiriert von mehr oder weniger bekannten Dichterinnen wie Emily Dickinson, Renée Vivien, Emily Pauline Johnson oder der japanischen Feministin Akiko Yosano. Die frei zugänglichen Gedichte von Frauen aus dem 19. und 20. Jahrhundert haben Wattie gleichermaßen beeindruckt wie inspiriert. War „Nature Morte“ noch ein klanglicher Vulkanausbruch in Richtung Zerstörung unserer Hemisphäre, verbindet sich „A Chaos Of Flowers“ mit den vergessenen Stärken von Dichterinnen, die hinter dem Gros der allgemein abgefeierten Männer aus dem angloamerikanischen Bereich in Vergessenheit gerieten. Dementsprechend weisen neue Songs wie „A Song For Marie Part III“ oder zu Teilen auch „I Felt A Funeral“ eine behäbige Ruhe auf, die sich erst wieder ins Klangkorsett der Band einschleichen musste.

„Die Alben unterscheiden sich stark voneinander, aber was die Kreativphase anbelangt, ging das eine quasi nahtlos ins andere über“, so Wattie. Gitarrist Ball ergänzt: „Wir brechen auf dem neuen Album viel stärker aus unserem bekannten Klang-Territorium aus, was auch für uns spannend war. Wir werden wohl nie ein reines Jazz-Album schreiben, aber die Veränderungen sind inhärent.“ Ein wichtiger Markstein für die Erweiterung des Big | Brave-Sounds war die Zusammenarbeit mit den schrägen Experimentalrockern The Body 2021 auf dem gemeinsamen Album „Leaving None But Small Birds“. „Wir haben erstmals gemerkt, dass wir in eine andere Richtung ausbrechen können und uns nicht davor fürchten müssen. Uns selbst herauszufordern, war immer der wichtigste Katalysator für Big | Brave. Manchmal sind wir unsicher und fühlen uns unwohl, aber sich unwohl zu fühlen bedeutet auch, dass man sich bestmöglich bemüht, immer das Maximum aus sich und der eigenen Musik herauszuholen.“

Es ist ein Zusammenspiel
Das seit fünf Jahren beständige Trio hat längst eine Arbeitsweise gefunden, mit der alle Mitglieder d’accord gehen und die sich trotz der klanglichen Adaptierungen als sicherer Grundstock erweist. „Meist komme ich mit einer Grundidee, die ich nicht wirklich klar und spezifisch erklären kann, die sich für mich aber immer richtig anfühlt“, lacht Wattie, „dann verwandeln wir diese Idee im besten Fall zu einem gemeinsamen Big | Brave-Sound. Mittlerweile sind wir alle als Songwriter gereift und wissen, wie wir an Dinge herangehen. Bei unseren frühen Alben ging es unbewusst auch darum, dass sich jedes Mitglied als einzelnes Individuum in der Band beweist und seinen Standpunkt festigt. Wenn man sich mit der Zeit aufeinander einlässt und sich vertraut, verschwindet dieser Druck aber zusehends. Heute kennen wir unsere eigenen Fähigkeiten und die der anderen. Es ist ein Zusammenspiel, kein Gegeneinander.“

Das Miteinander fußt bei Big | Brave vor allem auf der engen Freundschaft, die innerhalb der Band vorherrscht. „Natürlich diskutieren und streiten wir auch viel, das bleibt nicht aus“, so Ball, „aber je länger man zusammenarbeitet, umso mehr fokussiert man sich auf die schönen Dinge.“ Frontfrau Wattie muss bei Gegenbeispielen an die Großen im Pop denken. „Michael Jackson und Beyoncé haben doch beide bei Liveshows während eines Songs ,Someone’s gettin‘ fired‘ gesungen, weil ihnen irgendwas nicht gepasst hat. Das ist unglaublich. Die Regeln sind für uns alle ganz einfach: Behandle alle Menschen um dich herum so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Klingt einfach, ist auch einfach, fällt aber vielen irrsinnig schwer.“ Die zuletzt dazugestoßene Tasy Hudson weiß, was wichtig ist, um ein Teil von Big | Brave zu sein. „Man muss offen und ehrlich sein und es ist absolut kein Platz für irgendwelche Egospielchen. Wir nehmen uns selbst nicht ernst und teilen die Leidenschaft zum Reisen. In erster Linie sind wir eher Touristen, als eine tourende Band.“

Keine Scheu vor Arbeit
Die gemeinsame Reiseerfahrung ist für Wattie entscheidend, ob die Chemie langfristig passt. „Es sind die kleinen Dinge, die ins Gewicht fallen und das Touren im besten Fall schön machen. Ein gutes Essen, ein schönes kaltes Bier oder eine Sehenswürdigkeit, die uns bislang noch nicht untergekommen ist. Wenn uns diese Band schon die Chance gibt, die Welt zu bereisen, dann wollen wir sie auch kennenlernen und da sind wir glücklicherweise alle auf demselben Level und teilen diese Interessen.“ Nach den Wirren der Pandemie können die Musiker von Big | Brave mittlerweile auch von der Band leben. „Bis zum Ende der Pandemie hatten wir Dayjobs, mittlerweile geht es sich durch das Touren und die Festivals auch so aus“, so Hudson, „und wenn nicht, dann tätowiere ich wieder oder stelle mich hinter den Tresen in einer Bar. Solange wir genug Zeit fürs gemeinsame Musizieren haben, scheuen wir keine andere Arbeit.“

Live in Graz und Wien
Mit ihrem neuen Album „A Chaos Of Flowers“ kommen Big | Brave, die 2023 am Kremser Donaufestival begeisterten, dieser Tage zweimal live nach Österreich. Am 8. Mai spielen sie im Grazer Orpheum Extra, am 10. Mai im Wiener Chelsea. HIER finden Sie Karten für Graz und HIER die Karten für die Wien-Show.

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