Freitagabend eröffneten die Thrash-Metal-Urgesteine ihren Europateil der „M72“-Tour vor rund 75.000 Fans im Münchner Olympiastadion. Die „Krone“ war live dabei, als das Wetter umschlug und die Band plötzlich richtig aufdrehte. Am 1. Juni kommen Metallica zum „Racino Rocks“ nach Ebreichsdorf.
Der Wahnsinn beginnt schon auf dem Weg vom Münchner Flughafen in die Innenstadt. Der Taxifahrer mustert mich kurz, hält einen Small Talk und lacht über beide Ohren. „Du bist heute schon mein fünfter Gast. Fährst du auch zu diesem Festival?“ Nun ja, ein Metallica-Konzert in diesem Ausmaß kann man fast schon als kleines Festival bezeichnen. Die zwei Konzerte an diesem Wochenende halten meinen Fahrer ordentlich auf Trab. Dass seine Fahrgäste zumeist längere Haare und fast ausschließlich schwarz tragen, ist ihm natürlich aufgefallen. Nur mit der Feinnuancierung hapert es noch ein bisschen. „Was ist dieses Metallica? Eine Religion?“ Für manche sicher, zumindest sind deren Götter aus Fleisch und Blut und theoretisch greifbar. So genau schert das meinen Fahrer dann aber auch nicht. Bei den horrenden Preisen ist ihm vor allem wichtig, dass die Kasse klingelt und er noch dazu einen angenehmen Tag hat.
Würdiges Rahmenprogramm
Metallica und Deutschland verbindet eine fast 40-jährige Beziehung. Im altehrwürdigen Münchner Olympiastadion spielten James Hetfield und Co. über die Jahrzehnte so manch denkwürdige Show, insofern wurde auch die Rückkehr nach fünfjähriger Abstinenz heiß erwartet. Für Metallica sind die zwei Shows in der Weißwurstmetropole auch der Auftakt zum letzten Kapitel ihrer pompösen „M72“-Tour, die den Metalexpress aus Kalifornien am 1. Juni auch zum „Racino Rocks“ ins niederösterreichische Ebreichsdorf führt. Den Metallica-wütigen Münchnern wurde jedenfalls schon ums Konzert herum ein würdiges Rahmenprogramm geboten. Der bereits am Mittwoch eigens eröffnete Metallica-Popup-Store wurde gestürmt, um exklusive Produkte und Sondereditionen zu erhalten. Das Kulturzentrum Backstage setzte auf Tribute-Bands, Zigarren-Verkostung oder einen „Bierathlon“ und heute, Samstag, wird Metallicas Haus- und Hoffotograf Ross Halfin sich selbst und sein Buch „Metallica: The Black Album In Black & White“ in der Alten Kongresshalle vorstellen.
Auch der Anteil an Österreich-Reisenden ist hoch, liegt München doch für den Westflügel des Landes gleich ums Eck. Die Hardcore-Fans stimmen sich schon Stunden vor dem Konzert ein. Aus Boomboxen im Olympiapark ertönen bleierne Thrash-Riffs, es werden unablässig Kuttenvergleiche angestellt und das Bier fließt auch bei knackigen Preisen in Strömen. Was dem Kölner der Karneval ist dem Metaller dieses Wochenende. Trotz der schwierigen Vorhersage öffnet der Himmel anfangs noch nicht seine Pforten und die Vorbands Mammoth WVH (das Projekt von Eddie Van Halens Sohn Wolfgang) und Architects können schon einmal ordentlich einheizen. Das ist bei einem Metallica-Publikum gar nicht so leicht, denn egal wie sehr man sich abrackert und vollsten Einsatz zeigt – am Ende interessiert halt doch nur, was sich die Herren Hetfield, Ulrich, Hammett und Trujillo überlegt haben.
Simpel und wirksam
Vordergründig ist das nicht einmal so viel, dann aber doch eine ganze Menge. Am Grundkorsett der letztjährigen Tournee hat sich wenig verändert. In der Mitte des Olympiastadions thront die 360-Grad-Bühne, auf der die Musiker ohne Unterlass herumwieseln. Acht fulminante, an „Krieg der Welten“ erinnernde LED-Videotürme übertragen das Konzert bis in die hintersten Reihen und mitten im Zentrum des Geschehens, dem sogenannten „Snakepit“, sind die treuesten, am längsten dienenden und auch finanzkräftigsten Fans, die als Belohnung nicht nur Ulrichs Drumsticks kriegen, sondern das eine oder andere Mal auch auf persönliche Tuchfühlung mit Hetfield und Co. gehen können. Das Konzept ist so simpel, wie wirksam. Die Kalifornier teilen ihr Set in vier Teile zu je vier Songs auf – gut erkennbar daran, dass Ulrichs Drumset nach jedem Teil ins nächste Bühnenviertel verfrachtet wird. Die drei anderen marschieren durch die Gegend und geben somit jedem Besucher kurz das Gefühl, das Zentrum der Aufmerksamkeitsökonomie zu sein.
