Ein besonderes Projekt

Rangnick gesteht: „Ich hatte Tränen in den Augen“

Fußball International
28.05.2024 07:32

Ralf Rangnick will nicht nur im Fußball Spuren hinterlassen. Österreichs Teamchef hat sich auch der Chancengleichheit von Kindern im Volksschulalter verschrieben. Die nach ihm benannte Ralf Rangnick Stiftung setzt in seiner früheren Wahl-Heimat Leipzig seit 2018 Projekte um.

„Für mich gibt es zwei Dinge, die das Leben lebenswert machen: lieben und helfen“, erklärte der 65-jährige Deutsche vor der EM in seinem Heimatland im Gespräch mit der APA – Austria Presse Agentur.

„Uns geht es vergleichsweise gut“, erinnerte Rangnick. Menschen in der Ukraine oder im Nahen Osten hätten andere Schicksale. „Ich finde es wichtig, dass wir, die es sich leisten können, helfen, dass unsere nächsten Generationen auch ein schönes, gutes Leben führen können.“ Einige weltpolitische Dinge – von den Kriegen über den Klimawandel bis hin zur möglichen Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten – bereiten dem Vater zweier erwachsener Söhne Sorgen. „Ich glaube aber, dass jeder in seinem Bereich, in seiner Familie und in seinem Beruf etwas beitragen kann.“

Nach einem Schicksalsschlag
Rangnick hatte sich laut eigenen Angaben schon vor 15 Jahren zum ersten Mal mit dem Gedanken beschäftigt, eine Stiftung zu gründen. Ins Leben rief er sie erst, nachdem sein bester Freund und langjähriger Berater Volker Weiß vor neun Jahren an Leukämie verstorben war. Bei der Gründung sei er noch davon ausgegangen, dass er „in Leipzig in Fußballrente gehe“ und dort auch wohnen bleibe. „Das hat sich dann anders dargestellt.“ Mittlerweile lebt der Schwabe in Obertrum in Salzburg. Das Angebot, nach Manchester United (2021/22) mit Bayern München ab Sommer einen weiteren Weltclub zu betreuen, hat er Anfang Mai zugunsten des ÖFB ausgeschlagen.

Seine Stiftung verfügt über eine Vollzeit-Büroleiterin, mehrere Projektleiter und ehrenamtliche Mitarbeiter. Sie ist rein operativ tätig. „Es ist nicht so, dass wir Geld einsammeln und dann wieder karitativ irgendwo hingeben. Wir machen alle Projekte selber“, betonte Rangnick. Mehr als 40.000 Schüler im Raum Leipzig hätte man bereits erreicht – mit Projekten vom mobilen Fahrradführerschein auch für Kinder, die noch kein eigenes Rad besitzen, über Firmenpatenschaften bis hin zur Gesundheitsförderung.

Österreichs Teamchef hat sich auch der Chancengleichheit von Kindern im Volksschulalter verschrieben (Bild: APA Pool/APA/SANDRINO DONNHAUSER)
Österreichs Teamchef hat sich auch der Chancengleichheit von Kindern im Volksschulalter verschrieben

Die jüngsten Höhepunkte waren musikalischer Natur. 2022 gelangte die Oper „Ikarus und der Traum vom Fliegen“ zur Uraufführung. Mehr als 500 Volksschüler wirkten daran mit. „Das war für mich – außerhalb des Fußballs – eines der schönsten Erlebnisse, die ich je hatte“, schilderte Rangnick. Bühnenbild, Kostüme, Libretto, selbst der Titel der Oper – alles hätten die Kinder erarbeitet. Inhalt: Wenn die Menschheit so weitermacht wie bisher, werden alle irgendwann zu Flüchtlingen, weil die Erde nicht mehr bewohnt werden kann.

Musik und Sport verbinden
Im Vorjahr stand dann „Brundibar“ auf dem Programm – eine Allegorie auf das Nazi-Regime, geschrieben vom deportierten jüdischen Komponisten Hans Krasa. Dirigentin Barbara Rucha hatte als Protagonisten deutsche und geflüchtete ukrainische Kinder im Kopf, die in der Geschichte gemeinsam ihren Widersacher vertreiben. Auf Initiative von Rangnick wurde die Inszenierung um nach Leipzig ausgewanderte russische Kinder erweitert. „Die haben zusammen gesungen, in allen drei Sprachen.“ Bei der ersten Probe habe er Tränen in den Augen gehabt.

Musik habe wie der Fußball etwas Verbindendes. „Es passiert sehr viel, wenn Kinder zu einem frühen Zeitpunkt ein Musikinstrument lernen – mit den Synapsen, mit dem Gehirn, aber auch mit dem Selbstvertrauen der Kinder“, meinte Rangnick. Auf das Tätigkeitsfeld seiner Stiftung in genau diesem Alterssegment sei er nach einem Gespräch mit Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) gekommen, wie er selbst ein ausgebildeter Pädagoge. Chancengleichheit für Kinder unabhängig von ihrem sozialen Status und ihrer Herkunft sei das Ziel.

Ist sehr zeitintensiv
Phasenweise verfügten fast die Hälfte der 80 Grundschulen in Leipzig durch die Stiftung über Patenschaften. Eine baute mit dem Geld einen Ninja-Warrior-Kurs, eine andere einen der Entspannung dienenden „Snoezelraum“, in dem in einer handyfreien Zone alle Sinne angesprochen werden sollen. Vernetzt hat sie Rangnick als damaliger Trainer und Sportdirektor bei RB Leipzig unter anderem mit den VIP-Gästen des Clubs. Er selbst unterhalte zwei Patenschaften, das aktuell in Leipzig tätige ÖFB-Trio Christoph Baumgartner, Nicolas Seiwald und den bei der EM verletzt fehlenden Xaver Schlager habe er ebenfalls dafür gewonnen. „Das Gespräch hat keine zwei Minuten gedauert, die waren sofort dabei.“

Viele Ideen wären auch auf Österreich übertragbar, meinte Rangnick. Er sei dafür offen. „Meine Zeit ist natürlich sehr begrenzt, aber wenn jemand das in Österreich umsetzen will und auch bereit ist, einen finanziellen Beitrag zu leisten, machen wir auch gerne ein Büro in Wien oder Salzburg auf.“

Derzeit finanziert sich die Stiftung zu einem großen Teil über Rangnicks Einkünfte aus Vorträgen und anderen öffentlichen Auftritten. Eine große Einnahmequelle sei durch ein Charity-Golfturnier in Leipzig, das es seit der Corona-Pandemie nicht mehr gibt, weggefallen. „Es macht weiterhin Riesenspaß, aber wir müssen Jahr für Jahr schauen, wie wir es bewältigen“, erklärte Rangnick. „Es ist nicht so, dass wir am Jahresende sagen, wir haben noch irgendwas übrig.“ Sein Engagement habe neben Geld auch schon viel Zeit in Anspruch genommen. „Aber ich bereue es kein bisschen.“

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