Fast fünf Jahre nach dem endgültigen Aus der Thrash-Metal-Helden Slayer veröffentlicht deren Gitarrist Kerry King endlich sein lange angekündigtes Soloalbum „From Hell I Rise“. Darauf ist leider nicht alles Gold, was diabolisch glänzt. Die Österreich Live-Premiere feiert King in wenigen Wochen am Nova Rock.
Ein guter Freund pflegt in Unterhaltungen gerne zu sagen, dass seit es Slayer nicht mehr gibt, die Welt unaufhörlich den Bach hinunterginge. Bleiben wir also bei den nüchternen Fakten: Die allerletzte Slayer-Show fand am 30. November 2019 im heimatlichen Kalifornien statt. Wenige Monate später brachte eine im chinesischen Wuhan ausgelöste Pandemie den ganzen Planeten zum Stillstand, die Russen griffen die Ukraine an, die Inflation in Österreich galoppiert im Europa-Vergleich davon und rüttelt bedrohlich am Mittelstand, Terroristen der Hamas sorgten für ein Blutbad und forderten den Israel-Krieg am Gazastreifen heraus und jetzt fegen sogar schon Tornados über Österreich hinweg (unlängst gesehen in Graz-Eggenberg). Ein kausaler Zusammenhang der Ereignisse ist also nicht vollständig auszuschließen, weswegen man ja bald auf Besserung hoffen darf. Slayer spielen im Verlauf des Sommers nämlich eine Handvoll Shows in den USA – vielleicht die letzte Hoffnung für die Menschheit?
Kein Blatt Papier
Möglicherweise braucht es aber auch nur den Gitarristen dafür. Jedenfalls hat Kerry King, die berühmteste Glatze der Thrash-Metal-Geschichte, nach überraschend langer Wartezeit endlich sein schon lange verkündetes Solodebüt eingespielt und folgt seinem knapp 40 Jahre langen Arbeitgeber von damals erwartungsgemäß wie ein Schatten. Weder im Sound, noch in der Konzeption oder der arrangierten Umsetzung passt ein Blatt Papier zwischen den großen Slayer und dem noch nicht so großen Kult-Musiker Slayers. Dass er die Riffs für das 13 Song starke Paket aus dem Restekreativpaket von damals verwendet, ist durchaus glaubhaft und realistisch. Während eine beliebte Genre-Klischeeplattitüde nach der anderen auf die Fans losgelassen wird („Diablo“, „Where I Reign“, „Crucifixation“ oder „Rage“), rifft und schrammelt sich der bärtige Großmeister zwar meist im Eiltempo, aber leider auch ziemlich ereignislos durch die einzelnen Nummern.
Für das All-Star-Get-Together hat King dafür im Champions-League-Pool des Genres gegraben und das „Who Is Who“ der Szene um sich geschart. Den Schlagzeug-Sessel besetzt sein einstiger Slayer-Kollege Paul Bostaph, der schwer in den Hintergrund rückende Bass wird von Hellyeahs Kyle Sanders bedient, ex-Machine Head- und Vio-Lence-Gitarrist Phil Demmel wirkt auf dem Material dieses Albums unterfordert und Death Angels Mark Osegueda hat die ungemein undankbare Aufgabe, sich bei „From Hell I Rise“ ans Mikrofon stellen zu müssen. Müssen deshalb, weil man auch Kings Solowerk immer mit dem Schaffen Slayers gleichsetzen wird. Deren Shouter Tom Araya, wegen dessen anhaltender und zum Teil irreparabler Rückenprobleme die Band auch in die Live-Frühpension gehen musste, hatte ein dermaßen markantes und über die Genregrenzen hinausragendes Organ, dass der bloße Versuch ihn zu ersetzen zum Scheitern verurteilt ist.
Kein Schiffbruch
Osegueda, zweifellos ein Großer in seiner Profession, macht in manchen Songs zudem den Fehler, von seiner natürlichen Gesangsstimme abzurücken und (vielleicht auch unbewusst) an Araya andocken zu wollen, bleibt dabei aber naturgemäß zweiter Sieger. King wollte ursprünglich sogar den langjährigen Slayer-Livegitarristen Gary Holt ins Boot holen, hat darauf aber verzichtet, weil er sich seiner einstigen Band damit zu nahe gefühlt hätte. Dass sein Werk den großen Vergleichen standhalten muss, war King von vornherein klar. Zur Ehrenrettung muss aber gesagt werden, dass er in der direkten Gegenüberstellung nicht ausschließlich Schiffbruch erleidet. Mögen den Songs auf „From Hell I Rise“ auch die Überraschungsmomente fehlen, das Material ist allemal spannender und kurzweiliger geraten als die letzten beiden Slayer-Alben, die dementsprechend auch im Livekontext nicht sonderlich ausführlich berücksichtigt wurden.
Immer wieder verleiten die schnittigen Riff-Kanonaden zum Headbangen, Bostaphs Drumming ist rasend, schnell und vor allem passgenau, während Demmel seine außerordentlichen Fähigkeiten niemals unter Beweis stellen kann, weil ihm King viel zu wenig Raum lässt, um sein volles Potenzial auszuschöpfen. In negativer Art und Weise folgenschwer ist aber, dass in den 47 Minuten etwas Markantes überhaupt nicht passiert: Abwechslung. Wie schon bei den letzten Slayer-Alben rollen die Tracks wie eine Walze über einen drüber, doch für akzentuierte Entrückung oder ein paar kurze Breaks im derben Gebolze lässt King viel zu wenig Raum. „From Hell I Rise“ ist ein grundsolides, handwerklich perfekt gemachtes US-Thrash-Album im Fahrwasser von Tod und Deibel, aber es fehlt ihm an Seele und Herzblut – das spiegelt sich nicht zuletzt auch am lieblos gestalteten KI-Cover-Artwork wider. Bei aller Liebe zur Legende Kerry King – da kann und muss mehr kommen. Sonst wird das nichts, mit der Weltrettung.
Österreich-Premiere am Nova Rock
Im Zuge des diesjährigen Nova Rock Festivals gibt Kerry King mit seiner neu zusammengestellten Band am 13. Juni, dem Eröffnungstag, sein Live-Debüt in Österreich. Unter www.novarock.at gibt es alle genauen Infos und auch noch Karten für das Festival-Highlight.
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