Österreich ist bisher die größte Sensation der 87. Eishockey-Weltmeisterschaft in Tschechien. Nach dem Punktgewinn gegen Weltmeister Kanada und dem 3:2-Sieg am Donnerstag gegen Olympiasieger Finnland ist das große Ziel Klassenerhalt schon in Reichweite. Selbst vom – allerdings noch weit entfernten – Viertelfinale darf man plötzlich träumen, weil die Mannschaft von Roger Bader in Prag mit Moral, Selbstvertrauen, starken Torhütern und einmaliger Offensivstärke überzeugt.
Im Kampf gegen den Abstieg hat Österreich sehr gute Karten gegenüber Norwegen (3), Dänemark (3) und Großbritannien (0). Seit 2016 war diese Ausbeute stets für den Verbleib genug, heuer will man sich damit nicht mehr begnügen. Marco Rossi, Österreichs einziger NHL-Stürmer, verkörpert das Selbstbewusstsein und das Streben nach Höherem wie kein anderer. Klassenerhalt gesichert? „An das denken wir nicht, wir wollen immer mehr und mehr und mehr“, sagte der Stürmer nach dem Sieg über Finnland im ORF-Interview.
Dabei begann das Turnier in Prag für ihn und seine Kollegen mit einer bitteren Enttäuschung und einer 1:5-Niederlage gegen Dänemark. „Manchmal braucht es so eine Ohrfeige, um den nächsten Ruck rauszuholen. Dann hat das eine das andere ergeben. Fünf Tore gegen die Schweiz, gegen Kanada war es exzellent und heute haben wir am Anfang Lehrgeld bezahlt, sind aber immer besser ins Spiel gekommen“, sagte Bader.
Mit dem Schlussdrittel gegen Kanada (6:7 nach Verlängerung), in dem erstmals in der WM-Geschichte ein Fünf-Tore-Rückstand wettgemacht werden konnte, kam das Vertrauen in die eigenen Stärken. Und nun auch das Glück dazu. Der Siegtreffer von Benjamin Baumgartner schlug 0,2 Sekunden vor der Schlusssirene ein. „Finnland zu schlagen, war das noch bessere Gefühl als Kanada in die Overtime zu zwingen“, sagte der Matchwinner.
Innerhalb von drei Tagen hat sich so die Enttäuschung in eine Hochstimmung gewandelt. „Das Kanada-Spiel hat uns sehr, sehr gut getan. Seitdem sind wir in der Kabine noch enger zusammengekommen. Gegen die Finnen haben wir gewusst: Hey, wenn wir super spielen, ist vielleicht etwas da. Jetzt können wir glücklich sein, dann geht es schon wieder weiter gegen Tschechien“, sagte Rossi.
„Die Löwen wurden gedemütigt“
Viel Lob gab es am Donnerstagabend vom Gegner. „Österreich ist einfach eine gute Mannschaft. Sie haben es uns schwer gemacht. Es ist nicht einfach, gegen eine Mannschaft zu spielen, die so geduldig verteidigt und das Zentrum blockiert. Es war ziemlich schwierig, bei 5-gegen-5 Chancen zu erspielen“, wurde Teamchef Jukka Jalonen in der Zeitung Ilta-Sanomat zitiert. Die Zeitung selbst ging scharf mit dem „Leijonat“ (Löwen) genannten Team um: „Die Löwen wurden gedemütigt“.
„Für das Viertelfinale braucht man zwölf Punkte“
Österreich kann nun zumindest mit einem guten Punktepolster in die abschließenden Partien gegen Norwegen am Sonntag und Großbritannien am Dienstag gehen, die als entscheidend um den Klassenerhalt eingestuft worden waren. Mit zwei Erfolgen wäre wohl die beste WM-Platzierung seit 21 Jahren (Rang zehn in Helsinki) sicher, eventuell sogar mehr. Bader, der nüchtern-zurückhaltende Schweizer, bremst aber. „Es ist noch vermessen, für das Viertelfinale braucht man zwölf Punkte“, meinte er und forderte vielmehr Fokus auf die Leistungen. „Wir müssen nicht so tun, dass wir gegen Norwegen und Großbritannien Favorit sind, wir müssen gegen die beiden Mannschaften und Tschechien mit dem gleichem Mindset spielen wie in den letzten Partien, sonst geht es schnell in die andere Richtung“, betonte der Teamchef.
Turnier für die Geschichtsbücher
Doch schon jetzt ist das Turnier für Österreichs Team eines für die Geschichtsbücher. Nach dem größten Comeback der WM-Geschichte gegen Kanada und dem ersten Sieg gegen Olympiasieger Finnland wird es wohl die A-WM mit den meisten rot-weiß-roten Toren. Nimmt man Penaltyschießen aus, hat Österreich bisher maximal 17 Tore in der Eliteklasse geschossen (1995, 2002 und 2013), vor den noch offenen drei Partien hält das aktuelle Team bereits bei 15 Treffern.
Zu verdanken ist das einer Abschluss-Effizienz, in der das ÖEHV-Team die Nummer eins des Turniers ist. Von 76 Schüssen auf das Tor landeten 15 im Netz und damit 19,74 Prozent. Zum Vergleich: bei den vergangenen zwei Weltmeisterschaften in Tampere kamen die Österreicher auf 7,1 Prozent (2023) und 9,88 Prozent (2023). „Wir sind in der Lage, schnell umzuschalten, schnelle Angriffe auszuführen“, sagt Bader. Er nennt das Torpedo-Hockey.
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