Schallenberg in Ankara
Israel: Türkei wirft Österreich zweierlei Maß vor
Die Türkei will ihre Kontakte zur Terrororganisation Hamas nutzen, um die Freilassung der österreichisch-israelischen Geisel Tal Shoham zu erwirken. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte im Vorfeld des Treffens gesagt, die Türkei sei derzeit „einer der wenigen Akteure mit belastbaren Kanälen zur Hamas“ – in Ankara wurden aber auch Differenzen sichtbar.
„Wir lassen nichts unversucht, um Tal Shoham zu seiner Familie wieder zurückzuführen“, betonte Schallenberg. „Jeder Versuch“ könne dabei helfen. „Ich bin schon jetzt den türkischen Freunden dankbar für alles, was sie versuchen werden.“ So empfing der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kürzlich den Chef der palästinensischen Terrororganisation, Ismail Haniyeh, in Ankara.
Betonte Herzlichkeit und große Differenzen
Schallenberg und Fidan traten bei der Pressekonferenz betont herzlich auf, bekräftigten aber ihre völlig unterschiedlichen Ansichten des Nahost-Konflikts. So bezeichnete Fidan die Hamas als bewaffnete Widerstandsgruppe, während er Israel im Gazastreifen „versuchten Völkermord“ vorwarf. Das Land müsse international weiter isoliert werden – etwa durch einen Beitritt zur südafrikanischen Völkermord-Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) oder die Anerkennung Palästinas.
„Die internationale Gemeinschaft muss Hand in Hand diesen Wahnsinn stoppen. Ansonsten wird (der israelische Premier Benjamin) Netanyahu mit sich zusammen die gesamte Region abbrennen“, betonte der Vertraute des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Schallenberg wies die Forderungen seines Kollegen zurück und forderte ihn auf, „nicht Öl ins Feuer zu gießen“. Die Welt stehe nämlich am Rande des Abgrunds, und „jeder unbedachte Schritt könnte das Tor zur Hölle aufstoßen“. Als Schuldigen an der Situation machte er die Hamas aus. „Wir wären nicht hier, wenn die Hamas nicht am 7. Oktober in einer unglaublichen mittelalterlichen Pogrom Menschen abgeschlachtet hätte“, betonte er.
Schallenberg bestreitet zweierlei Maß
Fidan konterte, dass die israelische Reaktion auf diesen Tag schon sieben Monate andauere. Die Türkei habe zwar Verständnis für die historisch begründete Haltung Deutschlands und Österreichs, doch könne man die Taten von Menschen, die heute Unterdrücker seien, nicht gutheißen, nur weil sie in der Vergangenheit unterdrückt worden seien. „Genauso wie es falsch war, dass Juden in Konzentrationslager gebracht worden, ist es ein Fehler, dass Mütter und Kinder in Gaza getötet werden“, betonte Fidan.
Schallenberg bestritt, dass Österreich bei Israel mit zweierlei Maß messe. Die österreichische Haltung sei „sehr klar“. Das humanitäre Völkerrecht müsse von allen Staaten eingehalten werden, auch von Israel. „Israel muss viel mehr tun, um Zivilisten zu schützen“, forderte der Außenminister neuerlich einen „glaubwürdigen, umsetzbaren Plan“ zum Umgang mit den 1,4 Millionen Binnenvertriebenen aus dem Norden des Gazastreifens, ehe eine Offensive auf die Grenzstadt Rafah gestartet werde.
Schallenberg will „maßgeschneiderte Partnerschaft“
Während Fidan den EU-Beitrittswunsch seines Landes bekräftigte und auf die Einhaltung von Vereinbarungen („Pacta sunt servanda“) pochte, warb Schallenberg für eine „maßgeschneiderte Partnerschaft“ mit der Türkei. „Man kennt unsere Position zum Vollbeitritt, wo wir unsere Zweifel haben“, formulierte Schallenberg im Angesicht seines Amtskollegen diplomatischer als nach seiner Ankunft am Montag, als er einen EU-Beitritt der Türkei als „Illusion“ bezeichnet hatte.
Schallenbergs Visite stand ganz im Zeichen von Sicherheitsfragen. Am Montagnachmittag hatte er mit Innenminister Ali Yerlikaya eine engere Polizeikooperation im Kampf gegen Terrorismus vereinbart. Konkret soll ein „rotes Telefon“ zum unbürokratischen und schnellen Informationsaustausch zwischen den Spitzen der Polizeibehörden eingerichtet werden.
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