Erste Zwischenbilanz unserer großen Serie zur Integration. So reagiert Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) auf die ersten Zuschriften der „Krone“-Leser.
Liebe Leser, wie kann Integration in Wien funktionieren? Diese Frage hat der „Krone“ bislang Hunderte Mails und Briefe beschert. Wie berichtet, überarbeitet Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) die Regeln für das Zusammenleben mit Zuwanderern – und setzt dabei auf die Meinung der Wiener. In einer ersten Zwischenbilanz haben wir ihn mit den Ideen der Leser konfrontiert:
Herr Wiederkehr, viele befürchten: Nun ist über viele Jahre nichts passiert und kurz vor den Wahlen entdecken die Parteien das Thema Integration, um es danach wieder zu vergessen.
Ich kann nachvollziehen, dass dieser Eindruck von der Politik entstanden ist. Links haben die Parteien die Probleme ignoriert, rechts haben sie die Probleme nur größer gemacht, ohne Lösungen zu bringen. Darum ist es mir wichtig, hier eine vernünftige Diskussion mit konkreten Lösungen zu starten.
Das Frauenbild vieler Männer, die zu uns herkommen, ist katastrophal. Jetzt hatten einige Leser die Idee diese Zuwanderer in verpflichtende Benimm- und Wertekurse zu stecken, die nur von Frauen durchgeführt werden. Damit Männer sehen, dass bei uns Frauen einen anderen Stellenwert haben als in Ihrer Heimat.
Das finde ich als sehr interessanten Ansatz, weil man in Österreich Frauen und Männern mit dem gleichen Respekt begegnen muss. Das ist für mich ganz essenziell, die Menschenwürde von allen zu achten. Und ich erlebe es vor allem auch in der Schule, dass zum Beispiel weibliche Lehrkräfte zum Teil schlechter behandelt werden oder Männer mit ihnen nicht reden. Und das geht nicht.
1 Tag nach Ankunft in Österreich sollen Flüchtlinge zur Arbeit verpflichtet werden, fordern einige Leser. Christoph Wiederkehr ist gegen „Zwangsarbeit“, kann sich aber ein Integrationsjahr im Asylverfahren vorstellen.
Rechtlich schwer umzusetzen, aber viele Wiener fordern eine komplette Kürzung der Sozialleistungen, wenn nachweislich nicht gut genug Deutsch gesprochen wird.
In manchen Bereichen gibt es ja schon Konsequenzen, wenn Auflagen, wie eine Integrationsvereinbarung, nicht erfüllt werden. Das halte ich auch für sinnvoll. Es ist aber nicht in allen Fällen möglich. Und da ist sicher zu prüfen, ob hier rechtlich noch mehr Konsequenzen möglich sind. Das kann aber nur der Bundesgesetzgeber. Zum Teil ist eine Kürzung aber jetzt schon der Fall, wenn beispielsweise Sprachkurse nicht besucht werden.
Ein Ausbau der Konsequenzen für Integrationsverweigerer wäre aus Ihrer Sicht also erstrebenswert?
Es ist auf jeden Fall zu prüfen, was man zusätzlich machen kann, wenn Menschen nicht bereit sind, die Sprache zu lernen oder unsere Werte anzunehmen. Da bin ich auf jeden Fall dafür.
Ich bin für ein Recht ab Tag eins arbeiten zu dürfen. Das gibt es ja in Österreich noch nicht.
Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr
Viele fordern verpflichtende Arbeit ab dem ersten Tag. Nicht nur Müll einsammeln, sondern z. B. in der Gruft oder Aushilfe in der Pflege.
Ich bin für ein Recht ab Tag eins arbeiten zu dürfen. Das gibt es ja in Österreich noch nicht. Das ist noch immer an Bedingungen geknüpft, ob man arbeiten darf. Und das wäre ein wichtiger Schritt. Für Zwangsarbeit bin ich nicht, das würde auch rechtlich nicht halten. Was ich mir aber schon vorstellen kann ist ein verpflichtendes Integrationsjahr im Asylverfahren.
Was sollte dieses Integrationsjahr alles beinhalten?
Ein Integrationsjahr sollte Werte und Sprache vermitteln und Menschen an die Arbeit heranführen. Das sind für mich die drei Kernelemente für eine gelungene Integration. Sprache, Arbeit und Werte. Ich habe auch gesehen, dass das ein roter Faden ist bei den Zuschriften der „Krone“-Leser.
Wohnen ist unseren Lesern wichtig. Gefordert wird eine bessere Aufteilung der Flüchtlinge auf ganz Wien zur Vermeidung von Wohngettos.
Es gibt in Wien und in Österreich die Freiheit jedes einzelnen, eine Wohnung zu suchen, in der er oder sie leben möchte. Diese Freiheit ist auch gut so. Es ist aber auch Aufgabe und Auftrag der Stadt, eine Durchmischung sicherzustellen. Das machen wir, indem wir Gemeindebauten, Genossenschaften und frei finanzierte Wohnungen gegen Konzentrationen einzelner ethnischen Gruppen planen.
Mit Verbesserungsbedarf?
Immer. Wohnen ist eine Riesenaufgabe für die Stadt. Also dass ausreichend neue Wohnungen geschaffen werden und die Durchmischung gut funktioniert. Wir sehen aber in einigen Bezirksteilen, dass das auch in eine positive Richtung geht. Etwa am Yppenplatz.
Können sich die Wiener wirklich ein neues Integrationsmanifest bis Herbst erwarten oder ist alles nur eine PR-Show für eine Pressekonferenz?
Wir sehen jetzt schon an der großen Beteiligung, zum Beispiel der „Krone“-Leserinnen und -Leser, dass die Diskussion notwendig ist, und dass wir alle Vorschläge gemeinsam diskutieren müssen. Es wird ein Wertekonvent mit Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft geben, um hier Spielregeln festzuschreiben. Für vieles brauchen wir den Bundesgesetzgeber. Aber auch das sehe ich als meine Aufgabe, hier eine stärkere Verbindlichkeit auch einzufordern.„
Dann sagt Wiederkehr abschließend: „Das Gute an dem Prozess ist ja, dass es nicht nur um meine Meinung geht."
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