Arena Open Air live

La Femme: Eine zwanglos-frankophile Sommerdisco

Musik
28.05.2024 00:40

Vor rund 2500 Fans begeisterte die französische Synthiepop-Psych-Band La Femme Montagabend am Open-Air-Gelände der Wiener Arena. Zwischen selbstbewusster Experimentierfreude und zugänglichem Indie-Pop passte kein Blatt Papier, dazu lieferte die Band eine exaltierte Bühnenshow, die nicht nur Tanzwütige aus der Müdigkeit riss.

(Bild: kmm)

Auf der Suche nach dem besten Open-Air-Sound für den mit Riesenschritten nahenden Sommer wird man an diesem Montagabend in der Wiener Arena fündig. Das französische Kollektiv La Femme ist in elektronischen Indie-Kreisen seit einiger Zeit die Band der Stunde und füllt mittlerweile große Hallen und stattliche Open-Air-Gelände. Ursprünglich war der exklusive Österreich-Gig für die große Halle der Arena geplant, aufgrund der immensen Nachfrage wurde daraus aber schnell ein Freiluftevent. Das auch im passend koordinierten Rahmen. Die angenehme Menge von etwa 2500 Anwesenden sorgt dafür, dass man sich nicht auf die Füße steigt und trotzdem ein kollektives Erlebnis erfährt. Und - für Arena Open Airs gar nicht mal so üblich – auch das Wetter hält und die Abendsonne leitet in eine angenehme Frühlingsnacht, die sich als perfekter Mantel für die leichtfüßigen Sounds der Franzosen erweist.

(Bild: Andreas Graf)

Kein Platz für Grenzen
La Femme haben unter der Schirmherrschaft von Keyboarder Marlon Magnée und Gitarrist Sacha Got, zwei ehemalige Kunststudenten mit ähnlichen musikalischen Visionen, 2010 begonnen zu musizieren und sich immer wieder neue Musiker an Bord geholt, um diese breiten Ideen praktisch umsetzen zu können. War das Debütalbum „Psycho Tropical Berlin“ (2013) noch weitgehend experimentell, fanden La Femme mit den Jahren zunehmend in eine poppigere Schiene, ohne dabei auf das Ausprobieren und Testen zu vergessen. Grenzen kennen sie keine. So wurde „Teatro Lúcido“ 2022 komplett in Spanisch aufgenommen, „Paris-Hawaï“ (2023) zeigte die Band wieder psychedelisch-poppig und der nächste Streich ist schon in der Finalisierung, wie uns Magnée im „Krone“-Interview vor dem Konzert verrät. „Im Herbst 2024 sollte das Album herauskommen. Es wird dieses Mal englischsprachig sein und eine weitere Facette der Band zeigen.“

(Bild: Andreas Graf)

Dass musikalische Mauern zum Einreißen da sind, beweisen sie auch bei ihrer flotten Show vor einem frankophilen Publikum in der Arena. Die Ästhetik reicht von Cowboy-Hut über Elvis-Koteletten bis hin zum Pariser 60er-Jahre-Schulmädchen-Chic, musikalisch werden die Keyboards bis zum Erbrechen erwürgt und moduliert und das Bühnenacting fordert zum Stage Diving und zur ständigen Interaktion mit den Fans auf. Dazu ertönen eingängige Songs wie „Ciao Paris“, „Aloha Baby“ oder der Hit „Sur la planche“ aus den Boxen, die man im Vergleich zum Album teilweise in doppelter Geschwindigkeit herunter klopft, teilweise aber auch mit ausladenden Instrumentalstafetten ausbreitet. Neues mischt sich mit Altem, Psychedelisches mit Eingängigem, Schräg-Europäisches mit einer punktiert gesetzten amerikanisch anmutenden Ordnung in den versatilen Arrangements.

(Bild: Andreas Graf)

Die Angst überwunden
Den zunehmenden und derzeit nicht enden wollen Hype erlebt Keyboarder und Sänger Magnée mit Wohlwollen. „Wir haben ein besseres Licht auf der Bühne, können in Tourbussen fahren, anstatt in Vans durch die Gegend zu stottern und haben den ganzen Live-Aspekt deutlich aufgewertet.“ In der Gedankenwelt des kreativen Bandchefs gibt es jedenfalls ebenso wenig Grenzen wie in der Musik. „Ich stelle mir eine riesengroße weibliche Statue am Rücken der Bühne vor, aus deren Augen Lasereffekte schießen – so in der Art möchte ich die Songs gerne visualisieren. Man wird ja noch träumen und dürfen und den Songs eine passende visuelle Ebene hinzuzustellen, ist mir sehr wichtig.“ Magnée denkt allumfassend und breit. „Während der Pandemie hatten wir richtig Angst, ob wir noch einmal in die Spur finden würden. Ich hatte auch keinen Plan B. Vielleicht hätte ich Cover-Artworks für andere Künstler gemacht, obwohl ich kein Grafiker bin. Ich bin froh, dass wir so stark aus der Pandemie herausgekommen sind.“

(Bild: Andreas Graf)

Beim Liveauftritt in Wien überzeugen La Femme mit einer gut austarierten Mischung aus unbeherrschter Explosivität und träumerischen Soundwelten. „Wir schreiben traurige und fröhliche Songs, aber eine etwas romantische, vielleicht träumerische Stimmung zieht sich bei uns immer durch. Wir sind selbst große Träumer und aus diesen Charakteristiken entstehen solche Songs.“ La Femme sind bei weitem noch nicht so groß wie erfolgreiche Landsleute der Marke Jean-Michel Jarre, Air oder Daft Punk, doch die Inspiration zum eigenen Sound findet man ohnehin über die Landesgrenzen hinaus. „Ich war schon immer sehr beeindruckt von Velvet Underground, Kraftwerk oder den Sex Pistols. All diese Elemente findest du bei uns, weil sie ganz natürlich aus uns herausströmen.“ Von der Popularität französischer Elektroniksounds lässt er sich nicht beirren. „Wir tun, was wir für richtig halten. Vielleicht klingen wir irgendwann ganz anders. Viele Leute behaupten außerdem, Franzosen hätten einen üblen Musikgeschmack – vielleicht haben sie ja recht?“

(Bild: Andreas Graf)

Kreativität aus der Opposition
Das Understatement Magnées ist freilich ironisch zu verstehen. In der Wiener Arena konzertierten La Femme auch schon vor exakt zehn Jahren – damals aber noch sehr unbemerkt in der kleinen Halle. Magnée erinnert sich auf der pompösen Open-Air-Bühne daran und lässt die Fans an der Anekdote teilhaben. Interessant ist auch, dass die eingängig dahinfließenden Songs grundsätzlich aus einer ernsten Opposition heraus entstehen. „Sacha und ich haben grundverschiedene Ideen und diskutieren sehr oft“, so Magnée, „aber wir wissen auch, wann es gut ist und wann ein Song für die Leute da draußen am besten klingt. Dass La Femme gerade am Scheitelpunkt zwischen Mainstream und der Indie-Welt sind, gefällt dem blondierten Musiker. „Eine bestimmte Unberechenbarkeit ist doch schön, um relevant zu bleiben und nicht an Spannung zu verlieren. Mir ist es extrem wichtig, zeitlose Musik zu kreieren, die nicht in einem bestimmten Jahrzehnt feststeckt.“ Der Auftritt in der Arena beweist jedenfalls: Diese Band ist für sommerliche Livepartys geboren. Ein Wiedersehen ist definitiv anzuraten.

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