Milliarden-Geschäft

Arzneimittelfälschung lukrativer als Drogenhandel

Ausland
08.05.2024 09:30

Die Kranken erwarten sich Heilung und erhalten unwirksame bis giftige Arzneimittelfälschungen zu horrenden Preisen. Weltweit machen die skrupellosen Erzeuger und Händler von Fake-Medikamenten jährlich bereits Umsätze zwischen 200 und 400 Milliarden US-Dollar (bis zu rund 3,8 Mrd. Euro).

„Laut Weltgesundheitsorganisation sind je nach Weltregion zwischen zwei und 30 Prozent der verkauften Medikamente Fälschungen. Wenn Täter verurteilt werden, gibt es oft nur milde Strafen. Diese Sachverhalte werden oft nur als Betrugsdelikt klassifiziert. Das Risiko eines Drogenhändlers ist viel größer“, sagte Stephanie Beer, Mitarbeiterin des Forensic Labs von MSD in Schachen bei Luzern am Montag bei einem Hintergrundgespräch.

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Da füllt man Kochsalzlösung in Fläschchen ab und verkauft sie um 1500 US-Dollar, wenn nicht um mehr.

Mitarbeiter von Pharmakonzernen über die üblen Praktiken

Im Grunde genommen gibt es kaum eine kriminell lukrativere Aktivität als das Fälschen von Arzneimitteln. „Da füllt man Kochsalzlösung in Fläschchen ab und verkauft sie um 1500 US-Dollar, wenn nicht um mehr“, lautete eine der Aussagen in Luzern. Die Palette ist riesig: Sie reicht von völlig wirkungslosen „Präparaten“ und „gestreckten“ Fakes bis hin zu toxischem, gar infektiösem Inhalt.

Forensische Labore eingerichtet
Vor einigen Jahren reichte es MSD, einem der größten Pharmakonzerne weltweit (USA), sprichwörtlich: 2017 wurde in Westpoint (USA) das erste forensische Labor zur Untersuchung von möglichen Arzneimittel-Fakes etabliert. 2018 folgte für Europa, Russland und Zentralasien ein Labor in Schachen bei Luzern, im Jahr darauf wurde in Singapur die dritte derartige Einrichtung für den Fernen Osten in Singapur etabliert.

Stephanie Beer: „Im Jahr 2022 hat unser Team (MSD Product Integrity; Anm.) 2102 Fälle im Zusammenhang mit Produktsicherheit in 90 Staaten bearbeitet. Das führte zu 166 Festnahmen und zur Sicherstellung von 11.009 Einheiten gefälschter oder illegaler Versionen unserer Produkte.“

Genauer Ablauf bei Verdachtsfällen
Im Verdachtsfall wird von außen nach innen geprüft. Man fertigt eine Fotodokumentation der möglichen Fälschung an. Dann geht es an die minutiöse Überprüfung der Verpackung unter dem Mikroskop und um einen Vergleich mit dem MSD-Original. Schließlich werden zum Beispiel Tabletten per 3D-Scanner vermessen, dann folgt die chemische Analyse des Inhalts. Man geht von non-destruktiven Verfahren zu destruktiven Methoden über.

Stephanie Beer: „Die Untersuchung von Biotech-Produkten ist noch komplizierter als die von kleinen (synthetischen; Anm.) Molekülen.“ Der US-Konzern hat zum Beispiel mit Pembrolizumab einen weltweit eingesetzten Checkpoint-Inhibitor zur hoch wirksamen Behandlung vieler Krebserkrankungen. Der Wirkstoff, ein monoklonaler Antikörper, lässt sich beispielsweise an der Zusammensetzung einer Zucker-Seitenkette als echtes MSD-Produkt identifizieren – oder als teuer verkaufte Fälschung ohne Wert.

Richtlinien, um Fälschungen auszubremsen
Im Endeffekt will der Konzern mit den Labors die Trennlinie zwischen Fälschungen und legalen Liefer- und Vertriebswegen für Arzneimittel dichter machen. Ein deutlicher Fortschritt war vor rund fünf Jahren die in der EU und der Schweiz etablierte Serialisierung jeder einzelnen Packung verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die vom Produzenten per QR-Code, Seriennummer und Versiegelung in das EU-weite System eingebucht und vom Leistungserbringer – vor allem den Apotheken und Krankenhäusern – am Ende wieder ausgebucht wird. Das soll den Einstrom von Fälschungen verhindern.

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Was man dem Konsumenten aber raten muss: Arzneimittel sind am besten über die Apotheken zu beziehen.

Nicolas Florin vom Schweizer Verband für die Verifizierung von Arzneimitteln

„Arzneimittelfälschungen sollen in Europa kein Geschäftsmodell sein. Die Sicherheit wurde erhöht. Was man dem Konsumenten aber raten muss: Arzneimittel sind am besten über die Apotheken zu beziehen. Da ist in Europa das Risiko für Fälschungen gering“, sagte Nicolas Florin vom Schweizer Verband für die Verifizierung von Arzneimitteln.

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