Russland hat erneut ein ziviles Ziel in der ukrainischen Stadt Charkiw angegriffen. Zwei Gleitbomben trafen laut Behördenangaben einen Baumarkt, in dem sich mehr als 200 Menschen aufhielten. Die Zahl der getöteten Zivilisten stieg auf mindestens elf. Das russische Militär behauptet, in dem Baumarkt sei ein Waffenlager versteckt gewesen.
Der Bürgermeister der Stadt, Ihor Terechow, sprach zudem von 40 Verletzten. Demnach werden außerdem 16 Personen vermisst, die Zahl der Opfer könnte also noch weiter steigen. Nach Angaben des Baumarktbetreibers hätten sich zum Zeitpunkt des Angriffs etwa 200 Menschen im Gebäude aufgehalten, 15 Beschäftigte seien nicht erreichbar.
Riesige Fläche in Brand
Bilder in Online-Netzwerken zeigten eine riesige schwarze Rauchwolke, die aus dem getroffenen Gebäude aufstieg (siehe Video oben). Nach Angaben der Behörden stand eine Fläche von 10.000 bis 15.000 Quadratmetern in Flammen.
Moskau spricht von Waffenlager in Baumarkt
In Russland wird behauptet, die ukrainischen Streitkräfte hätten in dem Baumarkt ein Waffenlager versteckt. „In Charkiw wird die Taktik der menschlichen Schutzschilde angewendet – sie haben ein Militärlager und einen Kommandoposten in einem Einkaufszentrum eingerichtet, was von unserem Geheimdienst entdeckt wurde“, zitierte die Staatsagentur Tass einen namentlich nicht genannten Vertreter der russischen Führung. Für diese Behauptungen gibt es keinerlei Belege.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte auf Telegram, alle Rettungsdienste seien im Einsatz, um Menschen zu helfen und Feuer zu löschen. Russland habe die Stadt Charkiw erneut „brutal“ und „mitten am Tag“ angegriffen.
Nur Wahnsinnige wie Putin sind in der Lage, Menschen auf so abscheuliche Weise zu töten.
Wolodymyr Selenskyj
Bild: ASSOCIATED PRESS
Selenskyj forderte die westlichen Verbündeten der Ukraine nach dem Angriff erneut auf, seinem Land mehr Luftabwehrsysteme zu liefern. „Wenn die Ukraine genug Luftabwehrsysteme und moderne Kampfflugzeuge hätte, wären solche russischen Angriffe unmöglich“, erklärte der Präsident. „Jeden Tag appellieren wir an die Welt: Gebt uns eine Luftabwehr, rettet Menschen.“
Der jüngste russische Angriff ist nach den Worten Selenskyjs „eine weitere Manifestation des russischen Wahnsinns“. „Nur Wahnsinnige wie (Russlands Präsident Wladimir) Putin sind in der Lage, Menschen auf so abscheuliche Weise zu töten und zu terrorisieren“, sagte der ukrainische Präsident am frühen Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache.
„Barbarische Kriegsverbrechen“
Auch der ukrainische Außenminister Dymtro Kuleba forderte mit Nachdruck Patriot-Systeme. Mehr Luftverteidigung und die Fähigkeit, russische Militärflugzeuge abzuschießen, bevor sie Bomben abwerfen, seien die einzige Möglichkeit, „solche barbarische Kriegsverbrechen“ zu verhindern, schrieb Kuleba auf der Plattform X. „Putin mag Lügen verbreiten, aber hier sind seine Taten“, erklärte er.
Der französische Präsident Emmanuel Macron verurteilte den russischen Angriff in einem X-Post als „inakzeptabel“. Frankreich teile „den Schmerz der ukrainischen Bevölkerung und bleibt an ihrer Seite“, schrieb er.
Zuletzt schwerer Angriff am Donnerstag
Charkiw ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine. Sie liegt im Nordosten des Landes nahe der russischen Grenze und wird regelmäßig von Russland angegriffen. Am Donnerstag waren bei russischen Angriffen auf die Stadt nach Angaben der Behörden sieben Menschen getötet worden.
Am 10. Mai hatte die russische Armee in der Region eine Bodenoffensive gestartet. Am Samstag beschoss Russland nach Angaben der ukrainischen Staatsanwaltschaft auch das Dorf Kupjansk-Wuslowyj, einen Eisenbahnknotenpunkt in der Region Charkiw nahe der Grenze. Dabei wurden fünf Menschen verletzt. Zwei Fahrzeuge seien unter Beschuss geraten: ein Auto mit zwei Insassen sowie ein Rettungswagen mit einem Fahrer, einem Sanitäter und einem 64-jährigen Patienten.
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