Neben den üblichen Intros von AC/DC und Ennio Morricone rücken Metallica schon zu Beginn mit schwerem Geschütz an. „Whiplash“, „For Whom The Bell Tolls“ und das erstmals überhaupt auf dieser Tour gespielte „Of Wolf And Man“ geben die Richtung knallhart vor. Ein erstes Einbremsen findet erst beim famosen „The Memory Remains“ statt, während das aktuelle Album „72 Seasons“ mit „Lux Aeterna“, „Too Far Gone?“ und dem wuchtigen „Shadows Follow“ zumindest dreimal vorkommt. Ein paar Dankesworte an die Münchner und das Beschwören der Metallica-Familie gehören bei Hetfields Zwischenansagen schon zu den Highlights, so richtig taut er erst zur Setmitte auf, wo der Himmel doch noch seine Schleusen öffnet. Beim unvermeidlichen „Nothing Else Matters“ beginnt es leicht zu nieseln, das darauffolgende „Sad But True“ wird dann schon zur ernsthaften Wasserschlacht. Die Musiker gehen damit unterschiedlich um. Trujillo setzt sich eine Kappe auf, Hammett baut auf das Jackett, Hetfield auf die Regenjacke und Ulrich ballert gleich oberkörperfrei weiter. Dazwischen setzen Trujillo und Hammett zum „Hofbräuhaus Fuck Jam“ an – na ja …
Ride The Lightning- wortwörtlich
Mit dem Einsatz des Regens lösen sich bei den Musikern auch die letzten Barrikaden und das Schlussdrittel sollte Metallica endlich wieder so euphorisch und positiv jugendlich zeigen, wie man es zumindest bei der letzten großen Tour 2019 vermisst hat. Dafür sorgt aber auch die famose Setlist, die am Ende für tosende Begeisterung sorgt. Ein polterndes „Hardwired“ geht direkt über in „Fuel“, bevor der Kulthit „Seek & Destroy“ bei Sturmböen und einer regelrechten Regenwand noch einmal alle aus den Sesseln holt. „Was habt ihr denn, es ist doch nur Wasser?“ animiert der Frontmann, bevor beim kongenialen „Master Of Puppets“ am Ende tatsächlich Blitze den Himmel erhellen. Hätten sich die honorigen Herren für diesen unerwarteten Fall doch bloß „Ride The Lightning“ in Reserve gehalten… Aber man kann ja nicht alles haben. Metallica als etwa 60-Jährige noch einmal in so juveniler Hochform zu erleben, hat aber auch einen besonderen Reiz.
Das hat auch so manch arrivierten Fanhasen aus der Reserve gelockt. Etwa den 52-jährigen Japaner Shinji, der mit senfgelbem Metallica-Dress und zumeist durch zwei Handykameras filmend (einmal das ganze Setting, einmal mit Zoom auf die Musiker) durchaus begeistert war. Seine erste Metallica-Show sah er 1989 als 17-Jähriger in seiner Heimat Tokio, die München-Show ist sein 34. Konzert. Für Metallica ist dem Besitzer einer Metalbar kein Weg zu weit. Für seine Helden war er u.a. auch schon in Detroit oder Mexiko. Am Montag geht es temporär nach Hause, in gut zwei Wochen dann zu den zwei Konzerten nach Kopenhagen. Wie sich das kostentechnisch als Barbesitzer überhaupt ausgeht? „Ich arbeite quasi nur für Metallica. Außerdem kriege ich durch die vielen Langstreckenflüge viele Meilen zusammen, die mir das Leben wieder ein bisschen erleichtern“. Ich muss beim Gespräch unentwegt an meinen indischen Taxler denken. Würde ich ihm jetzt Shinji vorstellen, hätte er vollinhaltlich recht gehabt – denn hier ist Metallica wirklich eine Religion.
Live im Racino Ebreichsdorf
Am 1. Juni kommen Metallica mit einer ganzen Armada an Vorbands zum „Krone“-Konzert des „Racino Rocks“ im niederösterreichischen Ebreichsdorf. Rund 60.000 Fans werden zum ersten Auftritt der Kalifornier in Österreich nach fünfjähriger Abwesenheit erwartet. Aus produktionstechnischen Gründen aber leider nicht mit der fulminanten 360-Grad-Bühne, sondern mit einer klassischen Variante. Unter www.ticketmaster.at gibt es noch Karten und alle weiteren wichtigen Informationen zum Metal-Ereignis dieses Sommers.
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