Wiener Festwochen

Fluten des Schmerzes und Provokationen ohne Ziel

Kritik
28.05.2024 18:22

Im Stück „Parallax“ erlebt man die Mitglieder einer ungarischen Familie auf diversester Identitätssuche. Trotz Einschränkungen eines der bisher stärkeren Festwochen-Ereignisse.

(Bild: kmm)

Als der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó und die Autorin Kata Wéber zuletzt bei den Wiener Festwochen gastierten, war man begeistert: „Pieces of a Woman“ mit der kaum ertragbaren Live-Umsetzung einer Hausgeburt hat gezeigt, was Theaterspiel sein kann: nämlich ein selbstentäußernder Grenzgang statt präpotenten postdramatischen Politgewitzels.

Nun kommen die beiden mit „Parallax“ wieder (benannt nach einer astronomischen Perspektive), und das Resultat überzeugt nur eingeschränkt. Schauplatz ist eine ungarische Wohnung, in der einander zwei Handlungsstränge kreuzen: Die verlöschende jüdische Großmutter hat Auschwitz überlebt und kann der Hölle nicht entrinnen. Zum Begräbnis reist der schwule Enkel an und feiert im Trauerhaus eine viertelstundenlange Orgie.

„Parallax“ bei den Festwochen (Bild: Wiener Festwochen / Nurith Wagner Strauss)
„Parallax“ bei den Festwochen

Die Verknüpfung weckt auf den ersten Blick Widerstand. Bis man sich an die Verschleppung Homosexueller in die Nazilager erinnert, und an die antisemitische und schwulenfeindliche Eskalation in der Orban-Demokratur. Dort könnte die sehr explizite Szene nicht gezeigt werden, man würde leicht verhaftet oder attackiert.

Hier allerdings wirkt sie nicht wie eine Demonstration, sondern wie eine Provokation, die in Ermangelung eines Anlasses die Adressaten verfehlt. Dennoch gibt es große Momente, wenn in der Schmerzenswohnung der alten Frau die Wasserhähne detonieren und Sintfluten aus den Wänden und der Decke stürzen.

Immerhin einer der besseren Abende dieser bescheiden gelingenden Festwochen. 

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