Enzo Diessl, welch großartiger und sympathischer Athlet, welch einmaliges Talent! In seinem ersten Rennen bei regulärem Wind über die Männer-Hürden stürmte der 19 Jahre alte Steirer beim Liese-Prokop-Memorial in St. Pölten zum Limit für die Europameisterschaften in Rom (7. bis 12. Juni). Der U20-Europamneister von 2023 bewältigte die 110 m Hürden in großartigen 13,46 Sekunden – bei einem regelkonformen Rückenwind von 1,9 m/sek. Das Finale gewann Enzo Diessl anschließend in 13,55 Sekunden
Damit hatte Enzo Diessl in St. Pölten heuer endlich auch Glück mit dem Wind. In seinen ersten beiden Rennen in der Allgemeinen Klasse hatte er zwar bereits mit 13,31 am 9. Mai in Maria Enzersdorf und 13,38 am 12. Mai in Graz Klassezeiten hingelegt, wegen unzulässig starkem Rückenwind (mehr als 2,0 m/sek) konnten diese Ergebnisse aber nicht als Direkt-Qualifikation für die EM anerkannt werden. Jetzt aber egalisierte er in St. Pölten diese geforderte Norm von 13,46 auf die Hundertstel genau. Die EM ist für den Kometen am Himmel der österreichischen Leichtathletik Realität geworden.
Enzo Diessl löschte so nebenbei auch den bereits knapp 28 Jahre alten österreichischen U23-Rekord von Elmar Lichtenegger. Der Kärntner, der später auch in die Weltklasse aufgestiegen war, hielt seit dem 15. Juni 1996 von Feldkirch diese Bestzeit mit 13,63. Zugleich reihte sich Enzo Diessl mit seiner Zeit von St. Pölten an die vierte Stelle der „ewigen“ österreichischen Bestenliste, die von Mark McKoy seit 1994 mit 13,14 angeführt wird.
Schon in der Hallen-Saison hatte Enzo Diessl heuer seine großen Fähigkeiten auch in der Männer-Klasse über 60 m Hürden unter Beweis gestellt. Da verpasste er mit 7,64 Sekunden das Limit für die Hallen-WM in Glasgow nur um zwei Hundertstel. Jetzt aber hat er mit seiner Qualifikation für die EM in Rom sein erstes Großereignis in der Allgemeinen Klasse in der Tasche.
Trainer-Duo
All dies ist auch ein Erfolg für sein exzellentes Umfeld. Mit Beate Hochleitner und Christoph Ranz verfügt Enzo Diessl über ein hervorragendes Trainerteam. Klug wurde der junge Hürdensprinter an die internationale Spitze herangeführt. 2023 wurde er in Jerusalem nämlich nicht nur U20-Europameister, am Ende des vergangenen Jahres war er mit seinen in St. Pölten am 20. Mai 2023 erzielten 13,11 Sekunden über die 110 m Hürden (99,0 cm) sogar Nummer 1 der Welt in der U20-Kategorie. Er ist mit Abstand eines der größten Talente, die Österreichs Leichtathletik je hervorgebracht hat.
Ein Jammer aber ist, dass dieses so gut arbeitende Trainer-Duo noch nicht jene finanzielle Unterstützung erhält, die es verdient. Der ÖLV unterstützt die beiden zwar schon bestmöglich, aber potenzielle Geldgeber wie das Land Steiermark oder der steirische Leichtathletik-Verband hinken noch hinterher. Es scheint, dass noch nicht alle erkannt haben, um welch große Nachwuchshoffnung es sich bei Enzo Diessl handelt. Er ist ein Jahrhunderttalent, der alle erdenklichen Unterstützungen erhalten sollte.
Für alle, die seinen familiären Hintergrund noch nicht kennen, hier ein paar Eckdaten, wie international Enzo Diessl aufgewachsen ist. Er wurde am 6. Juni 2004 in Villa Ocampo in Argentinien geboren. Dieser Ort ist nicht mit der gleichnamigen, berühmten Villa in Buenos Aires zu verwechseln. Es handelt sich um die Kleinstadt in der Provinz Santa Fe. Dort lebte er, wie er erzählt, fünf Jahre lang. Dann zogen seine Eltern mit den Kindern für zehn Monate nach Shanghai, wo Enzo im Jingan-Distrikt auf die Goetheschule gegangen ist. Die Reise um die Welt ging weiter. Für kurze Zeit wohnten die Diessls in Deutschland, im schwäbischen Fichtenberg, ehe es wieder für circa neun Monate nach Buenos Aires ging. „Im Mai 2011“, so Enzo, „zogen wir dann letztendlich nach Österreich.“ Dort kam er in Leibnitz in die Volksschule. „Nach einer kurzen Phase, in der wir viel herumgekommen sind, war es den Eltern wichtig, dass wir jetzt auch zur Ruhe kamen.“
Entscheidung für Österreich
Zu den Eltern: Sein Vater ist Deutscher, stammt aus Reutlingen, mütterlicherseits geht die Linie seiner Ururoma auf Italien zurück. Die italienische Familie wanderte nach dem Ersten Weltkrieg, wie viele Europäer, nach Argentinien aus. „Seit fünf, sechs Generationen hatten wir den italienischen Pass von Geburt vererbt.“ Auch er hatte mit 18 Jahren kurze Zeit einen italienischen Pass, hatte diesen aber abgegeben, damit er für Österreich starten konnte.
Von Geburt an besaß er auch die deutsche Staatsbürgerschaft. So hätte er auch für Deutschland seine Leichtathletik-Karriere bestreiten können. Doch er legte die deutsche Staatsbürgerschaft nieder. Am 19. Februar vollzog sich – wie auch auf der Homepage des Leichtathletik-Weltverbands vermerkt – offiziell sein Wechsel von Deutschland zu Österreich. Eine Entscheidung, die Enzo leichtfiel. „Ich bin hier aufgewachsen, meine Trainer sind von hier, ich habe Unterstützung vom österreichischen Leichtathletik-Verband. Das alles zusammen hat mir schon viel bedeutet.“ Zum Glück für Österreich. Man kann gespannt sein, was Enzo Diessl im nächsten Jahrzehnt für den heimischen Sport erreicht.
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