Die Beraterin des Obersten Gerichtshofs hat am Montag empfohlen, die Untreue-Schuldsprüche gegen Karl-Heinz Grasser und seine Mitangeklagten zu bestätigen. Grassers Urteil wäre demnach nur in einem Punkt aufzuheben …
Der ehemalige Finanzminister Grasser (FPÖ/ÖVP) wurde am 4. Dezember 2020 zu acht Jahren Haft, unter anderem wegen Untreue, nicht rechtskräftig verurteilt. Grasser meinte nach dem Urteil im Wiener Straflandesgericht: „Sie sehen mich traurig und schockiert. Dieses Urteil sprengt alles, was ich mir vorstellen konnte.“
Richterin Marion Hohenecker meinte wiederum in ihrer Urteilsbegründung damals: „Wer redlich wirtschaftet, benötigt keine Konten in Liechtenstein.“ Auch zahlreiche Mitangeklagte fassten mehrjährige Haftstrafen aus. Grasser, wie viele andere erstinstanzlich Verurteilte auch, hofft auf eine Aufhebung des nicht rechtskräftigen Urteils aus dem Jahr 2020. Jetzt ist der Oberste Gerichtshof am Zug (OGH).
Der OGH wird von der Generalprokuratur beraten – welche nun ihre 160-seitige Stellungnahme abgegeben hat, an der sich der OGH in aller Regel orientiert. Für Grasser gäbe es eine einzige Aufhebung, nämlich den Schuldspruch im Punkt Beteiligung an einer Beweismittelfälschung. Die höchste Staatsanwaltschaft der Republik, die als Rechtswahrerin auftritt, empfiehlt dem OGH aber, die erstinstanzlichen Schuldsprüche im Kern zu bestätigen.
Worum geht es im Buwog-Prozess?
In dem Prozess vor Richterin Hohenecker ging es um Provisionen von 9,6 Millionen Euro beim Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften (Buwog und andere) sowie von 200.000 Euro bei der Einmietung der Linzer Finanzdienststellen in den Terminal Tower in Linz. Diese Gelder sollen unter anderem bei Grasser gelandet sein, was dieser vehement bestreitet. Der Schöffensenat sah dies anders.
Grasser habe seine politische Funktion missbraucht, gegen Vermögensinteressen verstoßen und seine Verpflichtungen nicht erfüllt, erklärte Richterin Hohenecker damals bei der Urteilsbegründung. „Es handelt sich um eine verdeckte Provisionsvereinbarung vom Machthaber Grasser zulasten des Machtgebers Republik Österreich, wodurch diese geschädigt wurde“, sagte die Richterin.
Neben Grasser wurden auch der ehemalige FPÖ-Politiker Walter Meischberger, der Ex-Lobbyist Peter Hochegger und Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics verurteilt, die sieben, sechs und zwei Jahre ausfassten. Die Generalprokuratur hatte die von diesen vier prominenten Männern und weiteren vier Angeklagten – darunter neben einem Anwalt und einem Schweizer Vermögensverwalter der Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer sowie Ex-RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer – gegen ihre jeweilige Verurteilung eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerden zu prüfen.
Urteile mehrheitlich sattelfest
In ihrem Croquis kommt die Behörde zum Schluss, dass die Untreue-Schuldsprüche zum Buwog-Komplex mit einer Ausnahme sattelfest sind. Gänzlich im Recht sieht die Generalprokuratur die Nichtigkeitsbeschwerde von Ex-RLB-OÖ-Vorstand Starzer, der in erster Instanz drei Jahre Haft ausgefasst hatte. Bei ihm wird die vollumfängliche Aufhebung des Urteils und eine neue Verhandlung wegen Untreue und Bestechung im Buwog-Verfahrensstrang empfohlen.
Im konkreten Fall umfasste der von der Generalprokuratur zu prüfende Akt 58 Kisten. Allein der Buwog-Komplex zählte 5200 Aktenstücke, wie die Behörde in einer Medienerklärung mitteilte. Das erstgerichtliche schriftliche Urteil war 1280 Seiten stark, die dagegen vorgebrachten Rechtsmittelvorbringen insgesamt 1141 Seiten.
Wie geht es weiter?
Sollte der OGH bei der Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerden der Generalprokuratur folgen, würden die erstgerichtlichen Feststellungen zu den zentralen Vorwürfen in Rechtskraft erwachsen. Jedoch wäre zu den mit Mängeln behafteten, Seitenstränge des Verfahrens betreffende Feststellungen eine Urteilsaufhebung vorzunehmen und in diesen Punkten eine neue Verhandlung am Wiener Landesgericht anzuberaumen.
Als Folge davon wären auch die ursprünglichen Strafaussprüche obsolet, die Strafen müssten am Ende einer neu durchzuführenden Hauptverhandlung neu festgesetzt werden. Das heißt: Grasser, Meischberger & Co könnten sich zumindest Hoffnungen auf eine Strafreduktion machen.
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