Streit um EU-Gesetz

Renaturierung: ÖVP als „gewohnter Verzögerer“

Politik
27.05.2024 13:00

Im Streit um Österreichs Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz haben Fridays for Future (FFF) zusammen mit dem Ökologen Franz Essl die „Verzögerungstaktiken“ der ÖVP kritisiert. Gleichzeitig wurde zum „Klimastreik“ auf der Straße und im Wahllokal aufgerufen.

Die „gewohnten Verzögerer“ – namentlich die ÖVP – hätten sich gegen das Renaturierungsgesetz ausgesprochen, „obwohl inhaltlich nichts dagegenspricht“, griff Aktivistin Klara König bei einer Pressekonferenz. „Wir werden uns das für die Wahl merken“, sagte sie mit Hinblick auf die Europawahl am 9. Juni. Dabei sei Klimaschutz das beherrschende Thema, weil er das Fundament für viele andere politischen Entscheidungen darstelle.

Kritik an Totschnig
Der Ökologe Franz Essl, Wissenschaftler des Jahres 2022, zerpflückte daraufhin Argumente, die von Gegnern des Renaturierungsgesetzes vorgebracht werden. So treffe es nicht zu, dass das Gesetz, das etwa die Wiederaufforstung von Wäldern oder Wiedervernässung von Mooren vorsieht, die Versorgung mit Lebensmitteln gefährde, wie etwa Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) erklärt hatte.

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Gerade die Bundesländer, die gegen das Renaturierungsgesetz opponieren, haben auch gegen eine Strategie zu einer Reduktion des Flächenverbrauchs opponiert.

(Bild: APA/Screenshot)

Der Biodiversitätsforscher Dr. Franz Essl

Im Gegenteil würde ohne Renaturierung die Ernte zurückgehen, weil es ohne Hecken zwischen den Feldern weniger Bestäuber gebe, führte der Artenforscher als Beispiel an. Er wolle Totschnig nichts unterstellen, „aber aus wissenschaftlicher Sicht ist es so: Es geht viel Fläche verloren. Die Ursache ist aber die Verbauung, nicht die Renaturierung“, betonte Essl. Gerade jene Bundesländer, wie Niederösterreich, die gegen das Renaturierungsgesetz seien, hätten auch gegen eine Reduktion des Flächenverbrauchs opponiert. „Das passt nicht zusammen“, kritisierte der Ökologe, der an der Universität Wien lehrt.

Auch das Argument, das Gesetz sei zu teuer, lässt Essl nicht gelten. Denn durch die Vermeidung von Schäden etwa aufgrund von Hochwässern würden sich Investitionen auch finanziell auszahlen. Jeder investierte Euro fließe laut „EU Impact Assessment“, dass Folgen und Kosten von Gesetzen abschätzt, zwölffach zurück. Breiten Widerstand gegen das Gesetz gebe es auch nicht, so der Biodiversitäsforscher. Im Gegenteil seien laut einer Umfrage 75 Prozent der Europäer dafür, nur sechs Prozent dagegen. 19 Prozent waren unentschieden.

Rechtliche Fragen offen
„Springen Sie über ihren Schatten“, appellierte Franz Essl an die Politik. „Das Renaturierungsgesetz ist ein historisches Gesetz, weil es Klima, Umwelt und Ernährungssicherheit gemeinsam als gleichberechtigte politische Aufgabe sieht“, betonte er. Er sei noch „vorsichtig zuversichtlich“, dass Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) beim EU-Rat am 17. Juni in Brüssel zustimmen könne, auch wenn die ÖVP dieses weiterhin ablehnt. Es seien allerdings noch rechtliche Fragen offen. Die Ministerin brauche außerdem den entsprechenden Handlungsspielraum, appellierte er an die SPÖ-geführten Bundesländer Wien und Kärnten. Diese waren zuletzt aus der ablehnenden Linie der Bundesländer ausgeschert, die Gewessler eine Zustimmung unmöglich macht. Die beiden Länder müssten diese neue Position nun noch klarstellen.

Aufruf zum „Klimastreik“
Für kommenden Freitag rufen die Aktivistinnen von Fridays for Future zum „Klimastreik“ auf den heimischen Straßen und in Europa auf. In acht österreichischen Städten sind Demos angekündigt, europaweit sind es über 100. Die Bewegung rechnet mit hunderttausenden Teilnehmern.

Bei dem „Klimastreik“ am 31. Mai und bei der EU-Wahl gehe es darum Klima- und Umweltschutz zu verteidigen, betonten die Aktivistinnen von FFF. Für jede Krise brauche es eine wehrhafte und belastbare Demokratie, appellierten sie. Rechtspopulisten und extreme Rechte würden jedoch zunehmend die Demokratie und auch die Zukunft des Green Deals der EU gefährden.

Man sei eine demokratische Bewegung aus der Jugend, dementsprechend sei es auch ihre Aufgabe, die Demokratie zu verteidigen, betonte Sprecherin Laila Kriechbaum am Montag. Deshalb habe man auch Anfang des Jahres zu Protesten gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Rechte Parteien seien nicht nur ein Problem für die Demokratie, sondern auch für den Klimaschutz. So werde der Klimawandel etwa von FPÖ-Chef Herbert Kickl geleugnet.

Auch am Ende der Pressekonferenz am Montag wurden symbolisch Zähne geputzt. (Bild: Moritz Gruber)
Auch am Ende der Pressekonferenz am Montag wurden symbolisch Zähne geputzt.

Kollektives Zähneputzen
In Wien wird bei der Schlusskundgebung am Heldenplatz mit kollektivem Zähneputzen zum Wählen aufgerufen. FFF-Sprecherin Emma Reynolds erklärte dazu: „Wenn man‘s nicht macht, wird‘s braun.“

Zu den Vorwürfen gegen die EU-Spitzenkandidatin der Grünen, Lena Schilling, wollten sich die Aktivistinnen nicht äußern. Schilling sei seit 2020 nicht mehr bei Fridays for Future aktiv. Man kenne sich aus der Klimabewegung, „aber wir haben nicht so viel mit ihr zu tun, dass wir die aktuellen Vorwürfe kommentieren könnten“, erklärte Klara König.

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