Als sich Österreich im Jahr 1938 an das Deutsche Reich anschloss, bildete die Polizei einen wesentlichen Bestandteil des nationalsozialistischen Terrorregimes. Die Beamten waren maßgeblich an Kriegsverbrechen und dem Holocaust beteiligt. Wie dies genau funktionierte, war lange Zeit ein Geheimnis. Nun wurden die Polizeiarchive geöffnet – sie ermöglichen erstmals einen umfassenden Einblick in die Arbeitsweise der Exekutive der Gewalt. Besonders brisant: Auch der Vater von Hollywoodstar Arnold Schwarzenegger kommt darin vor.
„Es ist ein dunkles Thema. Also, wenn wir von der österreichischen Polizei im Nationalsozialismus reden, beschäftigen wir uns mit einem besonders dunklen Kapitel der österreichischen Zeitgeschichte“, brachte es die Herausgeberin und Zeithistorikerin Barbara Stelzl-Marx von der Universität Graz und Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung auf den Punkt.
Die Polizei sei von Anfang an verantwortlich für Verhaftungen und Kriegsverbrechen gewesen. Dabei gebe es natürlich die gesamte Bandbreite: Täter und Mitläufer, aber auch Opfer und Widerstandskämpfer. Zentral sei hier der persönliche Handlungsspielraum – etwas, das auch für heute und für die Ausbildung von Polizeischülern von Interesse sein könne.
Wie sich Menschen in dieser Extremsituation der Gewalt verhielten, wurde nun in dem Buch „Exekutive der Gewalt: Die österreichische Polizei und der Nationalsozialismus“ beschrieben. Quasi druckfrisch wurde das Werk am vergangenen Freitag im Innenministerium feierlich präsentiert. Besonders spannend seien die Biografien in dem „Buch mit unbequemen Wahrheiten“, erklärt Stelzl-Marx.
Eingang gefunden hat auch die Geschichte des Vaters des österreichischen Hollywoodstars und einstigen Gouverneurs von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger: Gustav Schwarzenegger. Ausgelöst hatte die Recherche eine Anfrage von Arnold Schwarzenegger an das Simon Wiesenthal Center mit der Bitte, den Kriegseinsatz des Vaters zu prüfen.
Wie man nun weiß, wurde Gustav Schwarzenegger im Jahr 1930 als Musiker ins Bundesheer aufgenommen. 1939 begleitete er als Feldgendarm den Überfall auf Polen. Beim Feldzug in der Sowjetunion war er ab 1941 an Schlachten und Geländesicherung beteiligt. Da er verwundet wurde und an Malaria erkrankte, fiel er allerdings relativ schnell aus. Er wurde entlassen und war ab 1944 bis Kriegsende im Rang eines Hauptwachtmeisters der Gendarmerie im obersteirischen Mürzzuschlag tätig. Nach dem Krieg stritt er ab, Teil der NSDAP gewesen zu sein, der er laut Akten im Jänner 1941 beigetreten war. Man glaubte ihm. Daher verblieb er „unbelastet“ bei der Bundesgendarmerie.
Das Innenministerium ist das erste Ressort in Österreich, das sich offen seiner NS-Vergangenheit stellt. Durch fundierte wissenschaftliche Forschung seitens eines externen Konsortiums bestehend aus der Universität Graz/Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und Bundesanstalt Mauthausen Memorial, unterstützt von einem Projektteam im Bundesministerium für Inneres, wurde ein umfassendes Bild der österreichischen Polizei von der NS-Zeit bis in die Zweite Republik mit all ihren Brüchen und Kontinuitäten erarbeitet.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP)
Österreichischer Polizist in Moskau hingerichtet
Besonders aufsehenerregend ist auch der Lebenslauf des ab 1938 bei der Polizei in Wien eingesetzten Johann Scheiflinger. 1941 kam er mit einem Schutzpolizeiregiment nach Stryj in Galizien (Westukraine). Als sich die deutschen Truppen im Juli 1944 zurückzogen, schloss er sich der Wehrmacht an und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. 1947 kehrte er nach Österreich zurück und arbeitete in Kärnten erneut als Gendarm. Wenig später wurde er jedoch verhaftet – es lag der Verdacht nahe, dass er an Kriegsverbrechen beteiligt war. In der Folge wurde er an die sowjetische Besatzungsmacht ausgeliefert, die ein Verfahren gegen ihn und weitere ehemalige Schutzpolizisten aus Stryj einleitete. In der Anklage wurde ihm vorgeworfen, er habe sich im Zuge der Aktion, das Gebiet „judenfrei“ zu machen, an Tötungen beteiligt. Bei Massenerschießungen war er Teil des Absperrpostens, der den Tatort abriegelte und die Flüchtenden erschoss. Das sowjetische Militärtribunal in Baden bei Wien verurteilte Scheiflinger zum Tode. Er war der einzige Schutzpolizist, der in Moskau wegen der Verbrechen in Stryj hingerichtet wurde.
Herausgeber: Barbara Stelzl-Marx, Andreas Kranebitter, Gregor Holzinger
Die Rolle der Polizei im Holocaust
Heute wissen wir, dass die Polizei eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung und Aufrechterhaltung der nationalsozialistischen Herrschaft spielte. Basis dieser „Ordnung“ waren Überwachung, Unterdrückung und Terror.
Politische „Gegner“ oder als „kriminell“ oder „asozial“ eingestufte Personen wurden im 1938 errichteten Konzentrationslager Mauthausen und seinen Außenlagern inhaftiert. Die Gefangenen mussten Hunger leiden und wurden dabei zu Schwerstarbeit gezwungen. Die dort stationierten leitenden Beamten der „Politischen Abteilung“ waren mehrheitlich Kriminalpolizisten. Sie führten Buch über die Häftlinge, verhörten sie und bestimmten, wer in die Gaskammer musste oder durch Genickschuss getötet wurde.
„Die Polizei kam auch ins Spiel, wenn es zu Ausbrüchen aus dem Lager kam“, erklärt Mitherausgeber Gregor Holzinger vom Mauthausen Memorial. Der bekannteste sei der Massenausbruch von sowjetischen Kriegsgefangenen im Februar 1945 gewesen, der ganz zynisch als „Mühlviertler Hasenjagd“ in die Geschichte einging. Polizeimannschaften aus der gesamten Umgebung seien involviert gewesen und hätten sich auch an den anderen Ermordungen beteiligt.
Aber es habe in der NS-Zeit in der Polizei auch Widerstand gegeben, schildert Mitherausgeber Andreas Kranebitter vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands. Dieser sei umso mutiger gewesen, denn „er musste sich gegen die eigenen Institutionen stellen, er musste sich gegen die eigenen Kolleginnen und Kollegen stellen. Und er wurde auch von den eigenen Kollegen verfolgt.“
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