Nächste Krawall-Nacht
Neukaledonien im „Griff beispielloser Gewalt“
Im französischen Überseegebiet Neukaledonien ist es die dritte Nacht in Folge zu Krawallen von Separatisten gekommen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Donnerstag in der Früh eine weitere Krisensitzung einberufen. Die Insel soll teilweise einem Schlachtfeld gleichkommen.
Offiziellen Angaben zufolge sind bei den schweren Unruhen bisher vier Menschen ums Leben gekommen, darunter ein Polizist. Hunderte weitere Menschen wurden verletzt. Örtliche Medien veröffentlichten am Donnerstag Fotos und Videos von geplünderten und völlig zerstörten Supermärkten und Tankstellen.
Die französische Regierung hatte am Mittwochabend beschlossen, Soldaten für die Sicherung von Brücken und des vorerst geschlossenen Flughafens einzusetzen. Der Zugang zum Onlinedienst TikTok, der von vielen Protestierenden genutzt wird, wurde auf der Inselgruppe im Pazifik vorläufig gesperrt.
Ausnahmezustand verhängt
Seit Anfang der Woche setzen Unabhängigkeitsbefürworter immer wieder Geschäfte und Autos in Brand. Paris hatte als Reaktion auf die Gewalt in der Inselgruppe im Südpazifik am Mittwoch für zunächst zwölf Tage den Ausnahmezustand verhängt. Dies ermöglicht es den Behörden unter anderem, Demonstrationsverbote zu erlassen, öffentliche Orte und Webseiten zu sperren und der Polizei und Justiz erweiterte Befugnisse einzuräumen.
Hintergrund
- Von 1853 bis 1946 war Neukaledonien französische Kolonie.
- Die Inselgruppe mit 270.000 Einwohnern, die 1500 Kilometer östlich von Australien liegt, hatte durch das Abkommen von Nouméa 1998 bereits weitgehende Autonomie erlangt.
- Für Paris ist das Territorium vor allem geopolitisch, militärisch und wegen großer Nickelvorkommen von Bedeutung.
- Derzeit versucht Paris, mit den politischen Kräften in Nouméa ein neues Abkommen zu schließen.
Bei den Protesten von Unabhängigkeitsbefürwortern geht es um eine geplante Verfassungsreform der Regierung in Paris, die Tausenden französisch-stämmigen Bürgern, die seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen in Neukaledonien leben, das Wahlrecht einräumen würde. Sie würden somit mehr politischen Einfluss bekommen. Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken – Neukaledoniens Ureinwohner – hofft aber schon lange auf einen eigenen Staat.
Tausende Unruhestifter verwüsten Insel
Das Hochkommissariat in Neukaledonien gab bekannt, dass rund 5000 Randalierer im Großraum der Hauptstadt Nouméa an den Unruhen beteiligt seien. Trotz Ausgangssperren war die Lage noch immer nicht unter Kontrolle. Das größte Krankenhaus des Archipels, Médipôle de Koutio, teilte mit, derzeit vorwiegend Notfälle zu behandeln. Wegen Straßenblockaden hätten viele Erkrankte aber Probleme, die Klinik überhaupt zu erreichen.
Vor vielen Geschäften bildeten sich lange Schlangen besorgter Bürger, weil Lebensmittel bereits rationiert werden, wie der Sender 1ère Nouvelle-Calédonie berichtete. Tankstellen ging das Benzin aus.
„Im Griff beispielloser Gewalt“
Die Präsidentin der Südprovinz Sonia Backes, eine prominente Aktivistin für einen Verbleib bei Frankreich, bat die Regierung in Paris um finanzielle Unterstützung: „Unser Territorium ist seit 72 Stunden im Griff beispielloser Gewalt“, schrieb sie in einem Brief an Premierminister Gabriel Attal. Der anfängliche Schaden für die Wirtschaft Neukaledoniens werde von der Industrie- und Handelskammer auf 150 Millionen Euro geschätzt.
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