Schalten ohne Hebel

BMW bringt Automatik-Schaltassistent fürs Motorrad

Motor
06.05.2024 18:10

Nach Weltmarktführer Honda hat jetzt auch BMW ein Motorradgetriebe im Programm, das für den Fahrer das Kuppeln übernimmt, ihm aber den Schalthebel lässt. Fürs authentische Feeling und „die emotional wichtige Dynamik des Schaltvorgangs“, so BMW. Automatisierter Schaltassistent - kurz ASA (Automated Shift Assistant) – nennt die Marke ihre optionale Gangwechsel-Alternative mit vollautomatisierter Kupplungsbetätigung, die sicher nicht zufällig beispielhaft im Topseller BMW R 1300 GS präsentiert wurde.

(Bild: kmm)

BMWs neuer Getriebeassistent setzt auf dem hauseigenen Schaltassistent Pro (kupplungsfreie Gangwechsel beim Fahren) auf und fusioniert im Prinzip zwei Getriebe-Vorbilder: Hondas Doppelkupplungsgetriebe DCT und die jüngst vom weltgrößten Motorenhersteller präsentierte elektronische Kupplung E-Clutch. Bedeutet: Ersten Gang einlegen, anfahren, hoch- und runterschalten, anhalten – all das funktioniert jetzt bei BMW, ohne die Kupplung ziehen zu müssen und somit wie bei der neuen Entwicklung von Honda. Der linke Hebel verschwindet.

(Bild: markus-jahn.com)

Anders als die Japaner schmeißen die Bayern den Kupplungshebel allerdings gleich ganz über Bord. Links am Lenker bleibt stattdessen lediglich eine kleine Taste. Über die entscheidet der Fahrer, ob er per Fuß die Gänge wechseln will („M“ wie manuell) oder gänzlich der Bike-Elektronik die Schaltarbeit überträgt („D wie Drive). Selbstständige Gangwechsel beherrscht der automatisierte Schaltassistent – genau wie Hondas DCT – nämlich auch. Das Ziel in beiden Fällen: mehr Freude am Fahren – durch weniger Ablenkung und sanfte Schaltvorgänge.

(Bild: markus-jahn.com)

„Optimal gewählte Gangwechsel erzeugen ein neues Fahrgefühl mit einem intensiveren Fahrerlebnis“, verspricht BMW für den Algorithmus im „D“-Betrieb. Egal ob auf gerader Strecke, kurvigen Passagen oder in der City: Dem individuellen Wunsch nach Vortrieb sei „automatisch immer der richtige Gang zugeordnet, was dem Fahrmodus entsprechend zu einem harmonischen und ausgesprochen flüssigen Fahrverhalten führt“.

Voraussetzung dafür ist unter anderem eine Sechs-Achsen-Sensormesseinheit (IMU), über die heutzutage fast alle Premium-Bikes verfügen. Die IMU analysiert permanent Faktoren wie Beschleunigung, Tempo und Schräglage und stimmt ABS, Traktionskontrolle und in diesem Fall die Schaltvorgänge darauf ab. Auf der Straße und im Gelände. Der 145 PS starke Boxermotor der GS- „aber auch jeder andere leistungsstarke Motor von BMW Motorrad“, so Produktmanager Reiner Fings – harmoniert bestens mit dem automatisierten Schaltassistent, so der erste Eindruck bei der Vorab-Präsentation im Enduro Park Hechlingen.

Das Schema von ASA (Bild: BMW)
Das Schema von ASA

Selber fahren konnten wir die ASA-GS dort zwar noch nicht, im Laufe des zweiten Halbjahres 2024 soll es aber so weit sein. Das Mehrgewicht der unauffällig unter dem Bike montierten Technik beträgt nur 2,1 Kilogramm. Damit ist das neue ASA-Getriebe in etwa so schwer wie die bereits erhältliche Honda E-Clutch und nach ersten Aussagen von BMW in etwa so teuer wie das DCT des Wettbewerbers, spart sich aber den technischen Mehraufwand und das Zusatzgewicht eines Doppelkupplungsgetriebes, das im Fall einer Honda bei rund elf Kilogramm liegt. Etwas mehr als 1000 Euro Aufpreis soll der neue Schaltassistent kosten, der das Motorradfahren fraglos in eine neue Ära befördert.

So funktioniert das System
Das Anfahren wird mit der E-Clutch zur spielerischen Übung. Die Gangwechsel passieren sanft und schnell. Lästige Lastwechsel und der Schaltruck beim Hochschalten mit manuellem Getriebe bleiben nahezu vollständig aus. Gleiches verspricht nun auch BMW.

