Eigentlich sind sie zutraulich: Jene Ziesel, die schon vor vielen Jahren auf einer Wiese nahe Gerasdorf bei Wien ihre unterirdische Kolonie aufgebaut haben. Nicht nur für Einheimische eine Attraktion – die Tiere haben ihre Scheu von den Menschen daher längst verloren. Das wurde vielen jedoch zum Verhängnis, als eine Wagenburg bei bzw. auf ihrer Kolonie Station machte.
Tote Tiere am Wegesrand, die Eingänge in ihr unterirdisches Gangsystem verstopft, auf der Wiese herumfahrende Autos zerstörten die von den Tieren mühsam errichteten Beobachtungshügel: Eine Welle der Empörung verbreitete sich in den sozialen Netzwerken, als berichtet wurde, dass ein fahrendes Volk mit mehr als 50 Gespannen just auf der bekannten Wiese ihr Lager aufgeschlagen hatte.
Rechtslage macht sofortige Räumung schwierig
Im Nu wurden Exekutive und Politiker auf den Plan gerufen – und eilten zum Ort des Geschehens. „Wir haben sofort die Bezirkshauptmannschaft in Kenntnis gesetzt und eine Räumung gefordert“, erklärt Vizebürgermeister Dietmar Ruf der „Krone“ die Problematik. „Es ist so, dass der Vorfall unter das Verwaltungsstrafrecht fällt“, führt er aus. Und hier könne man, auch wenn es sich um streng geschützte Tiere handelt, nicht umgehend Handlungen setzen.
Tierschützer sollen bedroht worden sein
Vor allem, da es sich um eine Hundertschaft an Menschen, darunter viele Kinder, handelt: Diese standen den anwesenden Politikern und Exekutivbeamten, die ihnen die Lage der geschützten Kolonie – teilweise mit Handyübersetzung – zu erklären versuchten, nicht immer kooperativ gegenüber. „Wir konnten zumindest erreichen, dass ein Großteil weitergezogen ist“, erläutert Ruf. Als Tierschützer die Kennzeichen fotografieren wollten, wurden sie – so hieß es – von deren Besitzern sogar verfolgt und angehalten, die Fotos von ihren Handys zu löschen.
„Tierschutz Austria“ ist in heller Aufregung
Dieselben Gründe dürfte auch die Bezirkshauptmannschaft dazu bewegt haben, vorerst lediglich eine Frist für einen Abzug bis Montag zu setzen.
Die Rechtsexpertin der Organisation „Tierschutz Austria“ eilte zur Zieselwiese und berichtete telefonisch voller Aufregung, dass ihr die Hände gebunden seien, solange weder Bezirkshauptmannschaft noch übergeordnete Behörden weitere Schritte setzen.
Am Sonntagnachmittag waren immer noch 17 Gespanne auf der Wiese abgestellt. „Hier hatten wir keine Chance“, berichtet Ruf. „Sie bestanden darauf, eine Woche lang dort ihr Lager halten zu wollen.“ Am Montag will der Vizebürgermeister nochmal schriftlich die BH dazu auffordern, den Platz zu räumen.
Ein Teil ist abgezogen, andere weigern sich, wegzufahren
Madeleine Petrovic, Präsidentin der Organisation „Tierschutz Austria“, versteht angesichts der „Untätigkeit der Behörden“ die Welt nicht mehr: „Die Polizei muss das Umweltrecht und den Artenschutz, der in der Verfassung verankert ist, genauso ernst nehmen wie Störungen der Straßenverkehrsordnung. Das Stören des Habitats der Tiere ist dort niedergeschrieben und mit strafrechtlichen Konsequenzen verbunden“, ist die Tierschutz-Austria-Präsidentin empört.
Nur kämpft sie, gemeinsam mit Dutzenden Tierschützern, gegen Windmühlen: „Anzeige haben wir bereits erstattet. Aber weder das Bundesministerium für Inneres noch der Bezirkspolizeikommandant oder der Bezirkshauptmann haben auf unsere Forderungen reagiert.“
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