Im Vorjahr feierte das Kunsthaus Graz seinen 20. Geburtstag. Aus diesem Anlass wurde auch Sol LeWitts monumentales Werk „Wall“ wieder aufgebaut und seit Monaten mit zeitgenössischen Positionen bespielt. Zum Finale von „@Sol LeWitt‘s Wall. Performed“ präsentiert die argentinische Künstlerin Gabriela Golder dort zwei berührende Videoarbeiten.
„Mir geht es gut hier. Spielst du oft Fußball mit dem Opa?“ Es sind ganz normale Sätze, die jedes Elternteil seinen Kindern in einem Brief aus dem Urlaub schicken könnte. Jedoch: Die Briefe, die die argentinische Künstlerin Gabriela Golder für ihre Videoarbeit „Letters“ verwendet, sind keine harmlose Urlaubspost. Es sind Briefe, die politische Gefangene der argentinischen Militärdiktatur zwischen 1975 und 1983 an ihre Familien geschrieben haben.
Trauma und Normalität
Aus ihnen kann man deutlich das Trauma der Verfolgung und Inhaftierung herauslesen – viel mehr aber noch, tritt in ihnen der Versuch zutage, auch über die Mauern der politischen Verfolgung hinweg ein Gefühl von Normalität aufrechtzuerhalten: „Mich hat berührt, wie sehr in den Briefen, nicht das Leiden betont wird, sondern die wenigen freudigen Momente des Lebens – eine warme Tasse Tee, ein Strahl Sonnenschein. Die Briefe sind durchtränkt vom Versuch, die Beziehungen nach draußen trotz aller Hindernisse aufrechtzuerhalten“, erzählt die Künstlerin der „Krone“.
Heutige Kinder im Alter zwischen 8 und 12 Jahren lesen diese Briefe für Golders Videoinstallation vor – und verleihen der Arbeit so auch mehr als eine rein historische Bedeutung: „Die Kinder könnten vom Alter her die Enkel der Menschen sein, die diese Briefe einst geschrieben haben“, erklärt Golder und thematisiert damit auch die transgenerationalen Auswirkungen derartiger Erlebnisse und der Traumata, die damit einhergehen. „Für mich sind solche Dinge nie wirklich vorbei, sondern kommen wie in einer Endlosschleife immer wieder“, sagt Golder.
Die Poesie des Himmels
Dazu passt auch die zweite Arbeit, die sie aktuell im Kunsthaus zeigt: Während der Corona-Pandemie hat sie Videos vom Himmel gemacht und mit diesen eine KI gefuttert, die dazu poetisch-anmutende Texte geschaffen hat. Auch diese Arbeit zeigt den Versuch, allen Hindernissen zum Trotz, mit einer „Welt da draußen“ in Kontakt zu bleiben und die Kommunikation mit allen Mitteln am Leben zu halten.
Die Arbeiten von Gabriela Golder sind bis 9. Juni im Grazer Kunsthaus zu sehen.
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