Was für ein Kraftakt! Sebastian Ofner hat es bei den French Open nach einem heldenhaften Kampf noch in die zweite Runde geschafft. Der Österreicher lag gegen Terence Atmane bereits 0:2 in Sätzen, 2:4 im dritten Durchgang zurück, drehte aber die Partie noch! Dabei ließ er sich auch von einem kleinen Skandal nicht beirren. Nach 3:35 Stunden siegte Ofi 3:6, 4:6, 7:6 (2), 6:2, 7:5 – und ließ seinen Emotionen freien Lauf. „Das war mein größter Sieg“, jubelte er.
Es schien ein Tag zum Vergessen für Ofner. Erst hatte der Steirer nach einem Gewitter schon lange warten müssen, ehe es um 20.15 auf einem anderen als dem ursprünglich geplanten Platz doch noch mit seiner Partie gegen Lokalmatador Atmane losging, bei böigem Wind und für die French Open eher ungewohnt kühlen Bedingungen.
Unüblicher Schlägerwurf
Bei diesen fand Ofner zunächst gar nicht ins Spiel, gab seinen Aufschlag zum 1:3 ab und konnte nicht mehr zurückschlagen. Nach 29 Minuten holte Atmane Satz eins mit 6:3 und auch im zweiten Durchgang wurde es nicht besser. Nachdem der 28-Jährige zweimal in Folge den Aufschlag abgab, 1:4 hinten lag, ließ der sonst so ruhige Ofner sogar einmal den Schläger auf den Boden prallen.
Doch schien ihn dies tatsächlich wachzurütteln. Ofner hatte seine beste Phase im Match, feuerte sich selbst an und schaffte tatsächlich zwei Rebreaks am Stück! Nun war es Atmane, bei dem die Nerven blank lagen, der den Schläger heftiger als zuvor Ofner auf den Boden schmiss. Doch der Österreicher konnte kein Kapital daraus schlagen. Er verlor die nächsten zwei Games und damit den Satz 4:6. Ein psychologisch schwerer Schlag.
Nach einem weiteren Break zu Beginn des dritten Satzes schien Ofner geschlagen, doch auch das steckte Ofner weg! Er rettete sich mit bravourösem Kampf in den Tiebreak, den er souverän mit 7:2 gewann. Das gab ihm natürlich Auftrieb. Auf einmal war Ofner der bestimmende Spieler, raste nun seinerseits mit einem Doppelbreak 4:1 in Front.
Atmane schoss Frau ab – und durfte weiter spielen
Dann kam der große Aufreger. Atmane drosch einen Ball weg, traf eine Zuschauerin am Knie. Den Regeln nach hätte dies eine Disqualifikation zur Folge haben müssen. Der Schiedsrichter befragte seine Helfer, ebenso die betroffene Dame auf den Rängen. Er ließ den Chef-Referee auf den Platz rufen, der wiederholte diese Prozedur. Die französischen Fans wollten von einem Abbruch natürlich nichts wissen. „Lasst sie spielen!“, skandierten sie lautstark. Vielleicht war es dieser Druck, dazu die Bestätigung der Dame, dass sie keine Schmerzen hatte, aber der Hauptreferee ließ tatsächlich weiterspielen. Eine sehr fragwürdige, problematische Entscheidung, die es in solch einer Situation noch nicht gegeben hatte.
Auch der Österreicher konnte das nicht verstehen. „Der hat den Ball unkontrolliert mit 200 km/h weggeschlagen“, ärgerte er sich noch nach dem Match. „Da sind Leute schon für viel weniger ausgeschlossen worden. Bei einem Challenger wirst du wegen Kleinigkeiten bestraft und hier beim größten Turnier der Welt passiert nichts.“ Umso beeindruckender war, dass Ofi sich nicht beirren ließ, dort weitermachte, wo er unterbrochen worden war, den vierten Satz 6:2 holte.
Der fünfte Satz wurde dann zu einem wahren Krimi. Ofner lag ein frühes Break voran, gab es aber wieder ab zum 2:2. Beide liefen, kämpften, lieferten einander mitunter mitreißende Ballwechsel. Letztlich drehte Ofi zum erst zweiten Mal in seiner Karriere (das erste Mal war in der Qualifikation für Wimbledon 2017 gewesen) einen 0:2-Satzrückstand und jubelte verspätet über den Sieg.
Dafür aber umso ausführlicher. Die Erleichterung stand Ofner beim Interview nach Mitternacht ins Gesicht geschrieben. „So eine irre Partie habe ich noch nie erlebt. Das ist sicherlich mein größter Sieg.“
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