Live im Gasometer

I Prevail: Metalcore, den auch Omas hören können

Musik
15.05.2024 09:00

Die Erfolgskurve der US-Metalcore-Band I Prevail zeigt seit ihrer Gründung vor gut zehn Jahren steil nach oben. Am 16. Mai kommen sie in den randvollen Gasometer, ohne den operierten Sänger Brian Burkheiser, der mit der „Krone“ noch einmal die kurze, aber rasante Karriere der Band rekapitulierte.

(Bild: kmm)

An die zeitlich früh angesetzte Show beim Nova Rock 2019, wo I Prevail ihre Österreich-Premiere feierten, erinnert sich Sänger Brian Burkheiser im „Krone“-Talk noch gut. „Wir haben mit nichts gerechnet, aber der Bereich vor der Bühne war damals nicht nur voll, die Leute haben auch getanzt, gemosht und lautstark mitgesungen. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass das Nova Rock zu unseren wichtigsten Plätzen in Europa gehört.“ Die prinzipiell eine ruhigere Form des Metalcore mit viel Klargesang und poppigen Elementen praktizierenden Amerikaner wiederholten die Nova-Rock-Stimmung letzten Sommer und spielen nun im seit Monaten ausverkauften Wiener Gasometer. Der Hype um das Gespann ist ungebrochen, doch ausgerechnet Burkheiser wird in Wien fehlen. Er leidet am Eagle-Syndrom, bei dem ein verlängerter Knochen des Hirnschädels dafür sorgt, dass Gesicht, Kiefer und Hals immer wieder schmerzen. Im Februar unterzog er sich einer OP, doch diese Tour kommt noch etwas zu früh.

Vom Pizzaladen in die großen Arenen
Neben dem etatmäßigen Shouter Eric Vanlerberghe wird Gitarrist Dylan Bowman Burkheisers Clean Vocals übernehmen, womit die Fans möglichst auf wenig verzichten müssen. Die rasant erfolgreicher werdende Karriere von I Prevail ist dem fehlenden Co-Frontmann noch immer ein Rätsel. „Es ist wie in einem Traum. Ich spielte vorher in einer lokalen Band in Michigan, wo absolut nichts weiterging. Ich war am College im Journalismus-Zweig, schmiss für die Band aber hin. Dann habe ich bei Domino’s im Pizzaladen gearbeitet, um über die Runden zu kommen. I Prevail war musikalisch meine letzte Chance. Wäre das nicht aufgegangen, hätte ich mich im Leben endgültig woandershin orientiert.“ Brian und Lead-Gitarrist Steve Menoian starteten das Projekt, der Rest der Band kam schnell dazu und das Metal-Cover von Taylor Swifts Superhit „Blank Space“, das sich 2014 auf der Debüt-EP „Heart vs. Mind“ befand, ging digital durch die Decke.

Heute sieht Burkheiser den Kickstart mit gemischten Gefühlen. „Am Anfang war es natürlich großartig. Wir spielten in Michigan plötzlich ein Konzert vor 1100 Fans, das hat mich komplett umgehauen. Wir konnten durch den Song erstmals groß auf Tour gehen und die Leute lernten uns schnell kennen.“ Nebenbei gab es aber auch Unkenrufer, die I Prevail als billige Poser beschimpften und ihnen die Daseinsberechtigung im Metalcore-Sektor absprachen. „Eine Band namens Our Last Night tweetete damals, es sollte mal jemand eine gute Cover-Version von ,Blank Space‘ machen, nachdem die Nummer von uns draußen war. Für mich war das hart. Ich war 21 und selbst ein Fan von ihnen. Warum zerfleddert man eine Band öffentlich, die man nicht mal persönlich kennt? Es entwickelte sich für sie aber zum Bumerang. Heute ist das längst vergeben, aber vergessen tue ich solche Dinge nicht. Diese Art von Eifersucht bedeutet am Ende nur, dass man selbst viel richtig gemacht hat.“

