Stadtspaziergänge

Vor der EM herrscht noch fehlende „Europhorie“

Wien
03.06.2024 11:00

„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Man mag es aus jetziger Perspektive noch gar nicht glauben, aber schon in wenigen Tagen startet in Deutschland die Fußball-Europameisterschaft. Wie schon bei der letzten, europaweit ausgetragenen Auflage 2021, spielt unser österreichisches Nationalteam auch dieses Mal eine gewichtige Rolle. Dank Teamchef Ralf Rangnick zeigen selbst große Nationen Respekt vor der Elf, auch wenn der gerne ins Spiel gebrachte Status des Geheimfavoriten ein bisschen zu hochgegriffen scheint. Die „Europhorie“, von der fußballverrückte Länder für gewöhnlich zehren, ist hierzulande aber noch nicht ganz angekommen. Selbst große Fußballfans in meinem Freundeskreis können mir aus dem Stegreif noch nicht beantworten, wo und in welchem Rahmen sie die Spiele beim Public Viewing anschauen werden oder nach welchen rechnerischen Modellen ein Team aufsteigen könnte.

„Wenn man hier durch die Straßen fährt, hat man das Gefühl, Österreich wäre gar nicht dabei“, sagte mir unlängst ein Taxifahrer in Wien. Ich entgegnete ihm, dass das Turnier nun eben nicht in Österreich stattfinden würde und es somit gar nicht möglich sei, schon Wochen vorab damit konfrontiert zu werden. Das rang dem gebürtigen Türken nur ein müdes Schmunzeln ab. „In der Türkei würden bereits die Fahnen wehen und es würde hitzige Diskussionen geben. In den Lokalen und auf den Straßen. Fußball ist dort auch ohne ein Großereignis das bestimmende Thema im Land.“ Die relative Kühle dem anstehenden Sportfest gegenüber mag vielleicht unserem nordischeren Gemüt anheim liegen, einen nicht unwesentlichen Anteil an der noch vorherrschenden emotionalen Distanz dem Turnier gegenüber, lässt sich in Wien aber auch durch die dürftigen Vorstellungen der beiden Großklubs analysieren.

Während Graz heuer den Meister der Bundesliga und auch der zweiten Liga stellt und die ganze Stadt in einen wochenlangen Freudenrausch verfiel, herrscht in Wien große Dürre. Der SK Rapid Wien stolperte sich mit einem akzeptablen Finish noch auf den vierten Platz und zog damit in den Europacup ein. Der Wiener Austria gelang das nach einem Horror-Frühling sogar noch als Tabellenachter von zwölf Teams – dem großzügigen Play-Off-System der Liga sei Dank. Alles keine würdigen Ergebnisse für Teams aus einer Zwei-Millionen-Metropole, was auch den Fans in meinem Freundeskreis klar ist. „Seit Jahren dümpeln wir irgendwo im Mittelfeld herum“, ärgert sich ein Rapid-Fan, der sein Team seit Jahrzehnten verfolgt, „die Vereine aus kleineren Städten in den Bundesländern ziehen sportlich und finanziell an uns vorbei und nichts scheint sich zu bessern.“

Ob würdig oder unwürdig sei dahingestellt – die bescheidenen Darbietungen der beiden Wiener Fußball-Flaggschiffe laden jedenfalls nicht dazu ein, mit Feuereifer auf den nächsten Bewerb zu blicken. „Für mich geht die Euphorie zur Europameisterschaft erst dann so richtig los, wenn ich zum Auftaktspiel gegen Frankreich im Flugzeug nach Düsseldorf sitze“, erzählt mir ein guter Freund und Austria-Wien-Sympathisant, „so richtig knistert es doch erst, wenn es dann endlich beginnt.“ Mögen die beiden Wiener Vereine sich in dieser Saison nicht von ihrer besten Seite gezeigt haben und mögen dem heimischen Nationalteam Top-Spieler wie David Alaba oder Xaver Schlager verletzt fehlen – spätestens mit Anpfiff des Turniers am 14. Juni wird sich auch Österreich in einen kollektiven Rausch der sportlichen Freude begeben. Und wer weiß – vielleicht reicht es dann sogar zu einer Sensation ...

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