Korallenriffe bedroht

Parasit lässt weltweit massenweise Seeigel sterben

Wissenschaft
24.05.2024 11:17

Ein durch einen Parasiten ausgelöstes Massensterben von Seeigeln weitet sich immer mehr zur globalen Pandemie aus. Forscher sehen dadurch die Unterwasserwelt – vor allem Korallenriffe, die ohnehin schon sehr unter dem Klimawandel leiden – bedroht.

Inzwischen sei die tödliche Erkrankung auch schon im Indischen Ozean nachzuweisen, berichtet ein Forscherteam im Fachjournal „Current Biology“. Aufnahmen zeigen unzählige tote Seeigel an einem Strand der Insel La Réunion. Der Ausbruch stelle eine unmittelbare Bedrohung für Korallenriffe weltweit dar: Seeigel fressen Algen, die sonst Korallen überwuchern und abtöten würden.

Auch Seeigel im Mittelmeer betroffen
Ein auf Wimperntierchen zurückgehendes Massensterben von Diadem-Seeigeln war im Jänner 2022 zunächst auf den Virgin Islands aufgefallen. In den Monaten darauf wurden ähnliche Beobachtungen in weiten Teilen der Karibik gemacht. Dann waren zudem das Mittelmeer und rasch auch das Rote Meer betroffen.

Man schätzt, dass seit Dezember 2022 der größte Teil der Populationen betroffener Seeigel-Arten im Roten Meer sowie Hunderttausende Seeigel weltweit vernichtet wurden. Im Riffsystem nahe der israelischen Küstenstadt Eilat zum Beispiel seien die beiden Seeigel-Arten, die zuvor im Golf von Akaba am häufigsten vorkamen, vollständig verschwunden.

Wimperntierchen schuld am Massensterben
Ein Team um Omri Bronstein von der Universität Tel Aviv identifizierte nun den Erreger, der für das Massensterben von Gewöhnlichen Diadem-Seeigeln (Diadema setosum) – langstacheligen, schwarzen Seeigeln – im Roten Meer verantwortlich ist: ein der Art Philaster apodigitiformis ähnliches Wimperntierchen. Der einzellige Parasit sei auch die Ursache für das Massensterben des Atlantischen Diadem-Seeigels (Diadema antillarum) in der Karibik vor etwa zwei Jahren.

Bereits 1983 war ein verheerender Zusammenbruch der Population in dieser Region beobachtet worden. Sowohl die Korallen- als auch die Seeigel-Populationen der Karibik haben sich davon nie wieder vollständig erholt, berichten die Wissenschaftler.

Es wird vermutet, dass auch damals schon der nun identifizierte Erreger die Ursache war. Den Forschern zufolge befällt das Wimperntierchen auch Echinothrix-Seeigel, eine eng mit Diadema verwandte Gruppe von Arten.

Der Parasit lässt die Tiere binnen nur zwei Tagen zur gewebelosen Hülle (im Bild links) werden. (Bild: AFP/Richard Bouhet)
Der Parasit lässt die Tiere binnen nur zwei Tagen zur gewebelosen Hülle (im Bild links) werden.

Forscher sehen Korallenriffe stark bedroht
Der Parasit lässt die Tiere binnen zwei Tagen zur gewebelosen Hülle (im Bild oben links) werden - wenn nicht Fressfeinde die geschwächten Tiere schon vorher erbeuten. Der tödliche Erreger werde über das Wasser übertragen und könne in kürzester Zeit große Gebiete befallen, hieß es. Die Stabilität der Korallenriffe sei in einem noch nie da gewesenen Ausmaß bedroht, sagte Bronstein.

Die Seuche breite sich entlang menschlicher Transportwege aus, wie Daten aus dem Roten Meer zeigten. Es sei unheimlich, Tausende Seeigel am Meeresboden binnen kürzester Zeit zum Skelett werden und verschwinden zu sehen, so Bronstein. Bisher gebe es keine Möglichkeit, infizierten Seeigeln zu helfen.

Geänderte Umweltbedingungen Auslöser?
Dringend notwendig seien Brutpopulationen gefährdeter Arten in vom Meer abgetrennten Zuchtsystemen, um später wieder gesunde Tiere in die Natur entlassen zu können. Zudem müsse erforscht werden, welche Faktoren zu dem Ausbruch führten. Als ein möglicher Grund gelten veränderte Umweltbedingungen.

Wimpertierchen bestehen aus nur einer Zelle und haben Härchen auf ihrer Oberfläche, mit denen sie sich bewegen können. Sie kommen häufig im Wasser vor und sind meist harmlos. Allerdings wurden Verwandte der nun gefundenen Wimpertierchen bereits für Massensterben bei anderen Meerestieren wie Haien verantwortlich gemacht.

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