Das neue Synonym für die Lösung der EU-Asyl-Probleme lautet „Ruanda-Modell“. Dänemark gilt als der Erfinder, setzte es bis dato aber nicht um. Großbritannien macht nun Ernst. Österreich will eine ähnliche Systemumstellung für die ganze EU. ÖVP-Innenminister Gerhard Karner verteidigt im „Krone“-Interview das Modell.
Ein neues Gesetz ermächtigt Großbritannien dazu, Asylsuchende künftig ohne Prüfung und ungeachtet ihrer Herkunft ins afrikanische Ruanda auszufliegen. Ihre Asylanträge werden dann von den ruandischen Behörden geprüft. Der Besuch des britischen Premier Rishi Sunak diese Woche bei Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) diente dazu, in der EU Druck und Werbung für das Modell zu machen.
Allerdings hat der Plan auch einen Haken: Berichte aus afrikanischen Staaten wie Tunesien dokumentieren herbe Menschenrechtsverletzung. Flüchtlinge werden verschleppt und in der Wüste zum Sterben ausgesetzt. Will man damit das Asyl-Problem mit dem Ruanda-Plan nur weit wegschieben – nach dem Motto, was hinter dem Rücken passiert, interessiert uns in Europa nicht?
ÖVP will Asylverfahren in Drittstaaten
Innenminister Karner verteidigt im „Krone“-Podcast das Modell: „Es ist eine erschütternde Systembeschreibung: Tote im Mittelmeer, Tote im Lkw, Tote in der Wüste. Daher ist es notwendig, dass wir das System grundlegend ändern. Auf der einen Seite durch den Asyl- und Migrationspakt mit schnellen Verfahren an den EU-Außengrenzen. Auf der anderen Seite muss der Druck an diesen Außengrenzen minimiert werden. Das geht nur, wenn Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden können.“
Dänemark als Verbündeter
Österreich war der erste Unterstützer der Dänen – innerhalb des vergangenen Jahres haben sich weitere 14 EU-Länder dem Ruanda-Modell angeschlossen und „sich gemeinsam an die EU-Kommission gewandt und solche Modelle vorgeschlagen“, so Karner. Fehlen noch immer mehr als zehn Mitgliedsstaaten, die noch gegen das Modell sind.
Italien verfolgt in Albanien einen ähnlichen Plan. Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer aufgegriffen werden, landen in Albanien statt Lampedusa. „Hier führen italienische Beamte das Asylverfahren durch. Das Sicherheitspersonal stellen albanische Behörden“, erklärt Karner den Ablauf.
Europa zahlt Milliarden für Flüchtlingsstopp
Gibt es überhaupt afrikanische Staaten, die Bereitschaft signalisieren, quasi ein „Asyl-Outsourcing-Dienstleister“ für die EU werden zu wollen? „Man muss mit diesen Ländern auf Augenhöhe sprechen, dann gibt es einen Weg. Kanzler Nehammer war im Vorjahr in Marokko. Ich war mit dem dänischen Migrationsminister in Tunesien. Seither funktionieren die Abschiebungen in diese Länder besser“, sagt Karner. Richtig gut läuft es aber nur, wenn die Milliarden fließen. Abkommen wie etwa mit Ägypten oder dem Libanon kosten mehrere Milliarden. „Das ist trotzdem billiger als überlastete Systeme und soziale Probleme“, rechtfertigt Karner die Deals.
Härtere Regeln bei Syrern
Den nächsten Schritt, den Karner in die Wege leiten will, ist bei den Syrern die Zügel strenger anzuziehen. Das Ziel: Abschiebungen und auch nicht jeder Syrer soll automatisch einen Schutzstatus erhalten – so wie das in den vergangenen Jahren selbstverständlich war. „Wir müssen den Druck erhöhen und sichere Gebiete in Syrien definieren. Zusätzlich müssen wir Syrer auch wieder in die Heimat zurückbringen können“, so Karner.
Insofern kann man niemandem erklären, warum diese Menschen Schutzstatus bekommen.
Gerhard Karner über sichere Zonen in Syrien
Aber wie definiert man in einem Bürgerkriegsland sichere Zonen? „Es gibt diese Regionen“, ist der Innenminister überzeugt. „Rund um Damaskus und eine zweite Region weiter nördlich, die sicherer geworden sind. Das bestätigen uns auch die Zyprioten, die sehr viele Syrer aufgenommen haben, da Syrer in diese Gebiete zurückkehren oder auch ihre Verwandte besuchen. Insofern kann man niemandem erklären, warum diese Menschen Schutzstatus bekommen“, meint Karner.
Bedeuten Rückkehrabkommen auch, dass man mit dem syrischen Regime verhandeln müssen wird? „Derzeit wird eine Allianz gebildet, um zu klären, wie wir mit dem Thema umgehen“, meint Karner. Auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sei eingebunden. Aber letztendlich werde es Gespräche geben müssen, sonst könne „kein Flieger in Syrien landen“.
Preissteigerung der Schlepper
Klingt alles interessant, bleibt aber noch Zukunftsmusik. Bis dahin hat Österreich nur die Option, die Grenzkontrollen zu verstärken. Hier meint der Innenminister, mit Zahlen einen Erfolg dokumentieren zu können. „12.300 Aufgriffe an der burgenländisch-ungarischen Grenze gab es in den ersten vier Monaten 2022. Heuer im selben Zeitraum, also von Jänner bis Ende Mai 2024, liegen wir bei 255 Aufgriffen im Burgenland.“ Aber ist der Rückgang der Asylanträge nicht auch deshalb eingetreten, weil sich die Kosten verdoppelt haben? Ein Schlepper verlangt mittlerweile 3000 bis 5000 Euro. Auch die Preissteigerung führt Karner auf die Maßnahmen an der Grenze zurück. „Weil wir die Kontrollen massiv verstärkt haben. Dort, wo es schwieriger wird, steigert die Schleppermafia die Preise.“
Verwunderung über Justizministerium
Neben dem Thema illegale Migration hat die Spionageaffäre rund um Egisto Ott das Innenministerium intensiv beschäftigt. Ein Skandal, dessen Spuren auch zur FPÖ führen. Im parlamentarischen U-Ausschuss wurde der Fall nicht behandelt, weil das Justizministerium die Vorführung von Ott verweigerte und die Chats in der höchsten Sicherheitsstufe liefert. War Karner über die Auflagen des Justizministeriums verärgert? „Ärger ist keine Kategorie für den Innenminister, aber es sorgt für Verwunderung.“
„Kickl ist gegen die Demokratie“
Es sind nur noch wenige Monate bis zur Wahl. Glaubt er, dass sein Nachfolger aus der FPÖ kommen wird, oder darf das Innenministerium nicht mehr in blaue Hände fallen? Auf Spekulationen möchte sich Karner nicht einlassen, was ihm aber zu denken gibt, ist, „mit welcher Radikalität manche derzeit unterwegs sind“. Wenn Kickl „eine Tour gegen das System startet, dann muss einen das nachdenklich stimmen. Denn was heißt gegen das System? Das System in Österreich ist die Demokratie und ein ordentlicher Rechtsstaat! Wer gegen diese österreichischen Grundwerte hetzt, ist nicht für, sondern gegen die Menschen und gegen unser Land!“
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