Die Funktionsweise des ASA erinnert an ein sequentielles Autogetriebe, erklärt Reiner Fings, Produktmanager bei BMW Motorrad: „Zwei elektronisch geregelte elektromechanische Aktuatoren betätigen die Kupplung sowie die Schaltung und ermöglichen damit einfaches Anfahren sowie automatisierte Schaltvorgänge. Der Schaltwunsch des Fahrers wird über einen Schalthebelsensor, der vom konventionellen Fußschalthebel betätigt wird, an die Steuerung übermittelt. Zusätzliche Sensoren ermitteln die Drehzahl der Getriebeeingangswelle sowie der Kupplungsposition. Diese Werte werden an das eng mit der Motorsteuerung vernetzte TCU-Steuergerät übermittelt. Der Aktuator regelt den erforderlichen Kupplungsschlupf, betätigt die Kupplung bei Schaltvorgängen und öffnet sie beim Anhalten.“

Klingt komplex, funktioniert auf dem Motorrad aber wie von selbst: Der Fahrer bekommt von all dem nichts mit. Er gibt einfach Gas und konzentriert sich aufs Fahren und Bremsen.

Ein DCT hat nur Honda
Bis weitere Hersteller auf den Zug aufspringen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein. BMW will ASA vorerst stärkeren Maschinen im oberen Hubraumsegment vorbehalten. Anders Honda: Die neue elektronische Kupplung gibt es zuerst in den Mittelklasse-Bikes CB650R und die CBR650R. Weitere Modelle werden folgen. Anders als beim DCT muss der Fahrer hier grundsätzlich selbst per Fuß hoch- oder runterschalten. Links sitzt wie gehabt ein Kupplungshebel am Lenker. Den kann der Fahrer benutzen. Oder er lässt es.

Schaltstöße beim Gangwechsel verhindert eine aufeinander abgestimmte Kombination aus halber Betätigung der Kupplung sowie Unterbrechung der Kraftstoffeinspritzung und Zündungskontrolle. Das Ergebnis ist ein ausgesprochen sanftes Fahrverhalten. Selbst im Stand kann der Fahrer problemlos durch alle Gänge wechseln – und sogar ohne Absaufgefahr in einem hohen Gang anfahren, sollte das Herunterschalten vor einem Ampelstopp mal vergessen worden sein. Die Kupplungssteuerung selbst erfolgt – ähnlich wie beim DCT und beim ASA von BMW Motorrad – über eine Aktuator-Einheit, die sich in diesem Fall samt zweier kleiner E-Stellmotoren seitlich an der rechten Motorseite befindet.

Zieht der Fahrer zwischendurch am Kupplungshebel, wird die Honda E-Clutch nach wenigen Sekunden automatisch wieder aktiviert. Wahlweise lässt sie sich über das TFT-Display auch für eine ganze Fahrt deaktivieren und über eine Trigger-Schaltung mit Plus- und Minus-Taster links am Lenker manuell die Gänge wechseln. Ein Feature für Schaltnostalgiker, könnte man meinen, dem im Hause Honda eine ähnliche Karriere zuzutrauen ist wie DCT.

Honda e-Clutch (Bild: Honda)
Honda e-Clutch

2010 brachten die Japaner das erste und bislang immer noch einzige in Großserie gefertigte Doppelkupplungsgetriebe für Motorräder auf den Markt. Das Konzept kommt an: Seinen mindestens 367 Kilogramm schweren Luxus-Tourer Gold Wing beispielsweise bietet Honda nur noch mit automatisiertem 7-Gang-Getriebe an. Bei der erfolgreichen Reiseenduro CRF 1100 L Africa Twin macht DCT (sechs Fahrstufen) insgesamt mehr als 55 Prozent aus, auch beim Sporttourer NT 1100 entscheidet sich mehr als die Hälfte der Kunden fürs assistierte Schalten. Modelle wie der SUV-Scooter X-ADV und der Kraftroller Forza 750 produziert Honda ausschließlich mit DCT statt dem bei Rollern üblichen, stufenlosen CVT-Getriebe.

„Das Beste am DCT ist, dass diese Technologie mir den Kopf freilässt, um mich auf das Schönste am Motorradfahren zu konzentrieren: Kurvenfahren, das Erspüren der perfekten Linie und das Timing beim Bremsen und Beschleunigen“, sagt Hondas DCT-Chefingenieur Dai Arai. Wem dafür bereits der Verzicht aufs Kuppeln reicht, der ist mit der E-Clutch bestens bedient: Sie kostet schmale 400 Euro Aufpreis. (cen)

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(Bild: KMM)



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