Österreichs Regierung will sich offenbar verstärkt mit der NATO austauschen. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine habe die Partnerschaft mit dem Bündnis eine „wachsende Bedeutung“, heißt es in einem Schreiben, das jetzt aufgetaucht ist. Die Opposition spricht von einem „Beitritt über die Hintertür.“
Österreich und seine immerwährende Neutralität. Ein heißes Eisen ohne Aussicht auf Abkühlung. Die Welt hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges verändert, und die Neutralität ist seit dem jüngsten Krieg in Europa noch intensiver auf dem Prüfstand. Die Insel der Seligen ist längst verblasst, sagt auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Die Regierung investiert 16 Milliarden Euro in modernes Kampfgerät. Undenkbar noch vor 10 Jahren. Nun sorgt ein „Annäherungsversuch“ an die Nato für Aufregung.
In Gestalt eines zweiseitigen Schreibens von Österreich und den anderen neutralen Staaten Irland, Malta und Schweiz. Die „Presse“ berichtete zuerst darüber. Es geht um das Vorantreiben einer Zusammenarbeit mit dem westlichen Militärbündnis. Es geht um mehr gemeinsame Übungen mit NATO-Staaten als auch um privilegierten Zugang zu Dokumenten.
Attacken von Blau und Rot
Die FPÖ reagierte umgehend wie empört. Wehrsprecher Volker Reifenberger: „ÖVP und Grüne arbeiten immer ungenierter an der Abschaffung der österreichischen Neutralität.“ Der Wunsch nach „Intensivierung des Austauschs“ mit der NATO sei nichts anderes als ein weiterer Schritt in Richtung Militärbündnis. Die ÖVP freilich betont stets, dass es an einer Änderung des Status nicht zu rütteln gebe. Auch wenn man – wie Tanner neulich in der „Krone“ und nun auch ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg – betont, dass die Neutralität alleine nicht sicher mache.
Auch SPÖ-Chef Andreas Babler rückte aus. Via X (vormals Twitter) sprach er von einem „Anbiederungsvrsuch an die NATO und einen Betritt durch Schwarz-Grün über die Hintertüre“. Nehammer gehe mit dem „Stück Neutralität“ um wie mit einem Schützenpanzer. Der Kanzler freilich betont bei jeder Gelegenheit, dass es keine Debatte zur Neutralität gebe. Der grüne Koalitionspartner plädiert für eine aktive Neutralitätspolitik und betont die Notwendigkeit von neutralen Ländern. Die NEOS, die im EU-Wahlkampf die „Vereinigten Staaten von Europa“ propagieren, plädieren für ein gemeinsames europäisches Heer. Auch ein Schritt weg zu einer Neuinterpretation wie in der Verfassung vorgesehen.
„Wie die Kuh vorm neuen Tor“
Pragmatischer Ansatz eines Praktikers. Bundesheer-Oberst Markus Reisner: „Wir haben die Neutralität im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt. Siehe zuletzt den Beitritt zum gemeinsamen Abwehrsystem Skyshield. Ich nenne das Neutralität Premium Plus.“ Man müsse, so der studierte Historiker, auch so offen sein und sagen, man wisse nicht, was noch alles komme und welche Anpassungen man noch vornehmen müsse. Angesichts des Kriegs in der Ukraine und den Entwicklungen weltweit. Reisner: „Wir stehen wie die Kuh vorm neuen Tor. Die Regierung muss die Rahmenbedingungen schaffen, wir erledigen die Arbeit. Im Sinne der Bevölkerung.“
Fest steht. Die Bevölkerung will die Neutralität nicht gefährdet wissen. Drei Viertel sind laut aktuellen Umfragen für die Beibehaltung. Nur 14 % sind für einen Natobeitritt.
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