AMS-Chef hielt Vortrag

Tiroler Adler Runde nahm Arbeitsmarkt unter Lupe

Tirol
23.05.2024 16:00

AMS-Chef Johannes Kopf war zu Gast in Tirol. Die Entwicklung der Arbeitslosenquote und aktuelle Herausforderungen standen im Fokus seines Vortrags. Ein Arbeitsverhältnis dauert im Schnitt nur zwei Jahre. Der zentrale Wunsch des AMS-Bosses ist die ganztägige Kinderbetreuung.

Der Arbeitskräftemangel setzt den heimischen Betrieben weiterhin zu. Aus diesem Grund lud die Tiroler Adler Runde Österreichs AMS-Vorstand Johannes Kopf ein. In den Räumlichkeiten der MS Design GmbH in Roppen, die als Systemlieferant in der Automobilindustrie tätig ist, referierte der AMS-Boss über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, aktuelle Herausforderungen sowie Lösungsansätze. Im Anschluss durften die Zuhörer Fragen stellen.

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Wenn ich mir nur eine Lösung für das Problem des Arbeitskräftemangels wünschen dürfte, dann wäre es die ganztägige Kinderbetreuung, damit die Familien tatsächlich eine Wahl haben, wer wie lange arbeiten geht.

Johannes Kopf

2021 Jahr des Umbruches
„In das Jahr 2021 sind wir in Folge der Corona-Pandemie mit einer massiven Arbeitslosenquote gestartet. Doch schon am Ende des Jahres haben wir erstmals von einem Arbeitskräftemangel gesprochen“, blickte Kopf zurück. Hauptbetroffen war der Tourismus. Jetzt, drei Jahre später, befinde sich Österreich in einer Rezession. „Vor allem der Bau und die Industrie leiden darunter.“

Die Tiroler Adler Runde lud AMS-Chef Johannes Kopf in die MS Design GmbH nach Roppen ein. (Bild: Manuel Schwaiger)
Die Tiroler Adler Runde lud AMS-Chef Johannes Kopf in die MS Design GmbH nach Roppen ein.

Kinderbetreuung und Zuzug nur zwei Lösungen
Für heuer wird nur mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosenquote gerechnet. „Laut Prognosen des Wifo und des IHS dürfte sie bereits 2025 wieder sinken“, so Kopf, der jedoch warnt, dass „die Prognosen nur selten richtig sind“. Ein Grund für den Fachkräftemangel ortet der AMS-Chef in der Demografie. Es gebe heute weniger Inländer am Arbeitsmarkt als früher. Hätten Anfang der 2010-er Jahre noch vier Beschäftigte einen Pensionisten „getragen“, seien es heute deutlich weniger, brachte Johannes Kopf die Auswirkungen auf den Punkt.

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Mit Qualifizierungsförderung kann man weniger gut ausgebildete Kräfte im Unternehmen zu Fachkräften ausbilden.

Johannes Kopf

Gestiegenes Pensions-Antrittsalter bei Frauen kleiner Lichtblick
Hinzu kommt bei den derzeitigen Herausforderungen, dass „die überregionale Vermittlung von Arbeitskräften sehr schwer ist. In Wien war die Arbeitslosenquote im Vorjahr in etwa dreimal so hoch wie in Tirol. Doch jemanden aus Wien zur Übersiedelung in ein anderes Bundesland zu bewegen, funktioniert höchst selten“.

Ein minimaler Lichtblick bei den Umbrüchen am Arbeitsmarkt: „Seit 1. Jänner 2024 steigt das Pensions-Antrittsalter für Frauen an.“ Das sei übrigens vor 35 Jahren in die Verfassung geschrieben worden. „Damals hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass das unterschiedliche Pensions-Antrittsalter von Frauen und Männern verfassungswidrig ist. Die Politiker damals haben dann kurzerhand ein Verfassungsgesetz daraus gemacht, mit einer Befristung auf 35 Jahre“, lieferte Kopf eine Anekdote.

Der AMS-Vorstand (li.) im Gespräch mit Mitgliedern der Tiroler Adler Runde. (Bild: Manuel Schwaiger)
Der AMS-Vorstand (li.) im Gespräch mit Mitgliedern der Tiroler Adler Runde.

Ganztägige Kinderbetreuung als zentraler Wunsch
Doch was sind sonst noch Lösungen, um mehr Beschäftigte in die Firmen zu bekommen? Der AMS-Chef hatte mehrere mit im Gepäck. „Wenn ich mir aber nur eine davon wünschen dürfte, wäre es die ganztägige Kinderbetreuung.“ Ein weiteres Potenzial liege im längeren Arbeiten. Und natürlich in Arbeitskräften aus dem Ausland. „Doch dafür müssen wir viel mehr Werbung für den Standort machen. Österreich ist in der Welt nur wenig bekannt. In den vergangenen Jahren kamen lediglich rund 3000 Personen jährlich über die Rot-Weiß-Rot-Karte nach Österreich“, rechnete Kopf vor. Ein weiterer Ansatz, an den viele Betriebe nicht denken würden: In der eignen Belegschaft „fischen“. „Mit Qualifizierungsförderung kann man weniger gut ausgebildete Kräfte im Unternehmen zu Fachkräften ausbilden“, versicherte der AMS-Vorstand.

Weiters richtete er einen Appell, die Personalabteilung zu stärken. „Führen Sie auch Austrittsgespräche, wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt. Nur so können Sie lernen, wie sie als Arbeitgeber attraktiver werden.“

Daten und Fakten

6,4 Prozent betrug die Arbeitslosenquote im Jahr 2023 in Österreich. In Wien lag sie bei 10,6 Prozent und war somit beinahe dreimal so hoch wie in Tirol mit 3,9 Prozent.

„Experiment“ mit 800 erfundenen Bewerbungen
Interessant auch: Das AMS führte vor einiger Zeit ein „Experiment“ durch. „Es wurden 800 erfundene Bewerbungen verschickt, jeweils mit einem 32-Jährigen und mit einem 52-Jährigen. Auf die Bewerbungen mit dem 52-Jährigen kamen kaum Rückmeldungen von den Unternehmen“, erläuterte Kopf. Man dürfe das Potenzial, das in älteren Arbeitskräften liege, nicht ignorieren, mahnte er.

Die Fragen der Zuhörer im Anschluss waren großteils sehr spezifisch. Eine interessante Frage war jedoch, warm trotz einer Arbeitslosenquote von rund sechs Prozent so viele Betriebe händeringend Personal suchen müssten. Die Antwort von Kopf: „Der Arbeitsmarkt ist sehr dynamisch. Die Hälfte dieser Personen ist sehr kurz arbeitslos. Grund dafür ist, dass ein durchschnittliches Arbeitsverhältnis heute nur zwei Jahre dauert.“

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