Im „Krone“-Talk

Alec Benjamin: Brückenbauer zwischen den Welten

Musik
03.06.2024 09:00

Mit seinen herzhaften und ehrlichen Texten hat sich der 30-jährige US-Amerikaner Alec Benjamin über die letzten Jahre eine treue Gefolgschaft erspielt. Die Corona-Pandemie hätte den sensiblen Künstler fast aus der Bahn geworfen, doch er kehrte erstarkt zurück. „12 Notes“ heißt sein neues Werk, 2025 soll er wieder live nach Europa kommen. Im „Krone“-Gespräch zeigt er sich reflektiert und motiviert.

(Bild: kmm)

Im Wulst an unterschiedlichen Musikern und Singer/Songwritern, die der Markt täglich ausspuckt, ist es nicht immer leicht, die wirklich spannenden Perlen herauszufiltern. Beim gerade 30 Jahre jung gewordenen US-Amerikaner Alec Benjamin lohnt sich genaueres Hinhören aber in jedem Fall. Das „Time“-Magazin bezeichnete ihn schon vor geraumer Zeit als „Pop-Geschichtenerzähler für die nächste Generation“ und längst sind auch die Europäer dem sympathischen und wortgewaltigen Künstler mit dem Gespür für herzhafte und eindrückliche Lieder verfallen. Eine erste Bewährungsprobe lieferte Benjamin an einem heißen Sommertag im Juli 2022 ab, wo er in der Wiener Simm City seine bislang einzige Österreich-Show spielte. „Ich war vor dem Auftritt in der Innenstadt spazieren und habe mir die historischen Gebäude angesehen. Vor diesem Konzert bin ich nur durchs Land durchgefahren und habe die Berge und das schöne Land gesehen.“

Markanter Rückschlag
Mit der Single „Let Me Down Slowly“ sorgte Benjamin das erste Mal für Aufsehen, spielte sich dabei in die Radios, Playlists und Herzen der Fans. Die dazugehörige EP „Narrated For You“ heimste zahlreiche Goldauszeichnungen ein, während sein offizielles Debütalbum „These Two Windows“ im Mai 2020 durch die Corona-Pandemie nicht zu dem Glanz kam, den das Werk verdient hätte. Für Benjamin war der Stillstand auch der erste Rückschritt in einer unaufhaltsamen Karriere. „Es ging drei Jahre lang steil nach oben und ich hatte keine Zeit, um durchzuatmen“, erzählt er im „Krone“-Interview, „plötzlich war ich gezwungen, mich einzubremsen, die Füße stillzuhalten und alles zu verarbeiten. Ich hätte damals beim Coachella auftreten sollen und eine große Tour stand an. Blitzartig platzte das Luftschloss innerhalb von wenigen Tagen und brauchte eine Zeit, um das mental zu verarbeiten.“

Bei Benjamin stellte sich teils kurioses Kopfkino ein. „Ich habe darüber nachgedacht, in die Finanzbranche zu gehen. Heute inszenieren sich auf den sozialen Medien ja alle so, als würden sie mit fünf Dollar Einsatz in Las Vegas zu Multimillionären werden – warum also nicht gleich tief in diese Welt eintauchen.“ Im Endeffekt hatte Benjamin aber immerhin den Vorteil, seine Gitarre in die Hand nehmen und singen zu können – wenn auch nur im Schlafzimmer daheim und nicht vor Tausenden begeisterten Fans. „Ich hatte immer das innere Verlangen, meine Gedanken und Geschichten niederzuschreiben und nach außen zu tragen. Das hat sich in meiner depressiven Phase während der Pandemie zwar kurzzeitig verändert, aber ich fand zum Glück doch wieder schnell in die Spur.“ Das emotionale Auf und Ab führte Benjamin zum zweiten Album „(Un)Commentary“, vor wenigen Wochen erschein mit „12 Notes“ bereits sein Drittwerk, das ihn im Frühling 2025 auch wieder nach Europa bringen sollte.

Ein Fan von Europa
Dort genoss er schon früher größere Popularität als in seiner amerikanischen Heimat. „Die Skandinavier, Holländer und Deutschen liebten meinen Song ,Let Me Down Slowly‘ besonders, erst danach ging er auch in England und in Amerika in den Charts nach oben“, erinnert er sich zurück, „ich habe in Großbritannien auch meinen ersten Plattenvertrag unterschrieben und war vor Corona mehr in Europa unterwegs als in bei mir zu Hause. Zudem herrscht hier bei euch weitaus mehr Liebe und Verständnis für Musik außerhalb der Latin- und Hip-Hop-Schiene, die in den USA extrem dominiert. Nebenbei mag ich die Zerteilung durch die vielen Staaten. In Europa kannst du als Musiker in jedem Land Wurzeln schlagen und dich etablieren, während die USA ein großer Markt sind, der sich trotz der Größe nur sehr wenig unterscheidet.“ In seinen Songs ist Benjamin offen und persönlich. Er erzählt von seinen Erlebnissen, von den Tücken der Liebe, von fehlendem Selbstvertrauen oder der Suche nach Ruhe und Geborgenheit.

„Ich öffne mich immer zu 100 Prozent, völlig ohne Kompromisse. Es gibt wirklich nichts, was zu persönlich wäre, um damit nicht in die Öffentlichkeit zu gehen. Man muss nur wissen, wie man solche Geschichten erzählt, damit sie auch für andere Menschen interessant und nachvollziehbar sind. Beim Texten muss es mehr geben, als bloß ein ,Fuck‘ oder ,Shit‘ einzufügen, das ist mir zu wenig.“ Der Ehrgeiz an sich und sein Songwriting schlug sich so weit aus, dass er einige Songs sogar schon auf Mandarin (!) eingesungen hat. „Warum auch nicht? Ich finde, dass es eine bestimmte Dualität zwischen der östlichen und westlichen Welt gibt und sie viel zu wenig in den Mittelpunkt gestellt wird. Wir sind uns alle viel ähnlicher, als wir im ersten Moment denken und oft so weit voneinander entfernt, weil es gegenseitige Ressentiments oder Ignoranz gibt. Allein durch das Erlernen dieser Sprache habe ich den östlichen Teil der Welt besser kennengelernt. Ich bin gerne der Brückenbauer, der versucht, Situationen zu verbessern. Wenn das durch Musik und Kultur geht – umso besser.“

Hohe Ansprüche
Die Inspirationsquellen von Benjamin sind so vielseitig und breit gefächert wie auch sein Sound. Unter anderem findet man dort Namen wie Eminem, John Mayer, Bob Dylan oder System Of A Down. „Als ich jünger war, war ich ein richtiger Metalhead, weil mir diese Bands aus der Seele gesprochen haben. Mir ist es völlig egal, ob jemand singt, rappt oder herumschreit – Musik kann mich in den unterschiedlichsten Formen berühren. Wichtig ist nur, dass sie mich berührt.“ Diesen Anspruch stellt der Amerikaner nicht zuletzt auch an seine eigene Musik. „Ich will mit meinen Songs Fragen aufwerfen und Lösungsmöglichkeiten anbieten. Songs schreiben, über die Menschen nachdenken können, weil sie sie berühren. Keinesfalls will ich Wege vorgeben oder jemandem sagen, was er zu tun hat.“ Auf „12 Notes“ hat Benjamin seinen Sound weiter verfeinert und ausgearbeitet. Wohin die Reise im weiteren Sinne gehen wird, das ist dem 30-Jährigen völlig unklar. „Keine Ahnung. Seit der Pandemie rechne ich mit allem. Aber das ist ja auch das Spannende am Leben – man weiß nie, was als Nächstes kommt.“

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