Der Vorarlberger Biochemiker Norbert Bischofberger war Festredner bei der Akademie der Österreichischen Wissenschaften – und sparte auch nicht mit Kritik.
Ein Hauch von Gründergeist wehte durch den Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), als der Biochemiker Norbert Bischofberger die Bühne betrat und über seine mehr als beeindruckende Karriere sprach. Geboren 1956 in Mellau im Bregenzerwald, interessierte sich „Nori“ schon in seiner frühen Kindheit für Chemie, was unter anderem dazu führte, dass bei einem Versuch mit Schwarzpulver der Briefkasten des Dorfes explodierte. Studium in Innsbruck, an der ETH Zürich und an der Harvard University. In den Neunziger Jahren baute der Vorarlberger den größen Biotech-Konzern der USA auf. Unter seiner Ägide brachte „Gilead Sciences“ hochwirksame Medikamente gegen Influenza, HIV und Hepatitis C auf den Markt. Bischofberger schätzt, dass weltweit inzwischen 30 Millionen Menschen davon profitieren – vielen haben seine Erfindungen auch das Leben gerettet.
Mit 62 fing der große Stratege gegen tödliche Viren noch einmal neu an, „weil ich mich wie 42 fühlte und mich benahm wie ein 22-Jähriger“, lacht er. Und zwar in einem ganz anderen Feld. Sein Startup „Kronos Bio“ forscht nach Therapien gegen Sarkoma, Brust- Eierstock- und Lungenkrebs.
Möglich wurde Bischofbergers wissenschaftliche Arbeit durch die einzigartige Infrastruktur der San Francisco Bay Area: Leichter Zugang zu Venture Capital und Aktienmärkten, ein attraktives Klima, vor allem aber die Gründermentalität, die er in Europa vermisse. „Risiko ist in Kalifornien etwas Positives, Fehler werden akzeptiert. Es gibt diesen Grundoptimismus, dass das Morgen dank Technologie besser sein wird als das Heute.“ In Europa bremse Bürokratie und Regulierungswahn die wichtige Arbeit der exzellenten Forscherinnen und Forscher. „Als Chat GPT kam, hieß es in den USA: Oh, that‘s unbeleivable! In Europa war der erste Reflex, wie man diese neue Entwicklung regulieren kann.“ Der alte Kontinent verschlafe gerade die vierte industrielle Revolution.
Bischofberger sparte auch nicht mit Kritik an der österreichischen Politik. Die 32-Stunden-Woche sei der falsche Weg, der bringe das Land nicht weiter. „In der österreichischen Bundeshymne heißt es arbeitsfroh und hoffnungsreich, nicht arbeitsscheu und hoffnunglos.“ Stattdessen solle die Regierung mehr Geld in Einrichtungen wie die ÖWA, das IST in Klosterneuburg oder das CeMM am Wiener AKH sowie in die Grundlagenforschung investieren, „denn sie sichern die Zukunft und den Lebensstandard.“
Apropos vierte industrielle Revolution: Bischofberger ist auch Mitglied im Vorstand eines Unternehmens, das künstliche Intelligenz bei der Genforschung einsetzt. „Gingko“ füttert die KI nicht, wie zum Beispiel Chat GPT, mit Sprachen oder Bildern, sondern mit DNA-Sequenzen. In Zukunft werde das die Forschungsarbeit massiv beschleunigen, weil KI auf 2,7 Milliarden solcher DNA-Sequenzen von Menschen, Tieren, Pflanzen, Bakterien und Viren zurückgreifen könne. Das sei vor allem für die Krebs- und Antikörperforschung relevant.
Hätte die KI auch erfinden können, was ihm als Forscher gelungen ist? „Nein“, sagt Bischofberger, „KI kann nur genau das finden, was der Mensch sucht. In der Forschung suchen wir aber nach etwas, von dem wir noch nicht wissen, was es sein könnte.“
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