Schonungslose Offenheit
Zehn Jahre später gehören I Prevail zu den erfolgreichsten Bands ihres Genres, können auf respektable Streaming- und Verkaufszahlen hinweisen, füllen auch in Europa die Hallen und landen vor allem in ihrer amerikanischen Heimat regelmäßig weit oben in den Rockcharts. Vor allem die beiden ersten Studioalben „Lifelines“ (2016) und „Trauma“ (2019) sorgten für einen ordentlichen Karriereschub. „True Power“ (2022), noch immer das aktuellste Album der Band, sank zwar ein bisschen in der Gunst ihrer Fans, reihte sich inhaltlich aber perfekt in die bisherige Diskografie ein. Inhaltlich gehen I Prevail sehr offen mit persönlichen Themen um und sprechen ihren Fans damit aus der Seele. „Meine mentalen Probleme gingen früher bis zum Zusammenbruch und über die Jahre habe ich gelernt, dass die Musik ein wunderbares Ventil dafür ist, damit nach außen zu gehen. Ich leide immer noch am Hochstapler-Syndrom und glaube oft, wir hätten hier nichts zu suchen. Wenn eigene Helden wie etwa Papa Roach mit uns die Bühne teilen, geht es mir oft immer noch so, aber mittlerweile habe ich das Problem halbwegs im Griff.“

Dass I Prevail schon früh auf Gegenwind stießen, hat Burkheiser und Co. robuster gemacht. „Uns wurde oft vorgeworfen, wir würden mit den Mental-Health-Themen irgendwelchen Trends folgen und es nicht ernst meinen. Absoluter Blödsinn, wir schreiben von Anfang an nur für uns und für unsere Fans. Als ich 15 war, haben mich Texte von Papa Roach oder A Day To Remember gerettet. Dasselbe wollen wir für die Kids von heute ausstrahlen. Wir alle durchleben schwere Krisen und erleiden Rückschläge. Mein Ansatz als Songwriter ist es, dass jeder einzelne Song für irgendjemanden einen Unterschied machen muss. Ich könnte nie auf die Bühne gehen und etwas singen, was inhaltlich bedeutungslos ist.“ Breit ist auch die musikalische Palette von I Prevail, die immer wieder Schlenker in andere Genres zulässt. „Manche Songs gehen gerade nach vorne, andere könnte ich problemlos meiner Oma vorspielen. Nicht alle Experimente landen bei uns auf einem Album, aber am Anfang ist erst einmal absolut alles erlaubt.“

Arbeiten für den Traum
Burkheiser ist der festen Meinung, dass sich Rockmusik nach jahrelanger Hip-Hop-Dominanz wieder an die Spitze der globalen Populärmusik zurückkämpft. „Ich spüre es, der Trend geht wieder zurück zu den Gitarren. Sehr viele Künstlerinnen aus anderen Genres lieben die Musik, die wir machen. Carrie Underwood, die früher ,American Idol‘ gewonnen hat, ist oft bei unseren Gigs, vielleicht ergibt sich da sogar einmal eine Kooperation.“ All der gesundheitlichen Probleme zum Trotz bleibt Burkheiser ob seiner und der Karriere seiner Band mehr als optimistisch und hat aus den anfänglichen Rückschlägen seine Lehren gezogen. „Du musst dich auf jeden Fall mit Leuten umgeben, die dieselbe Motivation wie du haben – ansonsten wird das garantiert nichts. Außerdem haben wir bei I Prevail akribisch an den Songs gearbeitet. Wir haben fast zwei Jahre daran geschraubt, bis wir etwas veröffentlichten. Das war hart, aber es hat sich gelohnt. Wenn du dir deinen Lebenstraum erfüllen willst, dann musst du auch viel Arbeit in ihn hineinstecken.“

Live in Wien
Am 16. Mai sind I Prevail im bereits seit Monaten ausverkauften Wiener Gasometer zu Gast. Leider ohne den rekonvaleszenten Sänger Brian Burkheiser, dafür mit Set It Off und Kid Bookie im Vorprogramm.

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